DON CARLOS (frz. Fassung)
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Wiener Staatsoper
28.4.2012
(5-aktige französische Fassung von 1867)

Dirigent:Bertrand de Billy

Phillippe II, König von Spanien - Kwangchul Youn
Don Carlos, Infant von Spanien - Yonghoon Lee
Rodrigue, Marquis von Posa - Ludovic Tézier
Grand Inquisiteur - Alexandru Moisiuc
Ein Mönch (Kaiser Karl V) - Dan Paul Dumitrescu
Elisabeth de Valois - Adrianne Pieczonka
Eboli, Prinzessin - Béatrice Uria-Monzon
Thibault - Juliette Mars
Herold - Norbert Ernst
Le Comte de Lerme - Norbert Ernst
Stimme vom Himmel - Elisabeta Marin
Coryphée - Hiro Ijichi

Moderatorin (Pause) - Michaela Christl


Kein Aufreger
(Dominik Troger)

Das hochsommerliche Wetter drängte zum ersten Grillabend der Saison, die Staatsoper lockte mit der französischen Variante von Verdis „Don Carlos“ – und natürlich hatte die Staatsoper die besseren Argumente.

Staatsoperndirektor Dominique Meyer hat die Produktion nach längerer Spielplanabsenz wieder aufgenommen. Man hat ihn dafür kritisiert, man hat ihn dafür gelobt. Mein Befund nach dem Besuch der zweiten Vorstellung der laufenden Serie: Es ist zu begrüßen, dass die Staatsoper auch ein paar Raritäten Raum gibt. Denn obwohl von Verdi und obwohl „Don Carlos“, hier handelt sich um eine ausgewiesene Rarität: fünf Stunden und fünf Akte lang französische Oper sind heutzutage nicht mehr jeder Frau und jeder Manns Sache – die über den Abend gestreute Abwanderungstendenz im Publikum beweist es.

Die Inszenierung von Peter Konwitschny und Vera Nemirova (Autodafé) ist inzwischen selbst schon „historisch“ geworden – und ein ansprechenderes Beispiel für das, was salopp so gerne unter dem Begriff „deutsches Regietheater“ subsumiert wird. Dass hier an der Staatsoper offenbar nichts Besseres nachkommt, haben der verunglückte „Macbeth“ und „Aus einem Totenhaus“ bewiesen. Insofern ist es naheliegend, die geglücktere Produktion im Spielplan zu belassen – auch deshalb, weil der „Don Carlos“ auf seine Art wirklich als „exemplarisch“ gelten darf: Ein Studienobjekt, das seinen Platz behalten sollte, ganz unabhängig von der individuell-wertenden Beurteilung.

Die Regie betreffend kann hier nachgelesen werden (und dabei wird ein Stück jüngerer Staatsoperngeschichte noch einmal greifbar):

Premiere 18.10.2004

2. Vorstellung 22.10.2004
Aufführung am 2. September 2005

Von der Premierenbesetzung war an diesem Abend nur mehr Dan Paul Dumitrescu als Mönch „in Ehren“. Eine Rolle, die dem Sänger sehr gut liegt, als die Handlung rahmender Ruhepol im Getriebe der Mächte. Don Carlos wurde von dem jungen Koreaner Yonghoon Lee mit einer tenoralen Brechstange versehen, die Spitzentöne mit der knochenzerkrümelnden Wirkung fernöstlicher Kampfkunsttechniken ins Staatsopernauditorium schmetterte. Ob er damit im französischen Fach an der richtigen Stelle ist, wage ich mal in Frage zu stellen. Die Stimme ist gewiss vielversprechend, und Lee hat innerhalb weniger Jahre schon eine respektable Karriere hingelegt.

Soviel Mark in der Stimme hatte der Posa von Ludovic Tézier nicht. Der Bariton hat sich nach dem Wolfram und Werther jetzt zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit dem Wiener Publikum präsentiert. Er hat in allen drei Partien nicht besonders extrovertiert gewirkt – als Posa ist er in dieser Inszenierung außerdem mehr kretinhaft gezeichnet. Tézier sang seine Partie, wie mir scheint, von allen Beteiligten am stilsichersten, wusste aber erst in der Todesszene so richtig zu berühren.

Wenig an ehrfurchtgebietender Autorität vermittelten Kwangchul Youn als Phillippe II. und Alexandru Moisiuc als Großinquisitor. Eher ausdruckslos und stimmlich zu grobstofflich geschneidert kam in der berühmten Auseinandersetzung der beiden kaum Spannung auf. So war es nicht weiter verwunderlich, dass der Abend vor allem an Fahrt gewann, wenn die Damen auf der Bühne standen: Adrianne Pieczonka als Elisabeth de Valois und Béatrice Uria-Monzon als Eboli. Adrianne Pieczonka gewann spätestens mit ihrer finalen Arie und dem folgenden Duett mit Carlos das Publikum für sich. Adrianne Pieczonkas Soprantimbre hat eine passende wehmütige Färbung, ist aber in Summe wohl schon eine Spur zu schwer und aufs deutsche Fach getrimmt. Béatrice Uria-Monzon hinterließ als Eboli ebenfalls einen guten Eindruck, das Schleierlied hätte man sich virtuoser vorstellen können (aber das trifft auf fast jede Eboli zu). Ihr Mezzo schien mir nur etwas glanzlos timbriert und insofern von etwas nüchterner Erotik bestimmt. Schauspielerisch schlugen die Damen die Herren deutlich.

Juliette Mars überzeugte als jugendlicher Thibault nicht so recht und die Stimme vom Himmel klang sehr irdisch – passend zum Regiekonzept. Bertrand de Billy hat das Werk längst im „kleinen Finger“ und führte sicher durch den fünfstündigen und insgesamt ein wenig höhepunktlosen Abend.

Der Schlussapplaus dauerte immerhin acht Minuten. Das von den Mitwirkenden schwungvoll dargebrachte „Ballett“ erregte einige Heiterkeit. Die Vorstellung wurde vom Publikum eher emotionslos aufgenommen, Szenenapplaus gab es wenig, und wenn, dann war de Billy darauf aus, gleich weiter zu dirigieren.