TANNHÄUSER
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Wiener Staatsoper
5.9.2010

Dirigent: Franz Welser-Möst

Hermann, Landgraf von Thüringen - Ain Anger
Tannhäuser - Johan Botha
Wolfram von Eschenbach - Matthias Goerne
Walter von der Vogelweide - Gergely Németi
Biterolf - Alexandru Moisiuc
Heinrich der Schreiber - Peter Jelosits
Reinmar von Zweter - Marcus Pelz
Elisabeth, Nichte des Landgrafen - Anja Kampe
Venus - Michaela Schuster
Ein junger Hirt - Caitlin Hulcup

 

Nachtkritik: Saisonauftakt an der Staatsoper mit „Tannhäuser“
(Dominik Troger)

Ansprechender Saisonauftakt an der Staatsoper mit „Tannhäuser“ sowie ein paar interessante Details „am Rande“. Matthias Goerne sang bei seinem Hausdebüt den Wolfram.

Zuerst fielen einem an diesem Abend natürlich die neu gestalteten Plakate auf – und die neuen Umschläge für die Programme – und das neue Design der Publikumszeitschrift: alles sehr geschmackvoll, bei den Plakaten vielleicht mit einer Spur zu viel Understatement. Weiß bildet die Grundfarbe, mit goldenen Linien und das meist ebenfalls in Gold gedruckte neue Staatsopernlogo verfeinert. Sogar die Website wurde nach diesem Konzept neu gestaltet. Es gibt jetzt offenbar eine einheitliche Linie, ein Corporate Design, das – wie mir scheint – dem Repräsentationsbedürfnis der Staatsoper durchaus positiv entgegenkommt.

Was einem als Besucher im Zuschauerraum dann natürlich gleich ins Auge stach, war die diesjährige Version des Eisernen Vorhangs: eine Fülle an roten Farbschlingen. Angeblich eines der „intensivsten Bilder, die der Künstler (=Cy Twombly) je geschaffen hat.“ (Zitat: Publikumszeitschrift) „Wie schauen dann die anderen aus?“ fragt sich der Unverständige – und buchstabiert sich durch die ausführliche Bilderklärung, die in gewohnt üppiger Weise im Haus in der Form von Prospekten aufliegt. Hier hat sich also im Vergleich zur Direktion Holender noch nichts verändert.

Geradezu als revolutionär empfand man die Begegnung mit dem altgewohnten Klingelsignal – keine melodischen Gongs mehr, die durch die Foyers hallen, und die eine der letzten „Innovationen“ des Langzeitdirektors gewesen waren. Das ist schon mutig, denkt man sich: Es darf in den Pausen wieder „geläutet“ werden! Fühlt man sich da nicht sofort wieder eine Spur heimischer, wenn auch vielleicht gedrängter, den Pausentratsch rascher zu beenden? Aber so soll es auch sein.

Schön, dass man dann vom neuen Layout genießerisch umschmeichelt auch der Stabführung von Franz Welser-Möst genau das zu entnehmen schien, was die Coverseiten der Staatsopern-Prospekte, -Programme, -Plakate und -Webseite versprechen: Gediegenheit, Geschmack, niveauvolles, entspanntes Musizieren – die Speisekarte eines Opernmenüs für gehobene Ansprüche sozusagen, das mit klarem prächtigem und ausgewogenem Klang und musikalischer Bewegtheit nicht unbedingt die emotionalen Extremwerte auslotet, aber wie ein gut gebuchtes und sicher gesteuertes Kreuzfahrtschiff die interessanten Küstenzonen aus wohlaufbereiteter Perspektive präsentiert. (Die Ouvertüre begann freilich ein wenig träge, die Pilger schienen im Hospiz gut genächtigt und gespeist zu haben, aber der Venusberg brachte dann schon Abwechslung in ihre Reihen ...)

Die Besetzung des Abends war schon von der Premierenserie im letzten Juni bekannt – mit zwei Ausnahmen Matthias Goerne übernahm bei seinem Hausdebüt den Wolfram von Christian Gerhaher, Caitlin Hulcup den Hirten. Wobei, das Wort „übernehmen“ trifft es nicht wirklich: Gerhaher und Goerne zeigten sich sehr konträr in der Art ihres Vortrages und in der Art ihrer Herangehensweise. Zudem schien Matthias Goerne sich das Konzept von Regisseur Claus Guth nicht wirklich verinnerlicht zu haben (was sehr für den Sänger spricht). Gerhahers brillenbewehrter Wolfram, intellektuell, heuchlerisch, gleichsam jedes Wort auf die Waagschale legend, zeigte sich in Goernes Version als empfindsamer, seelenvoller Menschen (ohne Augengläser!). Goernes Wolfram hat „romantische“ Gefühle, er scheint an das zu Glauben, was er singt, und er möchte seine Rolle auch emotional ansprechend darstellen. Die verbissene Verzweiflung, mit der Gerharer die Guth’sche „Tannhäuser“-Dekonstruktion verkörperte, war Goerne fremd. Dass sich hier eine spürbare Diskrepanz zum Konzept der Inszenierung auftat, ist naheliegend.

Goernes Gesangstil versprach an diesem Abend allerdings mehr, als seine Stimme letztlich zu halten vermochte. Sein Bariton klang trotz angenehmer Breite irgendwie „wolkig“. Das Ohr suchte vergeblich einen festen Kern, aus dem es sich Wolframs Mannhaftigkeit hätte zimmern könnte, die Höhe wirkte verblassend und das Atemholen war im Abendsternlied zu deutlich vernehmbar. Goernes Bemühungen um einen authentischen Charakter Wolframs können aber in Anbetracht dieser Inszenierung nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die zweite Neubesetzung betraf den Hirten: Caitlin Hulcups Stimme erklang nicht in Bestform.

Ansonsten brachte der Abend gesanglich kaum neue Erkenntnisse. Johan Bothas Tannhäuser klang phasenweise wieder angestrengt, im zweiten Aufzug gegen Schluss schon deutlich forciert, im dritten sorgte er wieder für eine fulminante Romerzählung. Der Kniefall zu Beginn des zweiten Aufzugs vor Elisabeth wurde Botha erspart. Wolfram musste nicht zu Hilfe eilen. Was noch auffiel: Tannhäusers Doppelgänger im ersten Aufzug war plötzlich viel schmäler als der Tenor – und wenn der Tenor keinen Bart trägt, dann sollte man auch seinen Doppelgänger davon befreien?!

Anja Kampe sang die Elisabeth solide und an diesem Abend mit sehr flackerndem Gebet. Die Venus der Michaela Schuster hat sich leider nicht zum Besseren gewendet und im Chor waren noch nicht allen Stimmen auf höchstem Niveau.

Der Schlussapplaus dauerte nur rund acht Minuten. Franz Welser-Möst wurde ein Blumenstrauß geworfen. Botha und Welser-Möst erhielten die meiste Zustimmung. Auch Goerne kam recht gut an. Im Vergleich zur Premierenserie erschien der Beifall aber doch etwas abgespeckt.

Weitere Links: Den (überkritischen) Bericht von der Premiere findet man hier: 16.6.10 - den zur vierten Vorstellung der Premierenserie hier: 27.6.10