SIMON BOCCANEGRA
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Wiener Staatsoper
14.11.2012

Dirigent: Philippe Auguin

Simon Boccanegra - Placido Domingo
Jacopo Fiesco - Ain Anger
Amelia - Barbara Havemann
Paolo - Eijiro Kai
Pietro - Sorin Coliban
Gabriele Adorno - Ramón Vargas
Hauptmann - Marian Talaba
Dienerin Amelias - Lydia Rathkolb


„Ehrung für Placido Domingo“
(Dominik Troger)

Auch die dritte und letzte Vorstellung einer Aufführungsserie von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ stand ganz im Zeichen von Placido Domingo. Nach Schluss der Vorstellung wurde dem Sänger auf offener Bühne und in Gegenwart der zuständigen Bundesministerin der Ehrenring der Wiener Staatsoper überreicht.

1992 wurde Placido Domingo mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Er drückte damals in seiner Dankesrede die Hoffnung aus, noch fünf oder sechs Jahre in Wien zu singen. Zwanzig Jahre später wurde Domingo mit dem extra für ihn kreierten Ehrenring der Wiener Staatsoper ausgezeichnet. Und der Sänger drückte in seiner Dankesrede die Hoffnung aus, noch fünf Jahre in Wien zu singen. Was könnte das Phänomen Domingo besser beschreiben?

Nach den einleitenden Worten von Direktor Meyer, der einige persönliche Begegnungen mit Domingo Revue passieren ließ, und nach einer kurzen Laudatio durch Unterrichtministerin Claudia Schmied wurde dem Sänger die Auszeichnung überreicht. Domingo dankte in deutscher (und ein wenig englischer) Sprache, dankte allen Anwesenden, dankte dem Publikum und erinnerte sich kurz an seinen ersten Auftritt an der Staatsoper, 1967 im „Don Carlo“. Als er die Namen der Kolleginnen und Kollegen nannte, an deren Seite er diese Vorstellung bestritten hat, konnten sich die Anwesenden einer gewissen Wehmut kaum entziehen – und Domingo schien wie aus einer alten, heute schon verherrlichten Epoche in die Gegenwart zu ragen.

Immerhin hat 1992, bei der eingangs zitierten Verleihung des Ehrenkreuzes, der damalige Direktor Ioan Holender gemeint: „Ich bin zuversichtlich, daß er auch diese Direktion als Sänger überlebt.“ Und so hat Domingo dank seiner außerordentlichen sängerischen Konstitution sogar die Weissagung des Langzeitdirektors Holender eingelöst. (Zitiert nach dem Programmbuch, dass 2007 zum „40-Jahre-an-der-Staatsoper-Jubiläum“ von Placido Domingo aufgelegt worden ist.)

Über Domingos „Boccanegra“ habe ich schon vor etwas mehr als einem Jahr ausführlich geschrieben, das kann man hier und hier nachlesen. Domingos Stimme ist nach wie vor in einer für sein Alter ausgezeichneten Verfassung. Er geht vielleicht ein bisschen gebückter als noch vor wenigen Jahren, und wenn er im Finale Amelia und Gabriele segnet, dann scheint es sich inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes um eine väterliche Geste zu handeln, in der sehr viel Rührung mitschwingt.

Das musikalische Umfeld, in das Placido Domingo eingebettet war, litt unter dem Dirigat von Philippe Auguin, das Verdis leidenschaftliche Emotionen weitgehend ausblendete. Dieses musikalische „Dahinplätschern“ war vor der Pause besonders enervierend und hat dem Abend viel an Charisma genommen.

Boccanegras Gegenspieler Fiesco wurde von Ain Anger gesungen. Sein Bass klang anfangs ein wenig müde und ließ ein überraschend starkes Vibrato hören. Seine Rollengestaltung tauchte nicht so ganz in die Tiefen des Charakters ein, konnte sich aber neben der Bühnenautorität eines Placido Domingo gut behaupten. Ramón Vargas sang einen lyrisch-gestimmten Gabriele Adorno – und präsentierte sich in sehr guter stimmlicher Form. Vargas schien mehr den Liebhaber und weniger den Kämpfer herauszustreichen, aber das kam der Natur seines leicht baritonalen, warm timbrierten Tenors nur entgegen, der beim Gabriele oder beim Don Carlo schon mehr oder weniger deutlich an seine Grenzen zu stoßen scheint. Barbara Havemann zeigte sich einmal mehr als verlässliche Sängerin, die auch bei Verdi reüssieren kann. Ihr Sopran klang an diesem Abend allerdings etwas unausgewogen und nicht sehr diffenrenziert. Die Sängerin überzeugte mehr in den dramatischen Passagen, das mädchenhaft-schwärmerische Element der Partie wurde weniger betont. Eijiro Kai steuerte einen soliden Paolo bei.

Der Applaus im bestens gefüllten Haus dauerte inklusive Ehrung knapp 35 Minuten lang. Anger, Kai, Vargas, Havemann wurde je ein kleiner gebundener Blumenstrauß geworfen – Domingo erhielt einen etwas größeren. Es hat sich nach Domingo-Vorstellungen schon ein richtiges Ritual herausgebildet. Nach dem Herablassen des „Eisernen“ wird so lange geklatscht, bis der Sänger seitlich rechts über dem Orchester noch einmal herauskommt und ins Auditorium winkt. Und wenn man die Applauslänge der letzten Jahre vergleicht, dann pendelt die relativ konstant um die 30 Minuten.