SIMON BOCCANEGRA
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Wiener Staatsoper
3.9.2011

Dirigent: Paolo Carignani

Simon Boccanegra - Plácido Domingo
Jacopo Fiesco - Ferruccio Furlanetto
Amelia - Barbara Frittoli
Paolo - Eijiro Kai
Pietro - Dan Paul Dumitrescu
Gabriele Adorno - Massimiliano Pisapia
Hauptmann - Carlos Osuna
Dienerin Amelias - Simina Ivan


„Er kam, sang und siegte“
(Dominik Troger)

Placido Domingos „World Tour“ mit „Simon Boccanegra“ gastierte zur Saisoneröffnung an der Staatsoper. Etwas Besseres kann einem Staatsoperndirektor nicht „passieren“.

Der Publikumsandrang war wie erwartet groß – die Überraschung auch, sobald man sich im Zuschauerraum befand: Der Eiserne Vorhang zeigte sich ganz ungeniert mit Rudolf Hermann Eisenmengers für die Wiedereröffnung 1955 geschaffener, golddurchfluteter „Orpheus und Eurydike“-Dekoration. Das sorgte gleich einmal für Gesprächsstoff und half, die Wartefrist bis zum Beginn der Vorstellung zu überbrücken.

Dieser drückten dann vor allem Placido Domingo und Ferruccio Furlanetto ihren Stempel auf. Der Tenor Placido Domingo in seinem „dritten“ Stimmfrühling als Bariton, Furlanetto im „zweiten“, sorgten für jene unbedingte Bühnenpräsenz, die schon Verdi von den Darstellern des Boccanegra beziehungsweise Fiesco eingefordert hat.

Domingos Stimme klang im Prolog recht hell und noch auffallend nach Tenor, vielleicht mit Absicht, um das hier noch jugendlichere Alter der für Bariton komponierten Rolle herauszustreichen. Der etwas helle Klang schlug auch später öfter durch, vorwiegend setzte Domingo aber auf eine mit voller Brust in Töne gegossene Baritonalität. Er verfügte über genügend stimmliche und darstellerische Ressourcen, um die kraftraubende Rolle wirkungsvoll zu gestalten und durchzustehen. Seine Stimme und seine Motivation scheinen ungebrochen. Das Publikum folgte ihm ohne zu Zögern.

Im Finale auf Amelia zugehend, schon von der tödlichen Wirkung des Giftes gezeichnet, legte er sogar einen richtigen „Stunt“ ein und ging bühnengerecht zu Boden. Darstellerisch pflegte Domingo einen väterlichen, zur Rolle passenden Zug, manchmal schlich sich noch eine tenoral-sieghafte Gestik ein. Höhepunkt des Abends war das Finale ab dem klärenden Gespräch mit Fiesco. Ferruccio Furlanettos Bass wirkte wie neu erfrischt und sein Fiesco ist in den letzten Jahren ohnehin zu einer „tragischen Figur“ gereift. Im Zusammenwirken mit Domingo ergab das einen Multiplikatoreffekt an sängerischem „Charisma“, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Die übrigen Mitwirkenden konnten schwer mithalten. Barbara Frittolis Amelia wirkte schon sehr „gereift“ und brachte die mädchenhaften Züge der Rolle kaum zur Geltung: eine stark flackernde Stimme und manch grenzwertige Höhe kennzeichneten ihren Gesang, der vor allem in den dramatischen Momenten sowie in den Ensembles überzeugte. Massimiliano Pisapia (Gabriele) war kurzfristig für Fabio Sartori eingesprungen. Satori hat noch die Probe am Vortag gesungen und war dann erkrankt, wurde dem Publikum vor Beginn der Vorstellung mitgeteilt. Pisapia löste die Aufgabe gut, schien mir aber erst im Laufe des Abends in Fahrt zu kommen. Eijiro Kai hat als Paolo positiv überrascht. Bei diesem Intriganten ist vor allem auch die schauspielerische Präsenz wichtig, treibt er doch die Handlung auf die Spitze zu.

Mit einer gewissen Skepsis lauschte ich dem Orchester unter Paolo Carignani, dessen etwas „handfesterer“ Zugang mich wenig „erwärmte“. Doch die erste Vorstellung in der Saison geht meist noch nicht so perfekt über die Bühne. Carignani gelang es immer wieder, Spannung zu erzeugen, vieles blieb aber Stückwerk. Die dichte Atmosphäre von Verdis Komposition blieb mehrmals auf der Strecke – am nachhaltigsten in der Einleitung zum ersten Akt und bei der verschleppten Begleitung zu Amelias Liebesseufzern.

Der Applaus dauerte 25 Minuten: Orkanstärke für Domingo und auch noch sehr heftig für Furlanetto. Placido Domingo kam, nachdem sich der „Eiserne“ bereits gesenkt hatte, noch einmal alleine rechts auf der Seite an die Bühnenkante und winkte ins Publikum. Dann waren alle zufrieden und wähnten sich wie in „alten“ Zeiten.