ELEKTRA
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Wiener Staatsoper
21. November 2015

Dirigent: Peter Schneider


Klytämnestra - Anna Larsson
Elektra - Nina Stemme
Chrysothemis - Gun-Brit Barkmin
Aegisth - Herbert Lippert
Orest - Matthias Goerne
Pfleger des Orest - Il Hong
Vertraute - Simina Ivan
Schleppenträgerin
- Aura Twarowska
Junger Diener
- Thomas Ebenstein
Alter Diener
- Hans Peter Kammerer
Aufseherin - Donna Ellen
Mägde - Monika Bohinec, Ilseyar Khayrullova, Ulrike Helzel, Caroline Wenborn, Ildiko Raimondi
Dienerinnen -
Younghee Ko, Secil Ilker, Kaya Maria Last, Jozefina Monarcha, Karen Schubert, Zsuzsanna Szabó


Magmakammern des Hasses

(Dominik Troger)

Nina Stemme ist derzeit an der Wiener Staatsoper wieder als Elektra zu erleben und taucht den Mythos ins dunkle Rotgold ihres kraftvollen Soprans. Nachfolgende Anmerkungen beziehen sich auf die dritte Aufführung der laufenden „Elektra“-Serie, eine Vorstellung folgt noch am kommenden Mittwoch.

Über Nina Stemme als Elektra habe ich schon anlässlich der Premierenserie ausführlich „referiert“, da gibt es wenig hinzuzufügen. Ihre Interpretation wirkt etwas getragen, die Spitzentöne werden mit keinem Elfenbogen abgeschossen, sondern von großen Belagerungsmaschinen, die schwere Brandfackeln über die mykenischen Mauern werfen. Stemmes Elektra ist nicht hysterisch, sie nährt einen Hass, der lange benötigt, bis er aus den Magmakammern in ihrer Seele aufsteigt und explodiert. Das wirkt zeitweise etwas schwerfällig. Der Auftrittsmonolog ist mehr ein „Anlaufnehmen“ für den blutigen Psychorausch, der sich in Schüben entwickelt, und eigentlich immer nur punktuell – wenn sie zum Beispiel Klytämnestra samt Rollstuhl gegen die Wand bugsiert oder wenn sie die Hacke in die Fliesen rammt – auch „körperlich“ spürbar wird.

Gun-Brit Barkmin hat sich schonungslos in die Chrysothemis hineingeworfen. Dort war schon mehr von der Hofmannsthal’schen Hysterie zu Hause, von der nervenzerflatternden Grenzüberschreitung, von Unsicherheit und von unerfüllter Geborgenheitssehnsucht. Barkmins Sopran zeigte sich diesem expressiven Ausdruck gewachsen, ohne seine lyrische Grundsubstanz verleugnen zu müssen. Dadurch wurde das Verhältnis zur Elektra Nina Stemmes dramaturgisch gut ausdifferenziert: Man hatte an diesem Abend das Gefühl, Elektra könnte Chrysothemis, diesen unruhevoll hin- und herflatternden Schwesternschmetterling, mit ihrer Robustheit physisch erdrücken.

Matthias Goerne gab in dieser Aufführungsserie sein Wiener Rollendebüt als Orest. Goerne sang die Partie mit Stimmkultur und vermittelte weniger den gewalttätigen Mutter- und Vatermörder: ein emotional vielleicht zu ausgewogener Orest der Pflichterfüllung und nicht so sehr vom orgiastisch sich ankündigenden Blutrausch bestimmt. Anna Larsson vermag es für meinen Geschmack zu wenig, die Möglichkeiten der Klytämnestra-Szene auszuschöpfen – aber auch diesbezüglich sei auf die nachstehend verlinkten Anmerkungen zur Premierenserie verwiesen.

Um das Aegisth’sche Hauspersonal war es gesanglich nicht in jeder Abteilung „zum Besten bestellt“ – und Herbert Lippert war fast schon ein zu „seriöser" Herrscher über das löwentorgeschmückte Mykene. Peter Schneider war dem Werk wie erwartet ein guter Sachverwalter, der seinen Richard Strauss im kleinen Finger hat. Der Publikumszuspruch beim Schlussapplaus war stark, galt vor allem Chrysothemis, Orest, dem Dirigenten, aber doch ganz besonders: Nina Stemme.

Links zur Premiere und zu einer der Folgevorstellungen – mit ausführlichen Anmerkungen auch zur Inszenierung versehen: Premiere am 29.3.2015 sowie Aufführung am 4.4.2015