SCHUMANN & SCHUBERT IN WIEN 2000 - 2020 |
Home |
|
Robert
Schumann und Franz Schubert haben mit ihren Opern beim Publikum wenig
Erfolg gehabt. In Wien gab es in den letzten beiden Jahrzehnten einige
Versuche, diese Werke neu zu beleben – gelungen ist das nicht.
Eine Zusammenschau in acht Kapiteln. |
Kapitelübersicht I.
Hat
Eduard Hanslick Schuld?
|
Im neuen Jahrtausend hat sich das Wiener Konzerthaus dem Opernschaffen Franz Schuberts angenommen. 2005 lud man die Züricher Oper mit „Fierrabras“ zu einer konzertanten Aufführung, 2012 gastierte das Mozarteumorchester Salzburg mit „Alfonso und Estrella“. Beide Aufführungen vermochten nicht gänzlich zu befriedigen, „Fierrabras“ hinterließ aber insgesamt einen günstigeren Eindruck. Er ist das „reifere“ Werk von beiden. Am 27. November 2005 kam es zu einer konzertanten Aufführung von „Fierrabras“ im Rahmen eines Gastspiels der Oper Zürich. Die Aufführung begann schon um 15 Uhr und bot dem Publikum einen etwas langatmigen Sonntagnachmittag. Die Umsetzung litt außerdem unter der absurd anmutenden Idee, die konzertante Aufführung durch einen gewissen „Schubert“ aufmotzen zu müssen. „Schubert“ saß auf dem Podium an einem Tisch, komponierte und tat hin und wieder mehr oder weniger deutlich seine persönlichen Befindlichkeiten kund. Dabei übernahm er als Sprechrolle kurze Sätze des in diesem Sinne angepassten Librettos. Die Dialogeinrichtung stammte von Claus Guth. Guth hat „Schubert“ aus seiner szenischen Züricher-Produktion des „Fierrabras“ nach Wien mitgenommen. Wahrscheinlich wollte man sich den Aufwand ersparen, Schubert aus der konzertanten Aufführung „wegzuretuschieren“. In Zürich ließ Guth die Handlung szenisch im Schubert‘schen Biedermeier spielen. Man schaute „Schwammerl“ beim Komponieren zu und wie er die Figuren arrangiert und Beziehungsdiagramme auf eine große Tafel zeichnet. Es gibt eine DVD von dieser szenisch ziemlich eigenwilligen Produktion. Was den Abend aus heutiger Sicht besonders interessant macht, war das Auftreten von Jonas Kaufmann als Fierrabras. Kaufmann war damals noch nicht der gehypte Superstar, was aber nicht bedeutet, dass er unter Opernliebhabern nicht schon einen sehr guten Namen gehabt hätte – das beweist nicht nur die Besprechung der Aufführung im NEUEN MERKER (Heft 12/2005), in der als Bildunterschrift unter Kaufmanns Porträt die Frage gestellt wurde: „Heldentenor der Zukunft?“. Kaufmann war zu jener Zeit in Zürich engagiert und kaum in Wien zu hören. Im Frühjahr 2005 hat er mit einem Liederabend im Konzerthaus gastiert. Die konzertante Aufführung von „Fierrabras“ war offensichtlich sein erster Wiener Opernauftritt. (Eine geplante Mitwirkung bei einer konzertanten Aufführung von „I masnadieri“ im Jahr 2003 im Konzerthaus hatte der Sänger kurzfristig absagen müssen.) Erst am 12. Juni 2006 hat er als Tamino an der Staatsoper debütiert. Die Kritiken zur Züricher „Fierrabras“-Premiere am 10. November 2002 streichen Kaufmanns Leistung positiv heraus, erwähnen ihn aber im Kontext der übrigen Protagonisten ganz ohne „Star-Status“. Das gilt auch für die Rezensionen zur konzertanten Aufführung in Wien drei Jahre später. Wie sich an diesem Abend im Konzerthaus zeigte, verfügte seine Stimme über einen deutlich baritonal gefärbten Zwischenfachtenor, nicht mehr wirklich schlank, aber noch einigermaßen beweglich und mit schon etwas gesetzt wirkender Strahlkraft ausgestattet. 2009 ist eine unter Claudio Abbado eingespielte deutsche Arien-CD des Sängers erschienen, auf der sich auch das „Was quälst du mich, o Mißgeschick“ aus dem Fierrabras befindet. Es zu hören, dass die Stimme in den lyrischen Passagen wie „In tiefbewegter Brust / Regt sich ein leises Sehnen“ bereits schwerfälliger manövriert – und dass sie noch baritonaler geworden ist. Die Aufführung brachte eine der letzten Begegnungen des Wiener Publikums mit dem ungarischen Bass Lásló Polgár als König Karl. Polgár zählte schon seit Anfang der 1990er-Jahre zum Ensemble des Züricher Opernhauses. 1988 hat er in der Wiener Festwochenaufführung des „Fierrabras“ den Boland gesungen. Polgárs nobler, beweglicher, wenn auch nicht ausgesprochen fülliger Bass, war für solch aristokratische Bühnenpersönlichkeiten immer eine gute Wahl. Der Sänger ist 2010 im Alter von 63 Jahren überraschend verstorben. Michael Volle stellte seinen schönen Bariton in den Dienst Schuberts. Der Sänger war seit 1999 Mitglied der Züricher Oper. 2007 erfolgte sein Bayreuth-Debüt als Beckmesser. Günther Groissböcks jugendlich-kerniger Bass gab dem Boland Profil. Groissböck befand sich 2005 gerade beim Durchstarten seiner Karriere, die ihn einige Jahre später ebenfalls nach Bayreuth bringen sollte – 2011 als „Tannhäuser“-Landgraf. Der an Rollen reiche Besetzungszettel umfasste weiters: das verdiente Züricher Ensemblemitglied Juliane Banse als stimmliche Stressysymptome zeigende Emma; Christoph Strehl sang mit etwas strengem, leicht ins Charakterfach tendierendem lyrischen Tenor den Eginhard; Twyla Robinson die Florinda. Das Orchester der Oper Zürich spielte unter Franz Welser-Möst, der Schubert etwas glatt und spannungslos präsentierte. Mag sein, dass auch die spezielle Situation im Konzerthaus seitens des Orchesters (zu) konventionelles und (zu) lautes Musizieren gefördert hat. -------> VII. Wiener Konzerthaus: „Alfonso und Estrella“ (2012) 2020 - © Dominik Troger |