SCHUMANN & SCHUBERT IN WIEN 2000 - 2020

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Robert Schumann und Franz Schubert haben mit ihren Opern beim Publikum wenig Erfolg gehabt. In Wien gab es in den letzten beiden Jahrzehnten einige Versuche, diese Werke neu zu beleben – gelungen ist das nicht. Eine Zusammenschau in acht Kapiteln.


Autor:
Dominik Troger
Bearbeitungsstand:
Juni 2020

Kapitelübersicht

I. Hat Eduard Hanslick Schuld?
II. Schumanns „Genoveva“ - Ein Rückblick
III. Theater an der Wien: „Genoveva“ (2000)
IV. Volksoper: „Genoveva“ (2005)
V. Franz Schubert „Fierrabras“ – Ein Rückblick
VI.Wiener Konzerthaus: „Fierrabras“
(2005)
VII.
Wiener Konzerthaus „Alfonso und Estrella“ (2012)
VIII
Theater an der Wien: „Lazarus“ (2013)


IV. Volksoper: „Genoveva“ (2005)

Am 23. und 29. Jänner sowie am 3. Februar 2005 lud die Wiener Volksoper zu konzertanten Aufführungen der „Genoveva“. Man hoffte, durch diese Art der Wiedergabe würden die „symphonischen Elemente der Musik“ besonders hervortreten wie im Programmfolder zur Aufführung geschrieben stand – und phasenweise konnte dieser Anspruch sogar erfüllt werden. Das Publikumsinteresse hielt sich aber in Grenzen – sowohl beim Besuch als auch beim Applaus. Die „Genoveva“ gleich an drei Abenden auf den Spielplan zu setzen, bezeugt den Optimismus der Verantwortlichen.

Immerhin gelang es dem Volksopernorchester und dem Ensemble unter Marc Piolet hin und wieder opernhafte Dramatik aus der Partitur zu zaubern (etwa bei den Chorstellen).  Es gibt dennoch zwei Details, die diesen Aufführungen einen besonderen Stellenwert einräumen: der letzte Wiener Opernauftritt des im November 2005 unter tragischen Umständen aus dem Leben geschiedenen Deon van der Walt sowie den Auftritt der jungen Berliner Sopranistin Annette Dasch.

Deon van der Walt kam im November 2005 auf seinem südafrikanischen Weingut bei einer Familientragödie ums Leben. Der 1958 in Südafrika geborene Sänger hatte sich schon in den 1980er-Jahren als Mozarttenor einen Namen gemacht (etwa als Belmonte bei den Salzburger Festspielen) sowie im Belcanto-Fach. Später trat er auch immer wieder in Raritäten der deutschen Romantik auf wie Schuberts „Fierrabras“, „Alfonso und Estrella“ oder Marschners „Hans Heiling“. Deon van der Walt verfügte über einen schlanken, hellen, leicht nasal timbrierten lyrischen Tenor. An der Wiener Staatsoper hat er vor allem Mozartpartien gesungen, 1997 den Des Grieux in Massenets „Manon“. 1995 hat er unter Ralf Weikert bei Arte Nova eine Arien-CD aufgenommen, auf der die Stimme schon eine Spur trockener klingt und manchmal zu grell färbt.

Annette Dasch hatte 2005 ihren großen Karrieresprung noch vor sich, ein Karrieresprung, der sie bald zu den Salzburger Festspielen (2006) und 2010 als Elsa nach Bayreuth führen sollte. An der Volksoper ließ die Sängerin einen gerundetem Sopran hören, mit verhaltenem, duldendem Klagen durchlitt sie Genovevas Schicksal. Das weiße, dekolletierte Kleid verstärkte dein Eindruck leidender Unschuld. Im Vergleich mit den wenigen anderen Interpretinnen der Genoveva (so viele Einspielungen gibt es nicht) malte Dasch die Partie mit einem Goldglanz aus, der die emotionalen Verwerfungen einebnend umfloss und dem symphonischen Fließen der Schumann'schen Musik anglich.

Daschs Genoveva zeigte eine junge Frau, die das ihr zugewiesene Terrain nicht verlässt, die festgebannt bleibt wie die Figur in einem Gemälde. Im Jahr 1841 hat der deutsche Maler und Zeichner Adrian Ludwig Richter „Genoveva in der Waldeinsamkeit“ gemalt, die Natur so groß, Genoveva so klein, aber das Sonnenlicht bestrahlt den kleinen Ausschnitt, der sie mit Kind und der berühmten Hirschkuh zeigt. Es scheint, als müsse man sich Schumanns Oper aus dieser Perspektive nähern.

Der Sopran von Annette Dasch war von Anfang an mehr dem deutschen Fach zugeneigt, ihre Mozartaufnahmen aus jenen Jahren fallen im Vergleich merklich ab. In Wien ist die Sängerin eher selten aufgetreten, aber sie hat 2012 an der Volksoper die Madame Pompadour als Premierenbesetzung gegeben und 2013 in der szenischen Produktion von Schuberts „Lazarus“ im Theater an der Wien mitgewirkt (doch davon später). An der Wiener Staatsoper debütierte sie erst im Jänner 2018 und viel zu spät als der Partie stimmlich bereits entwachsene Donna Elvira. Von Annette Dasch als „Genoveva“ gibt es den Mitschnitt einer konzertanten Aufführung unter Marc Piollet mit dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden, der bei Acousence Classics erschienen ist.

Morten Frank Larsen war ein im Aussehen nicht minder attraktiver Pfalzgraf. Das ergab fürs versöhnliche Schlusstableaux ein Bilderbuchpaar wie es „romantischer“ nicht hätte sein können. Simone Schröder brachte etwas Ortrudhaftes in die zwielichtige Persönlichkeit der Margaretha mit ein, was als passend empfunden wurde. Sebastian Holecek gab einen Autorität verströmenden Bischof von Trier. Die Rolle des unglücklichen Drago wurde von Josef Wagner beigesteuert.

Für die Aufführung am 3. Februar stellte sich die große Herausforderung, wegen Erkrankung Deon van der Walt und Simone Schröder ersetzen zu müssen. Das Kunststück gelang: Thomas Ströckens übernahm sehr kurzfristig die Partie des Golo und Margaret Thompson die der Margaretha. Die Sängerin wurde wie DER NEUE MERKER (3/2005) berichtete sogar von Amerika eingeflogen. Im Vergleich mit der oben behandelten Festwochenproduktion war die konzertante Volksopernaufführung musikalisch lohnender.

-------> V. Franz Schubert „Fierrabras“ – Ein Rückblick

2020 - © Dominik Troger