RHEINGOLD
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Wiener Staatsoper
21.11. 2009

Dirigent: Franz Welser-Möst

Wotan - Juha Uusitalo
Donner - Clemens Unterreiner
Froh - Gergely Németi
Loge - Adrian Eröd
Fasolt - Sorin Coliban
Fafner - Ain Anger
Alberich - Tomasz Konieczny
Mime - Wolfgang Schmidt
Fricka - Janina Baechle
Freia - Alexandra Reinprecht
Erda - Anna Larsson
Woglinde - Simina Ivan
Wellgunde - Michaela Selinger
Floßhilde - Zoryana Kushpler


Globalisierter Wagner
(Dominik Troger)

Die Doppelpackung „Ring“, die man an der Wiener Staatsoper dem Publikum zur gefälligen Einnahme innerhalb von drei Wochen verordnet hat, startete Samstagabend in die zweite Behandlungsrunde. Das Ergebnis war nicht gerade „enthusiasmierend“.

Medikamente können, wie man weiß, auf unterschiedliche Menschen sehr unterschiedliche Wirkungen haben: der eine bekommt ein Placebo und wird gesund, der andere schluckt das neueste, von Pharmagenies ertüftelte Arzneimittel und muss trotzdem um seine Genesung bangen. Mit Opernaufführungen ist es irgendwie ähnlich: die einen feiern den absoluten Superstar, während andere einen großen Bogen um das Haus machen, wenn bestimmte Namen auf dem Besetzungszettel stehen.

Wenn nun der Schreiber dieser Zeilen den allgemeinen Jubel nach dieser „Rheingold“-Vorstellung nicht geteilt hat (es waren immerhin zehn heftig beklatsche und „bebravoooote“ Minuten), dann möge man ihm verzeihen. Vielleicht hat er doch nur ein Placebo genossen – oder man hat ihm boshafter Weise ein Schlafmittel verabreicht, das ihn schon während der Szene mit den quirligen Rheintöchtern unbarmherzig in Morpheus-Arme getrieben hätte, wäre er nicht befähigt gewesen – dank vieler Opern- und Konzertabende zu starker Willenskraft ertüchtigt – gegen die fatalen Auswirkungen dieser Medikation anzukämpfen.

Was also die einen zum Enthusiasmus beflügelte, wirkte auf den Schreiber dieser Zeilen ziemlich „zahnlos“ – und das hatte vor allem mit dem Dirigenten Franz Welser-Möst zu tun. Wagners Musik erschien an diesem Abend als zu harmlos und geglättet, in ein globalisiertes, mit Schablonen bedrucktes dünnes Tüchlein gefaltet, das man in Cleveland ebenso aufspannen kann wie in Wien.

Die Energien und Boshaftigkeiten der Zwerge, Götter, Nixen und Naturgewalten wurden in einem weitestgehend kammermusikalischen, harmlos-schlanken Tonfall neutralisiert, an dem selbige abglitten wie Wassertropfen auf einer modernen synthetischen Oberfläche. Das wurde in schön und „durchsichtig“ musizierten Häppchen dargeboten, mit ein paar grelleren, aufgepfropft wirkenden Orchesterausbrüchen garniert, die zusammenhanglos für sich allein standen. Es fehlten länger gehaltene Spannungsbögen oder ein schärferes Akzentuieren der Bühnencharaktere, die Wagner musikalisch doch so reichhaltig ausgestaltet hat. Gewisse Unsicherheiten im Orchester sollen außerdem gar nicht zur Diskussion gestellt werden: dergleichen fällt meist unter die Tagesform.

Dabei bietet das „Rheingold“ eine Welt voller Gegensätze, die Wagner mit Akribie musikalisch festgemacht hat: von der erhabenen Burg „Walhall“ bis zum nixisch-neckischen Liebesspiel der Rheintöchter, die Alberich zu sexueller Gluthitze treiben. Und müssten die Riesen durch Freias gepflegte Gartenlandschaft nicht viel mächtiger tölpeln und tappen? Dergleichen findet in der Form eines „nachmalenden Impressionismus“ wohl kaum einen entsprechenden Ausdruck. Ist die „Welt“ des „Rings“ nicht ein dramatisches Revolutionsgemälde voller brutaler Konflikte und psychologisch-mythologischer Anspielungen, die einen als Zuhörerin und Zuhörer vom Sitz reißen sollten?!

Dass der Abend trotzdem einiges an Spannungsmomenten aufwies, war Alberich und Loge zu danken – beziehungsweise zwei außergewöhnlichen Sängerpersönlichkeiten, die in diese Rollen geschlüpft waren und ohne die man sich dieses Staatsopern „Rheingold“ derzeit schwer vorstellen kann: Tomasz Konieczny als Alberich und Adrian Eröd als Loge. Konieczny lieh dem Alberich erotisches Flair und eine herrische, in der Höhe kernig-klare Stimme. Eröd spielte den Loge wieder großartig, stimmlich war seine Tagesform diesmal eine Spur zu „baritonal“.

Wichtig wäre es, dass dem Wotan von Juha Uusitalo nur ein paar Prozent von Alberichs autoritärem Selbstbewusstsein zur Verfügung stünden: Der Finne wirkte an diesem Abend fast gemütlich und über weite Strecken zu unbeteiligt. Seiner Stimme fehlte zudem die Breite und klangvolle Tiefe. Vielleicht hatte er sich aber auch wegen der nächstägigen „Walküre“ einen Schongang verordnet – aber war mein Eindruck nach der Premiere im diesjährigen Mai nicht ein ähnlicher gewesen?

Die beiden Riesen wirkten wieder sehr sympathisch – zu sympathisch für meinen Geschmack, aber das liegt auch an ihren jungen, sympathischen Stimmen. Gewonnen hat der Abend durch die Freia der Alexandra Reinprecht, die sehr selbstbewusst zur Sache ging und dank ihrer anziehenden körperlichen Gegenwart viele Blicke auf sich zog. Auch den Donner von Clemens Unterreiner möchte ich auf die „Haben-Seite“ buchen: als ein Ausflug in eine mögliche sängerische Zukunft. Solide Gergely Németi als Froh.

Auch die Rheintöchter zu zwei Drittel in der Besetzung gegenüber der Premiere verändert, gaben keinen Anlass zur Kritik. Die Erda der Anna Larsson entledigte sich ihres Kurzauftritts zur allgemeinen Zufriedenheit. Die Fricka der Janina Bächle könnte ich mir vom Charakter akzentuierter vorstellen. Bleibt noch der Mime zu nennen: Wolfgang Schmidt sang prägnant, aber mit viel Flackern in der Stimme – und dabei hat er nur einen Kurzauftritt.

Anmerkungen zur Inszenierung kann man hier nachlesen Rheingold-Premiere am 2. Mai 2009.