RHEINGOLD
|
Home |
Wiener Staatsoper Dirigent: Franz Welser-Möst Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf |
Wotan -
Juha
Uusitalo |
Mit dem „Rheingold“ hat die Staatsoper den neuen „Ring“ abgeschlossen – und das „Vorspiel“ erwies sich als sehr erfreuliches „Nachspiel“. Das Orchester unter Franz Welser-Möst und die Sängerpersönlichkeiten von Adrian Eröd und Tomasz Konieczny prägten den Abend. Der Start in den neuen Staatsoper-„Ring“ war mit der unglücklichen „Walküren“-Premiere im Dezember 2007 kein allzu verheißungsvoller gewesen – aber in Folge zeigte sich ein beständiger Aufwärtstrend. Mit dem „Rheingold“ ist jetzt eine szenisch ansprechbare und musikalisch sehr homogene Produktion geglückt. Natürlich ist es auch ein wenig Glücksache, wenn man gerade zwei Sänger zur Hand hat, die sich in Topform befinden und spielerisch wie sängerisch nichts anbrennen lassen. Adrian Eröd (Loge) und Tomasz Konieczny (Alberich) beherrschten die Bühne – und die bestens funktionierende Personenführung von Sven-Eric Bechtolf schärfte die Charaktere. Alberich ist hier kein höckriger, gnomenhafter Wüstling, sondern ein telegener Nibelung. Mit nacktem Oberkörper sehnt es ihn zuerst nach Liebe und dann nach Macht. Da liegt die unberechenbare Gefährlichkeit eines diktatorischen Usurpators in der Luft, wenn Wotan und Loge dem Herrn von Nibelheim einen „Besuch“ abstatten – und es ist nur konsequent, dass er das Gold in menschenähnliche Köpfe und Gebeine gießen lässt, zählt für ihn das Gold und der damit verbundene Machtanspruch doch mehr als alles kreatürliche Leben. Stellagen gefüllt mit Goldschädeln und Goldknochen zeugen von Alberichs erotisch sublimer Sammelleidenschaft, wo ihm die Gier an der Macht die Sehnsucht nach Liebe ersetzt. Und soll niemand behaupten, das wäre nicht modern. Man erkennt solche Typen auch ohne Uniform und Parteiabzeichen und es braucht keine Gewaltexzesse und Maschinenpistolen auf der Bühne, um das zu verdeutlichen. Tomasz Konieczny wusste seinen Führungsanspruch auch sängerisch imposant umzusetzen, mit metallischem Klang und kraftvoller Stimme gierte er nach den Rheintöchtern, verfluchte er die Liebe und später den Ring. Zwar mag er an seinem Deutsch immer noch etwas arbeiten müssen, andererseits wurde durch den Akzent das Außenseitertum Alberichs sehr gut charakterisiert. Adrian Eröd mutierte seinen Bariton zum Tenor – und nach kurzem Eingewöhnen schien es schon das Selbstverständlichste von der Welt. Eröds Loge war dadurch weniger von intellektuell-schneidendem Zuschnitt. Er zeigte vielmehr einen selbstbewusst herumwirbelnden Schmeichler und Umgarner, der weiß was er will und das wortdeutlichst zum Ausdruck bringt. Wie er sich bewegte und zum zuckenden Flämmchen werden wollte, sobald das Logemotiv aus dem Orchestergraben züngelte, wie er als Schoßhündchen Wotan Beine umspielte, um sich dann wieder boshaft-herausfordernd zu geben, das war ein großes Stück Schauspielkunst. Diese Konzeption des Loge, der bei Bechtolf sehr aktiv das Geschehen bestimmt, mag nicht bei allen Anwesenden im Publikum gleich gut angekommen sein. Doch man darf darüber nicht vergessen, dass sich Loge in gestaltwandlerischer Form wie ein roter Faden durch alle „Ring“-Teile fädelt. Und im „Rheingold“ ist er nicht nur handelnde Person, sondern auch Kommentator des Geschehens. Er hat zugleich eine historische Perspektive, die allen anderen Protagonisten – mit Ausnahme von Erda – fehlt. Es wäre ein interessanter Gedanke, den „Ring“ quasi aus dem Blickwinkel Loges zu erzählen – und ein wenig tendiert Bechtolf in diese Richtung. Er bleibt beim Märchen, dass er ein wenig ironisiert – ohne es über den Stab der Modernität zu brechen – und erreicht dadurch eine etwas schwer fassbare, aber eigentlich recht bestechende und ihre eigenen Ziele hinterfragende Mischung von Sub- und Hochkultur. Loges langes rotes „Elfen“-Haar (und der schwarze Mantel) geben ihm ein wenig den Touch einer Comicfigur – und wenn Alberich am Schluss des ersten Bildes einen großen, rohen Rheingold-Barren beidhändig über den Kopf stemmt, dann erinnert er an Szenen aus Fantasy-Filmen und assoziiert eine einschlägige Bildsprache der Trivialkultur. Dass sich Bechtholf damit weder bei Anhängern eines progressiven, angeblich Weltverbesserung evozierenden „Bürgerschrecktheaters“ noch bei der das Geschehen unreflekiert übernehmenden „Flügelhelmfraktion“ viele Freunde machte, bewiesen offenbar die starken Buhrufe gegen die Regie beim Schlussvorhang – aber mir scheint gerade in den oben ausgeführten Details die eigentliche Innovation von Bechtolf zu liegen. Wagners „Ring“ wäre dann zumindest mit dem „Rheingold“ wirklich in der Gegenwart angekommen, und bei einer mythenadaptierenden Massenkultur, die nun mal mehr von der Verfilmung des „Herrn der Ringe“ geprägt ist als von der didaktischen Sozialromantik des Brecht’schen Theaters beziehungsweise dem, was davon noch übrig ist. Allerdings – auf die anderen drei Teile der Tetralogie müsste man das jetzt noch einmal deutlicher abfärben. Hier wären Anpassungen gefragt. Ob die starke Gewichtung von Loge und Alberich aber auf Kosten Wotans ging? Wotan, der doch am Höhepunkt seiner Macht auf lichten Bergeshöhen zu seinem Walhall aufschaut, schien unterrepräsentiert. Juha Uusitalo wirkte stimmlich nicht so frisch wie Loge oder gar Alberich, begann etwas schaumgebremst, ging erst gegen Schluss mehr aus sich heraus. So richtig füllig wurden das abendlich strahlende Sonnenauge und die prangende Burg aber nicht besungen. Bechtolf lässt den „gealterten Wotan“ übrigens noch schnell in einen Apfel beißen, bevor er mit Loge zum Rheingold-Raub aufbricht. Eine sehr illustrative Szene, die an Werbung für Zahnpaste und Steirisch Äpfel erinnernd wieder auf Bechtolfs leicht trivialisierenden Humor verweist. Die Pluspunkte der weiteren Besetzung waren sicher Herwig Pecoraro als Mime und die beiden Riesen (Sorin Coliban und Ain Anger). Allerdings, bei den Riesen könnte es noch profunder sein. Irgendwie klangen die Stimmen doch zu schlank, zu wenig dröhnend in ihrem riesenhaften tollpatschigen Dahinstolpern (was mit den Plateauschuhen gar nicht so einfach ist, wie der Riesensturz beim Schlussvorhang bewies). Dafür sangen beide recht schön und es klang mehr herzerwärmend als grimmig, wenn die Riesenliebe erwachte. Kostümiert mit vielen schwarzen „Bimsstein-Schwämmchen“ wirkten sie wie aus vulkanischem Gestein geschaffen, mit dunkelgemalten Gesichtern – ein guter Kontrast zu den in Weiß gekleideten Göttern. Janina Baechle war keine geifernde Fricka, die ganze Erda-Geschichte liegt ja noch vor ihr. Trotzdem mag es ein bisschen an Kontrasten gefehlt haben. Markus Eiche lieh dem Donner seinen schönen Bariton. Möge er nur nicht zu viel Wagner singen. Froh (Gergely Németi) entsprach. Warum er eine wassergefüllte Glaskugel mit sich trägt? Ricarda Merbeth sang eine jugendlich-naive Freia. Sie war zwar blassgeschminkt, aber recht figurbetonend aufgemacht. Das mögen Riesen gerne. Bleiben noch die vergleichsweise luxuriös besetzten Rheintöchter (Ileana Tonca, Michaela Selinger, Elisabeth Kulman), die sehr gut sangen und sich im zwielichtigen Grün des Rheinwassers mit langen Stoffbahnen und großen Tüchern behalfen, um viel Gewoge und Gewelle zu erzeugen. Bechtolf ist es auch hier gelungen, die Tücken der Szene recht gut zu umschiffen – und der große, wie eine Bergkristalldruse aufgemachte Rheingoldbatzen zog dann ohnehin alle Blicke auf sich. Alberich bestieg ihn mit zunehmender Erregung, seine Liebesgluten am kalten Metallhauch des Goldes kühlend. Die Erda von Anna Larsson warnte eindringlich, aber nicht immer klangschön. Hier gibt es wohl noch Verbesserungsbedarf. Franz Welser-Möst entdeckte im „Rheingold“ weniger die Naturmystik, als den Impressionismus. Das führte zu einem für meinen Geschmack zu schnell und zu seichtgründig abgehandelten Vorspiel. Gewärtig, dass hier ein vielstündiges Musikdrama seine Wurzeln hat und wie eine Welt aus dem Nichts entsteht, sollte dieser Kreationsprozess durch entsprechendes Gewicht und Tiefgang verdeutlicht werden. So wirkte es mehr wie ein munteres, unbedeutendes Flüsschen, und betrieb, gewissermaßen, impressionistische Nabelschau. Der etwas leichtfüßigere Zugang bewährte sich freilich beim Konversationston, der über viele Strecken das Werk beherrscht. Das Finale aber, das wuchtete sich herrlich auf und da stimmte die Mischung plötzlich: paarte sich die federnde, luftige, transparente Leichtigkeit der Regenbogenbrücke mit Walhalls erhabenem Gletscherblick. In diesen Sekunden des „Rheingold“-Finales erreichte dieser von der „Walküre“ her aufgezäumte neue Wiener „Ring“ seinen musikalischen Höhepunkt. Das Publikum empfand es wohl genauso, den gleich nach dem Verklingen der letzten Takte gab es viele begeisterte Bravorufe, die die hochgespannte Erregung dieses Finales noch in sich trugen. Noch einige Anmerkungen zur Szene (Rolf Glittenberg): gute, stimmungsvolle Beleuchtungseffekte, zum Schluss machten Regenbogenfarben über die Bühnenbreite im Hintergrund projiziert einen sehr guten Effekt. Die freie Gegend auf Bergeshöhen war wenig imposant, mit ein paar herumlümmelnden Felsbrocken bestückt. Die Verwandlung in den Riesenwurm wurde mittels Videoeinspielung gelöst – die Kröte wurde auf dem tarnhelmumwogten Kopf Alberichs platziert, der zur Musik passend pointiert im Froschgang herumhüpfte. Von Walhall in der Ferne war natürlich keine Spur zu sehen. Die Götter verschwanden am Schluss hinter einer halbtransparenten Wand (eben der mit den Regenbogenfarben); eine annehmbare, aber keine sehr aufregende Lösung. Der Schlussapplaus dauerte rund 20 Minuten. Er feierte vor allem Adrian Eröd, Tomasz Konieczny und Franz Welser-Möst. Die Buhrufe für die Regie wurden bereits erwähnt und analysiert. |