DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
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Staatsoper
19.5.2024

Dirigent: Philippe Jordan

Hans Sachs - Georg Zeppenfeld
Sixtus Beckmesser - Martin Gantner
Veit Pogner - Günther Groissböck
Fritz Kothner
- Martin Häßler
Kunz Vogelsang -
Jörg Schneider
Konrad Nachtigall -
Jack Lee
Balthasar Zorn -
Lukas Schmidt
Ulrich Eißlinger -
Thomas Ebenstein
Augustin Moser - Agustin Gomez
Hermann Ortel - Nikita Ivasechko
Hans Schwarz - Simonas Strazdas
Hans Foltz -
Stephano Park
Walther von Stolzing - David Butt Philip
David - Michael Laurenz
Eva - Hanna-Elisabeth Müller
Magdalene - Christina Bock
Nachtwächter - Peter Kellner

Der Kobold (stumme Rolle) - Josef Borbely


Meistersinger am Pfingstsonntag

(Dominik Troger)

An der Staatsoper haben die „Meistersinger“ nach knapp eineinhalb Jahren wieder in den Spielplan zurückgefunden. Die Neuproduktion vom Dezember 2022 erlebte an diesem Pfingstsonntag erst ihre sechste Aufführung.

Mit Georg Zeppenfeld präsentiert sich dem Wiener Publikum ein neuer Sachs. Zeppenfeld, in der Premierenserie noch als Pogner aufgeboten, hat die Partie schon seit einigen Jahren im Repertoire. Sein angenehm timbrierter Bass verlieh der Figur eine kontrollierte Noblesse, die sich kaum zu heftigeren Gefühsläußerungen hinreißen ließ. Kantabel und zurückhaltend agierte sein Sachs, grobem Poltern und großem Pathos abhold. Er schien über den Dingen zu stehen, eingesponnen in eine Melancholie, die ihn gleichsam auch seines Standes enthob.

Dieses Rollenverständnis ging mit der Inszenierung von Keith Warner Hand in Hand, die die Handlung stark aus der Innensicht von Hans Sachs erzählt, der um seine verstorbene Frau trauert und den das „Leid der Welt” quält: Sachs scheint als Witwer in einer depressiven Phase gefangen wie ein paar Jahrzehnte später der Pfitznersche Palestrina. Dergleichen berührt, gräbt aber der Komödie das Wasser ab – wenn Sachs nicht dagegenhält, wenn er seine poetischen Weltzweifel nicht ein wenig mit dem Schusterhammer ausklopft. Weil das aber nur ansatzweise der Fall war, potenzierte sich im Gesamteindruck Warners Sicht der Dinge mit Zeppenfelds gesangsökonomischer Heransgehenweise zu einer „Ausblassung” des Bühnencharakters, die der Figur des Sachs zuviel an Bühnenpräsenz kostete.

Die psychologischen Ecken und Kanten der Figurenkonstellation milderten sich dadurch ab, und wenn zudem die Regie so manche Pointe „verschluckt“, erinnert man sich wieder daran, wie ursprünglich-spielfreudig die alte Inszenierung von Otto Schenk gewesen ist – und wie theaterpraktisch durchdacht, freilich auf eine andere Art, die Volksopernproduktion von Christine Mielitz: Bei der Prügelszene am Ende des zweiten Aufzugs hat die Volksoper „vibriert“, in der neuen Staatsopernproduktion regt sich dagegen kaum ein „Lüftchen“.

Eigentlich hat erst Martin Gantner (eingesprungen für Wolfgang Koch) auf der Festwiese mit Beckmessers Preislied dem Publikum amüsantes Lachen entlockt. Zwar hätte Gantners Bariton noch eine Spur mehr Selbstironie und Charakterschärfe vertragen, um die Beziehungsdynamik zwischen ihm und Sachs zu mehren, aber Sachs Boshaftigkeit war ohnehin zu sehr in elegante „Watte“ gepackt, als dass es richtig hätte „zünden“ können. Der Stadtschreiber mit seiner bürokratischen Regelauslegung ist zwar die offensichtliche Zielscheibe von Richard Wagners Spott, aber auch hier greift Keith Warners Regie etwas zaghaft zu. (Dass es dafür Gründe gibt, sei erwähnt, in der aktuellen Publikumszeitschrift der Staatsoper Opernring-Magazin Nr. 35 / Mai 2024 kann man sich im historischen Rückblick eingehender über mögliche Schattenseiten der Meistersinger informieren.)

Den Walther von David Butt Philip hatte ich von der Premiere überzeugender in Erinnerung, allerdings war er in den letzten Wochen als neuer Wiener „Lohengrin“ schwer im Einsatz gewesen. Sein Tenor schaffte es an diesem Abend nicht, sich zu beflügeln, eine leicht baritonale Grundierung abzustreifen, um sich (nicht nur beim Preislied) mit sieghafter Strahlkraft zu präsentieren. Der Sänger bemühte sich zwar darum, forcierte mit etwas abgedunkelter, zu gepresst klingender Stimme. Sein sympathisches Spiel und seine gute Statur halfen dann nur punktuell weiter.

Die Eva der Hanna-Elisabeth Müller war mir eine Spur zu lyrisch, aber vom Typ gut getroffen, ihre Stimme besitzt auch das passende, sich in Unschuld kleidende Timbre. Die Magdalene der Christina Bock wird in der Beziehung mit David wahrscheinlich die reifere Persönlichkeit sein. Günther Groissböck spielte den Pogner mit Geschäftssinn und Humor, sein Bass ist in der letzten Zeit allerdings zunehmend körniger geworden. Michael Laurenz hatte mir für den David bei erfrischendem Spiel schon zu viel Metall in der Stimme, was dem „Blumenstrauß“ der Meistersinger-Liedweisen im ersten Aufzug an Farbenreichtum kostete. Martin Häßler backte als Bäcker Kothner bekömmliche Brötchen. Weiters haben all die Meister samt dem einsatzfreudigen Chor – und ein an diesen Abend stimmlich etwas „unausgeschlafen“ wirkender Nachtwächter – der Aufführung zum Gelingen verholfen.

Das Orchester unter Philipp Jordan sorgte wieder für einen leicht dunklen, mehr singstimmen-deckenden Klang. Der erste und der zweite Aufzug entwickelten sich etwas flau, im dritten Aufzug verdichtete sich die Aufführung und die Folgevorstellungen werden dort hoffentlich anknüpfen. Ein orchestraler „Klang(t)raum“ wie ihn Christian Thielemann mit dem Staatsopernorchester beim „Lohengrin“ kreiert hat, war für diese Aufführung ohnehin nicht zu erwarten gewesen.

Der dankbare Schlussapplaus lag bei beachtlichen zwölf Minuten und es gab viele Bravorufe. Angesetzt sind insgesamt vier Vorstellungen (in der kommenden Saison sind keine gelistet). Details zur Inszenierung können bei der Premierenbesprechung vom 4. Dezember 2022 nachgelesen werden.