MEDEA
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Staatsoper
30.11.2010

Musikalische Leitung: Michael Boder

Medea - Claudia Barainsky
Kreusa - Stephanie Houtzeel
Gora - Elisabeth Kulman
Kreon - Michael Roider
Jason - Adrian Eröd
Herold - Tim Severloh


„Packendes Musiktheater

(Dominik Troger)

Aribert Reimanns „Medea“ – im Frühjahr an der Staatsoper uraufgeführt – ist für drei Vorstellungen ins Repertoire zurückgekehrt. Prädikat: Sehens- und hörenswert.

Es gab einige Umbesetzungen, teils wegen Erkrankungen. Am auffälligsten war das Staatsoperndebüt von Claudia Barainsky in der Titelpartie. Wie ein fragiles katzenartiges Raubtier fegte Barainsky über die Bühne, emotional überspannt, eine fürchterlich gedemütigte und eine fürchterliche Rache nehmende Frau – und doch im Finale mit der herzrührenden Abgeklärtheit einer geläuterten Seele, während Jason im Vordergrunde auf den Trümmern seiner Existenz verkümmert.

Barainsky hat bereits die deutsche Erstaufführung der „Medea“ in Frankfurt gesungen. Sie ist eine ausgewiesene Spezialistin für zeitgenössische Musik. Ihr Sopran ist klar fokussiert, akrobatisch flexibel und auch in technisch schwierigen Passagen exakt. Ihre „Medea“ war eine hochkonzentrierte, bis in feines Piano abgestimmte Darbietung, noch dazu von starkem körperlichem Einsatz getragen: eine physische und gesangliche „Tour de Force“. Mag sein, dass Marlies Petersen, die Medea der Uraufführung, die um Nuancen „klangvollere“ Stimme hat. Barainskys Sopran ist schlanker, asketischer in der Klangfarbe – in der klaren Artikulation der Töne aber „moderner“.

Adrian Eröd bot den Jason gesanglich sehr differenziert in der berechnenden Herabwürdigung Medeas und im Bittstellen vor Kreon. Ein Mann ohne Ehrgefühl, perfid und doch von einer inneren Verzweiflung angenagt, einer Verzweiflung, gegen die ihm Medea einmal willkommenes Gegenmittel war. Die ganze Kunst von Eröds Charakterzeichnung zeigte sich im Finale, im buchstäblichen Zerbrechen von Jasons Lebenszielen, die sich auflösen, zerbröseln, in der öden Leere dieser steinigen Bühnenlandschaft verwehen.

Elisabeth Kulman sollte mehr zu singen haben, der Gora hat Reimann leider nicht so viele Noten spendiert. Ihr Mezzo tönte voll jungendlicher Spannkraft, überhaucht von einem Goldglanz, der wie eine Erinnerung an die starken Frauen aus dem Kolchisland erschien. Die Auseinandersetzung mit Medea bald nach dem Beginn zählte wieder zu einem der packenden Höhepunkte des Abends.

Mit Stephanie Houtzeel stellte sich eine neue Kreusa dem Wiener Publikum vor: eine schöne, volltönende Stimme, mit jenem tänzerischen Zug ins mädchenhaft Naive, den diese Partie erfordert. Kreon, Michael Roider, klang stimmlich erfrischt, sehr gut im Schwanken zwischen königlicher Autorität und zunehmender Verunsicherung. Tim Severloh sang den Herold. Bei ihm wird diese Rolle irdischer gezeichnet, pointierter, nicht so strahlend und ausgewogen im Gesang wie beim Sänger der Uraufführung Max Emanuel Cencic.

Das Orchester unter Michael Boder versah die hochkonzentrierte Umsetzung dieser komplexen Partitur wieder mit einer klanglichen Politur, die wie das Sonnenlicht über die öden Hochflächen einer Lavalandschaft flirrte. Man könnte das alles womöglich viel „brutaler“ spielen, würde dadurch aber diesen Mythos seiner grausamen Schönheit entkleiden, die so viel von den Hoffnungen und Sehnsüchten der Menschen, aber auch von deren Scheitern erzählt.

Der Schlussapplaus währte nur knappe fünf Minuten – und auch die Bravorufe hätten dichter ausfallen können. Der Stehplatz war allerdings schwach besucht. Der Uraufführungs-„Hype“ ist offenbar verflogen. Nach der Pause ließen sich da und dort deutliche Lücken in den Sitzreihen erspähen.

Bericht von der Uraufführung am 28. Februar 2010.