LE VILLI
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Wiener Staatsoper
Premiere
23.10.2005

Dirigentin: Simone Young
Inszenierung: Karoline Gruber
Ausstattung: Johan Engels
Licht: Patrick Woodroffe

Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Guglielmo Wulf - Franz Grundheber
Anna - Krassimira Stoyanova

Roberto - José Cura


Raritäten, Raritäten...
2. Teil
(Dominik Troger)

Die erste Staatsopern Premiere der Saison 2005/06 galt zwei Werken, die ein Raritäten-Dasein auf Opernbühnen fristen: Janáceks „Osud“ und Puccinis „Le villi“.

Puccinis „Le villi“ ist ein Frühwerk – Puccinis erste Oper – und das merkt man. Ihre Daseinsberechtigung kann sie wohl nur aus einer einigermaßen glanzvollen Besetzung herleiten, wenn die passt, passt alles. Ob man dafür überhaupt eine „Inszenierung“ braucht?

Immerhin drängt sich die Frage auf, was „Le villi“ vom formalen Standpunkt eigentlich darstellt: eine Oper, ein Melodrama, ein weltliches Oratorium, eine „Tanzoper“? Die Zuordnung ist nicht einfach, das Libretto folgt dem Schema einer Nummernoper, die Hereinnahme eines Erzählers, der in einem Intermezzo erläutert, wie Roberto, Annas Verlobter, im fernen Mainz verführt wird, wie Anna, die Betrogene, aus Gram stirbt, deutet überhaupt auf ungelöste dramaturgische Probleme. Die Wilis, Geister sitzengelassener und aus Liebeskummer gestorbener Mädchen, die Rache nehmen und Roberto zu Tode tanzen, haben einen starken Ballettbezug. Mit dem klassischen Opernbegriff kommt man da nicht weit – und das macht eine szenische Umsetzung doppelt so schwer.

Aber wie soll man das anpacken? Regisseurin Karoline Gruber stellte sich die verfängliche Frage: „Was interessiert uns heute an dieser Geschichte?“ Und es wäre vielleicht ehrlicher gewesen, auf diese Frage lapidar zu antworten: „Eigentlich gar nichts!“ Denn das käme der Wahrheit doch ziemlich nahe. (Zumindest was meine Wenigkeit betrifft, ich wäre mit einer konzertanten Aufführung des Werkes vollauf zufrieden gewesen.) Die Regisseurin hat das natürlich anders gesehen (im Programmheft ist dankenswerter Weise ein Interview abgedruckt): „Anna erlebt einen Prozess der Initiation als gesellschaftlich korrekte Hausfrau. Der entsprechende Handlungsraum ist die Küche.“ Das klingt zwar ziemlich (ideo-)logisch, aber könnte man als Mann das Gegenteil beweisen?!

Immerhin war dieser „Handlungsraum“ poppig bunt: orange Waschmaschine, blauer Kühlschrank. Ich vertrieb mir also anfänglich die Zeit damit, abzuzählen, wieviele Dosen Bier sich José Cura aus dem Kühlschrank holt. Der Kühlschrank war mit Bierdosen gerammelt voll. Zwar lenkte mich Krassimira Stoyanovas hingebungsvoller Sopran hin und wieder etwas ab, aber die zeremonielle Art, mit der die Dorfgemeinschaft diese Verlobung feierte, die adretten Mädchen vor sich hinbügelten, die Waschmaschine befüllten oder Anna den Tisch deckte, erstickte jegliche emotionale Anteilnahme schon im Ansatz. Zur Abreise segnete Guglielmo die Anwesenden (da glaubt man plötzlich, Puccini habe eine Messe komponiert). Damit geht der erste Akt, die Verlobungsfeier im Kreis trauter Dorfgemeinschaft, zu Ende.

Die Regie hat dann offenbar versucht, den Erzähler durch Bühnengeschehen zu ersetzen, aber was da in Mainz passiert ist, es war nicht erkenntlich. Die Bühne wird immerhin schwarzgrau und aus dem Eisschrank rieselt schwarzer Nahrungsmittelmüll, praktisch vorkompostiert, das Bier ist verschwunden. Guglielmo, Annas Vater (luxuriös besetzt mit Franz Grundheber) trauert am Beginn des 2. Aktes um seine Tochter, ist zornig auf Roberto. Der taucht dann wieder auf, liefert seine Tenorarie ab (Cura in guter Form), wankt auf der Bühne umher. Schließlich wird er von der Dorfgemeinschaft... ja, was wird er denn? Er wird in so ein grelles Trachtenjankerl gesteckt mit dem die Dörfler schon zu Beginn gekleidet waren. Was das bedeuten soll, darüber darf man rätseln. Puccinis feuriger Schluss, der Todestanz der Vilis (der ist musiklisch das Beste an der ganzen „Oper“, von Simone Young toll aufgepeitscht), findet auf der Bühne überhaupt nicht statt.

Das Publikum bedachte das Regieteam mit vielen Buhrufen, Sänger und Dirigentin wurden gefeiert. Die Chancen für „Le villi“ im Repertoire werden vom jeweiligen Tenor abhängen, der sich die Ehre gibt.