OSUD
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Wiener Staatsoper Dirigentin: Simone Young
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Zivny
- Jorma Silvasti |
„Raritäten,
Raritäten... 1.
Teil“ Die erste Staatsopern Premiere der Saison 2005/06 galt zwei Werken, die ein Raritäten-Dasein auf Opernbühnen fristen: Janáceks „Osud“ und Puccinis „Le villi“.
„Vergessenheit war ihr bestimmt, meiner Oper! Das bekennt Komponist Zivny am Beginn des zweiten Aktes, der rund fünfviertel Stunden dauernden Oper „Osud“ oder „Schicksal“ von Leoš Janácek. Über das Werk ist damit schon sehr viel ausgesagt. Es handelt sich um eine Mischung aus Künstlerdrama und unglücklicher Liebesgeschichte. Janácek hat viel an persönlicher Erfahrung in das Werk einfließen lassen. Insgesamt umfassen die drei Akte dieser „Kurzoper“ einen Zeitraum von fünfzehn Jahren. Zivny trifft in einem Kurort seine ehemalige Geliebte Mila, die ein Kind von ihm hat. Die beiden beschließen, gegen den Willen von Milas Mutter, zusammenzuziehen. Im zweiten Akt, vier Jahre später, leben sie zusammen. Mila pflegt ihre geistig verwirrte Mutter. Als sich die Mutter nach einer Auseinandersetzung mit Zivny vom Balkon stürzt, reißt sie Mila mit in die Tiefe. Dritter Akt, elf Jahre später. Im Konservatorium wird die Oper geprobt, an der Zviny all die Jahre komponiert hat. Zivny erläutert das Werk und wird von seinen Erinnerungen immer mehr gefangen genommen. Er stürzt ohnmächtig zu Boden. Die drei kurzen Akte kurven über eine emotionale Hochschaubahn von Liebes(un)glück. Zuerst reißt einen die Musik mit, die schwungvolle Kurpark-Stimmung erzeugt. Später fordern selbstreflexive Passagen viel an Geduld. Der tragische Konflikt zwischen dem Komponisten, Mila und ihrer Mutter ist nicht sehr detailliert herausgearbeitet, es werden keine Entwicklungen, sondern nur drei Lebensstationen dargestellt. Eine gewisse ironisierende Pointe liegt in der – mit diesen Lebensstationen – fortschreitenden Komposition von Zivnys Oper, obwohl man nicht das Gefühl hat, dass Janácek seine Selbstironie in diesem Werk überbeansprucht. Ich hatte eher den Eindruck, Janácek (und mit ihm Zivny) sind in Sachen dieser Liebesgeschichte mehr auf beschönigendem Selbstbetrug aus. Was da wirklich gelaufen ist, zwischen ihm, Mila und ihrer Mutter, man erfährt es nicht. Die Inszenierung hat beim Verschleiern der wahren Beweggründe eifrig mitgeholfen. David Poutney gab sich diesmal sehr konventionell. Man baute eine Drehbühne, schneiderte schöne Kostüme aus dem frühen 20.Jahrhundert, stellte ein Klavier in die Mitte, erzeugte wenig emotionale Spannung. Das „Schicksal“ wird als solches hingenommen – nach Beweggründen wird nicht gefragt. Die musikalisch Umsetzung war teilweise exzellent, Simone Young folgte den Janácekschen Rhythmen und seiner selbstquälerischen Liebessehnsucht mit empfindungsfähiger Analytik. Janácek hat in diesem Werk die Folklore fast gänzlich draußen vor der Partitur gelassen, gespielt wird – mit Ausnahme der mitreißenden Kurpark-Musik – gepflegtes Sentiment. Die Partie des Komponisten erfordert hohen tenoralen Arbeitseinsatz, den Jorma Silvasti zu leisten im Stande war, die Mila lag bei Cornelia Salje in guten Händen. Anja Sila durfte im zweiten Akt als verwirrte Mutter herumgeistern. Die entscheidende Szene mit dem Balkon war aber nur sehr angedeutet umgesetzt worden. Der Besetzungszettel notiert 24 solistisch Mitwirkende, eine in Anbetracht des Inhalts und der nicht sehr aufregenden Wirkung geradezu inflationäre Anzahl. Es gab keine Missfallenskundgebungen, das Produktionsteam ebenso wie SängerInnen und Dirigentin wurden einhellig beklatscht. Ob sich „Osud“ im Repertoire wird behaupten können? Ich glaube nicht. |