DON GIOVANNI
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Theater an der Wien
1.8.2009
Wiederaufnahme einer Produktion aus dem Jahre 2006

Dirigent: Riccardo Frizza

Don Giovanni - Erwin Schrott
Komtur - Attila Jun
Donna Anna - Aleksandra Kurzak
Don Ottavio - Bernard Richter
Donna Elvira - Véronique Gens
Leporello - Hanno Müller-Brachmann
Zerlina - Nina Bernsteiner
Masetto - Markus Butter


„Heiße Sommernächte
im Hotel Universale“

(Dominik Troger)

Im Theater an der Wien treibt Don Giovanni wieder als Hoteldirektor sein Unwesen. Die Wiederaufnahme einer Produktion aus dem Jahre 2006 kam auch bei stark veränderter Besetzung wieder sehr gut beim Publikum an.

Das Wichtigste an dieser Besprechung des gestrigen Abends ist wohl der Link auf die Premiere dieser Produktion vor ziemlich genau drei Jahren. Denn trotz anderer Sängernamen hat sich am Gesamteindruck wenig geändert. Deshalb folge – wer die Produktion nicht kennt – zuerst diesem LINK.

Dass der musikalische Gesamteindruck diesmal aber weniger kompakt ausfiel, hat wohl vor allem damit zu tun, dass Riccardo Frizza erst einige Tage vor der Wiederaufnahme als Dirigent einspringen musste. Mehr als solides kapellmeisterliches Walten war da anscheinend nicht mehr zu erreichen. So wurde der Abend brav heruntergespielt, durchaus schwungvoll und „sommergerecht“, aber ohne viel Gespür für die Pointen und Abgründe.

Auffallend waren die viel zu oft zerbröckelnden Rezitative, mit manch langer Kunstpause – wobei nicht recht klar war, ob hier die Sängerinnen und Sänger eine Pointe suchten, die Regie dem ganzen eine sehr theatergerechte Dialogführung angedeihen lassen wollte oder ganz einfach Unpässlichkeiten zu Tage traten. Meist geht das viel quirliger von der Zunge – und trifft dann wohl auch besser die Schlagfertigkeit der da Ponte’schen Dialoge.

Die Besetzung war bis auf zwei Positionen neu: nur Hanno Müller-Brachmann als Leporello und Markus Butter, Masetto, hatten den Sprung vom Jahr 2006 ins Jahr 2009 mitgemacht. Bei beiden spürte man noch deutlich in der darstellerischen Interpretation das kreative Flair dieser Produktion – und beide boten gute gesangliche Leistungen.

Das Hauptaugenmerk richtete sich natürlich auf Erwin Schrott, der als Don Giovanni das „Hotel Universale“ unter seinen Fittichen hatte. Schrott verkörperte einen als brutalen Macho charakterisierten Frauenhelden und Zyniker, der stimmkräftig aufprunken kann, der aber doch nicht über eine so reiche stimmliche Farbenpalette verfügt, dass er die Zerlinas und Donna Elviras dieser Welt schon allein durch die Vibrationen seines Timbres in Verführungslaune versetzen könnte. Am deutlichsten zeigte sich das bei der Canzonetta im zweiten Akt, die er für meinen Geschmack zu geradlinig und trocken präsentierte. Schrotts Don Giovanni ist eben aus härterem Holz geschnitzt – und sein durchtrainierter Oberkörper ist auch nicht ohne. Mag sein, dass seine Deutung dem heutigen Verständnis für die Rolle näher kommt.

Aleksandra Kurzak war mir als Donna Anna zu forciert unterwegs. Das brachte zwar ihre Rachegelüste sehr gut auf den Punkt, dämmte ihre sensiblen Seiten aber zu stark ein: diese Donna Anna schmeckte zu sehr nach „Eiserner Jungfrau“. Technisch zeigte sie sich im „Non mi dir“ sehr solide, doch diese Rolle scheint insgesamt noch nicht ihre Partie zu sein.

Ihr männliches Pendant, Bernard Richter als Don Ottavio, verfügte über eine schöne, helle Tenorstimme, der aber die Geschliffenheit für kunstvollen Mozartgesang noch ein wenig abging. In der hier gespielten „Wiener Fassung“ konnte er sich allerdings nur mit dem „Dalla sua pace“ beweisen. Er sang es mit einer gewissen Anspannung und im Tonfall ziemlich gleichförmig. Auf ein kunst- und gefühlvoll eingesetztes Piano verzichtete er weitgehend.

Véronique Gens gab die in dieser Inszenierung mehr als „Schreckschraube“ charakterisierte Donna Elvira. Sie schien sich selbstlos in die Rolle zu stürzen und spielte erst beim „Mi tradi quell‘allma ingrata“ ihr sängerisches Potential richtig aus. Aber auch bei ihr dominierte eine gewisse Härte und Stringenz im Timbre, eine Art des Singens, die nicht unbedingt nach der raffiniert zur Schau gestellten Emotion sucht. Man mag das als Vorteil sehen, könnte es aber auch als Mangel empfinden. Die Subtilität von Mozarts Charakterzeichnungen geht dabei wohl eher verloren.

Nina Bernsteiner erfüllte die Anforderungen an eine sehr selbstbewusste Zerlina – der Liebreiz dieser Rolle ist in dieser Inszenierung nicht gefragt. Insofern passte es auch von der Stimme, die nicht so rund und unschuldig erklang wie ein „Lämmchen“.

Der Kommendatore von Attila Jun schien mir an diesem Abend nicht in Bestform zu agieren.

Das Publikum war sehr begeistert. An der Staatsoper wäre man dieser Aufführung sicher mit größerer Skepsis begegnet.