DON GIOVANNI
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Theater an der Wien
9.8.2006

Dirigent: Bertrand de Billy

Inszenierung: Keith Warner
Ausstattung: Es Devlin

Licht: Wolfgang Göbel

RSO Wien, Arnold Schönberg Chor
Neuproduktion des Theaters an der Wien im Rahmen des Festivals KlangBogen Wien 2006, Koproduktion mit der Königlichen Oper Kopenhagen

Don Giovanni - Gerald Finley
Komtur - Attila Jun
Donna Anna - Myrtò Papatanasiu
Don Ottavio - Mathias Zachariassen
Donna Elvira - Heidi Brunner

Leporello - Hanno Müller-Brachmann
Zerlina - Adriane Queiroz
Masetto - Markus Butter


Willkommen im Hotel Universale...
(Dominik Troger)

„Don Giovanni“ im Theater an der Wien: Witzig, bissig und am Schluss bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Wer die Produktion noch nicht gesehen hat, drei Vorstellungen gibt es noch bis 18. August.

Willkommen im „Hotel Universale“! Don Giovanni ist zum Hoteldirektor mutiert und das ist ein ideales Umfeld für seinen umtriebigen Charakter. An weiblichen Anziehungspunkten ist kein Mangel – und sollte sich auf der Gästeliste einer einstellen, bleibt immer noch der Zugriff auf das eigene Personal. Das sind paradiesische Zustände für diesen unermüdlichen Verführer, zumal Leporello als Portier mit ihm unter einer Decke steckt. Und Don Giovannis Höllenfahrt, eine überraschend gut gelungene Synthese aus plausiblem Realismus und blutigem Horrorschocker (Donna Elvira greift zum Messer, der Komtur saust durch den Bühnenboden etc.) – führt zu einem imposanten Schluss. Keith Warner erzählt mit der narrativen Geläufigkeit des englischen Sprachraums seine Don Giovanni-Version und zeigt dabei viel Köpfchen und Einfühlungsvermögen. Inspiriert von da Pontes Pointen und Mozarts Musik sorgt er für ein brillantes Ideenfeuerwerk und verpasst obendrein den Mitwirkenden einen durchgeformten Bühnencharakter.

Das Ensemble fügte sich bestens in die Vorgaben – und das RSO Wien unter Bertrand de Billy ließ auch nichts anbrennen. Zugegeben, es ist kein „Don Giovanni“ der strömenden Melodie, eines hinreißenden Wiener Mozartsklangs, einer verführerischen Gesangeskultur getragen von subtiler Verfeinerung, aber der Gesamteindruck ist von überzeugender Schlagkraft. (Und ob de BiIly immer das historisch richtige Mozart-Tempo gewählt hat, wer weiß das schon außer Nikolaus Harnoncourt? Wenn ich allerdings genötigt wäre, einen Vergleich mit dem unlängst über die TV-Kisten geflimmerten Salzburger „Figaro“ zu ziehen …)
Gespielt wird die Wiener Fassung: nur eine Tenorarie, aber mit jenem Duett Zerlina-Leporello im zweiten Akt, das so gut wie nie zu hören ist. Ob sich durch dieses Duett die etwas unscharfe dramatische Situation des zweiten Aktes deutlich verbessert, bleibe dahingestellt. Den Beschluss macht die Höllenfahrt – wie noch bis ins frühe 20.Jahrhundert allgemein üblich.

Musikalisch zog Bertrand de Billy die Fäden – und wo andere Dirigenten über dem Detail die dramatische Linie verlieren, folgte er mit sicherem Instinkt den vorgegebenen Bühnenpfaden und ließ auch den SängerInnen genügend Spielraum. Gerald Finley gab einen draufgängerischen, schnörkellos-modernen Hoteldir... ähh... Don Giovanni. Die Stimme ist nicht überreich an Farben und an die ganz großen Rollenvorbilder, die so etwas wie eine „natürliche, animalische Verführungsgabe“ zu besitzen scheinen, reicht er wohl nicht heran. Finley ist in Gesang und Spiel stark am „Endzweck“ orientiert und optimiert seine Gesangseinlagen ebenso wie seine Erfolgschancen bei Frauenherzen. Es liegt bei ihm etwas Kühles, Geschäftsmäßiges in Timbre und Spiel – und insofern wirkt er sehr modern, unromantisch, unaristokratisch, was seiner starken Bühnenpräsenz aber keinen Abbruch tut.

Ähnliches gilt für Hanno Müller-Brachmann, dessen Leporello, verstärkt durch die gute Personenführung, viel an Sympathien gewinnt. Allein die szenische Auflösung der Registerarie sicherte ihm die Lacher des Publikums (und entlarvte die ermüdende Ideenlosigkeit vieler Inszenierungen). Als Don Ottavio musste Mathias Zachariassen die Geläufigkeit durchwachsenen Mozartgesanges mit zuviel Energieeinsatz erkämpfen, was mir als Zuhörer nicht sehr behagte. Donna Anna (Myrtò Papatanasiu) verschaffte mir bei den Arien einen ähnlichen Eindruck: hier wird eine Spur zu viel forciert, vor allem in der Höhe. Mitreißend die Szene gleich zu Beginn, das Rasen in Hass und Liebe, der Moment, in dem sie Don Giovanni eine Waffe zukommen lässt – der entscheidende Augenblick, mit dem Warner ihr schwer durchschaubares Verhältnis zum „unsterblichen Verführer“ dechiffriert.

Donna Elvira (Heide Brunner) ist in dieser Inszenierung eine streitbare Frau – und sie sorgte mit durchsetzungsfähiger Stimme für das nachhaltige Vorbringen ihrer Anliegen. Von den Damen gefiel sie mir am besten; souverän im Ausdruck das „Mi tradi quell’alma ingrata“: schwerblütig in der Farbgebung und doch rassig, eine gelungene Mischung aus ehrbarem Stolz und tiefer Verletzbarkeit. Das „dralle“ Stubenmädchen von Adriane Queiroz mimte sicher nicht die „Unschuld vom Lande“ – ihr Timbre hat nicht diese naive Klarheit junger Sopranistinnen, die als lockende Beute das Don Giovanni-Raubtier herbeiflöten müssen. Über den Komtur (Attila Jun) gab es keinen Grund zu klangen; Masetto, (Markus Butter) machte seine Sache ebenfalls gut.

Am Schluss spendete das Publikum starken Applaus für alle Beteiligten. (Premiere war im Juli, diese Besprechung bezieht sich auf die sechste Vorstellung.)