CAVALLERIA RUSTICANA / PAGLIACCI
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Leoncavallo-Portal Mascagni-Portal

Staatsoper
19.1.25

Dirigent: Nicola Luisotti

Cavalleria rusticana
Santuzza - Elina Garanca
Turiddu - Jonathan Tetelman
Lucia - Elena Zaremba
Alfio - Adam Plachetka
Lola - Anita Monserrat

Pagliacci
Canio (Bajazzo) - Jonas Kaufmann
Nedda (Colombina) - Maria Agresta
Tonio (Taddeo) - Adam Plachetka
Beppo (Harlekin) - Jörg Schneider
Silvio - Stefan Astakhov
Erster Bauer - Jens Musger
Zweiter Bauer - Juraj Kuchar


„Gelungenes Hausdebüt“
(Dominik Troger)


Gut Ding braucht Weile: Das Staatsoperndebüt von Jonathan Tetelman ist jetzt doch noch über die Bühne gegangen – und dem Applaus nach zu schließen hat der Sänger das Wiener Publikum gleich im Sturm erobert.


Jonathan Tetelman hätte bereits im Juni 2023 als Turiddu sein Debüt an der Staatsoper geben sollen, geworden ist es schlussendlich der Jänner 2025. Zuerst wegen einer Erkältung, dann wegen Vaterfreuden, kam es erst in der dritten Vorstellung der Serie zum mit Spannung erwarteten Hausdebüt.

Sein Wiener Operndebüt hat der Sänger allerdings schon vor drei Jahren im Theater an der Wien gegeben, als Cavaradossi zwischen Schneehügeln und Scarpias Wohnwagen. Aber er hat sich von den seltsamen „Tosca“-Regieeinfällen eines Martin Kušej (damals noch Burgtheaterdirektor) nicht irremachen lassen, und das Traditionshaus an der Linken Wienzeile mit seinem Lirico-Spinto-Tenor geflutet. Der Eindruck von damals hat sich im Wesentlichen wiederholt: „(…) the power of my voice is clearly in the top register (…)“ wie es Tetelmann selbst in einem Interview für „Operaversum“ formuliert hat. *

Auch bei seinem Staatsopern-Debüt hat er das Publikum vor allem mit diesen Spitzentönen abgeholt, die das Haus mit einem kräftigen, warmen Squillo füllten, das von vibrierender mediterraner Erotik umschmeichelt wird. Die Mittellage verblasst dagegen etwas, bietet zudem nicht ganz die stilistische Eleganz, die man sich erhoffen würde, die aber in Summe für einen Turiddu auch zu wenig wäre. Schon bei besagter
„Tosca“ hat Tetelman bei mir den Eindruck erweckt, in jugendlichem Überschwang mit seiner Stimme ein wenig zu verschwenderisch umzugehen, aber das ist zugleich auch das Aufregende an diesem Tenor, dass hier nicht gespart wird, dass die Stimme in der Höhe aufglüht und ein  rotgoldenes Strahlen in den Raum entsendet.

Tetelman absolvierte die Kletterübung von Lolas Balkon ohne Probleme. Seine großgewachsene, im Aussehen einnehmende Erscheinung ist für seine Bühnenwirkung ein Vorteil, der nicht verschwiegen werden soll. Darstellerisch hat er die Unbekümmertheit Turiddus gut vermittelt. Eine gewisse „Theatralik“ war ihm dabei nicht abzusprechen, der Biss in Alfios Ohrmuschel wurde dekorativ ausgespielt, man konnte förmlich „fühlen“, wie er des Fuhrmanns „Ohrläppchen“ ausspuckt.

Elina Garanca bot wieder ein packendes Porträt Santuzzas, eine starke und doch so verzweifelte Frau, und mit Tetelman hatte sie einen Bühnenpartner, der ihr in der veristischen Emotionalität stimmlich gewachsen war. Das Zwiegespräch der beiden bot gleißende Gefühle, und was Garanca an Bühnenerfahrung diesem Turiddu voraus hatte, brachte den Gegensatz zwischer naiver Männlichkeit und weiblicher Leiderfahrung sehr gut heraus. Adam Plachetka gab wieder einen etwas grob und einfach gezeichneten Alfio. Der Applaus für Tetelman und Garanca bei den Solovorhängen war stark.

Der „Pagliacci“ ging in derselben Besetzung wie letzten Sonntag über die Bühne. Vor allem Maria Agresta war stimmlich an diesem Abend deutlich besser disponiert und bot ausgewogenere Spitzentöne. Der flatterhaften Jugendlichkeit des Bühnencharakters ist die Stimme aber eigentlich schon entwachsen. Jonas Kaufmann kommt der Canio beim aktuellen Stand seiner Karriere entgegen. Er kann aus dem jähzornigen Kerl viel an rollenspezifischem „Mehrwert“ herausholen und für ein gelunges Rollenporträt nützen.

Den für einen Bariton gedachten Prolog müsste er ja nicht singen. Diesbezüglich gab es nach der ersten Vorstellung durchaus unterschiedliche Meinungen, wobei eher die Skepsis überwog – oder wie es der Musikkritiker Walter Weidringer in der Printausgabe der Presse (14.1.2025) formuliert hat: Singt allerdings ein Tenor diese für ihn gar nicht so hoch liegenden Töne, wirken sie nicht halb so elektrisierend, selbst wenn sie aus der ausgeruht wirkenden Kehle eines Jonas Kaufmann strömen. Das Orchester unter Nicola Luisotti war wieder etwas „breit“ aufgestellt, verlieh dem „Bajazzo“ aber mehr Intensität als letzten Sonntag.

* https://www.operaversum.de/interviews/in-conversation-with-jonathan-tetelman-opera-is-a-gateway-to-the-human-soul/ [19.1.2025]