„Gelungenes Hausdebüt“
(Dominik Troger)
Gut Ding braucht Weile: Das Staatsoperndebüt von Jonathan Tetelman ist
jetzt doch noch über die Bühne gegangen – und dem Applaus nach zu
schließen hat der Sänger das Wiener Publikum gleich im Sturm erobert.
Jonathan Tetelman hätte
bereits im Juni 2023 als Turiddu sein Debüt an der Staatsoper geben
sollen, geworden ist es schlussendlich der Jänner 2025. Zuerst wegen
einer Erkältung, dann wegen Vaterfreuden, kam es erst in der dritten
Vorstellung der Serie zum mit Spannung erwarteten Hausdebüt.
Sein Wiener Operndebüt hat der Sänger allerdings schon vor drei Jahren
im Theater an der Wien gegeben, als Cavaradossi zwischen Schneehügeln
und Scarpias Wohnwagen. Aber er hat sich von den seltsamen
„Tosca“-Regieeinfällen eines Martin Kušej (damals noch
Burgtheaterdirektor) nicht irremachen lassen, und das Traditionshaus an
der Linken Wienzeile mit seinem Lirico-Spinto-Tenor geflutet. Der
Eindruck von damals hat sich im Wesentlichen wiederholt: „(…) the power of my voice is clearly in the top register (…)“ wie es Tetelmann selbst in einem Interview für „Operaversum“ formuliert hat. *
Auch bei seinem Staatsopern-Debüt hat er das Publikum vor allem mit
diesen Spitzentönen abgeholt, die das Haus mit einem kräftigen, warmen
Squillo füllten, das von vibrierender mediterraner Erotik umschmeichelt
wird. Die Mittellage verblasst dagegen etwas, bietet zudem nicht ganz
die stilistische Eleganz, die man sich erhoffen würde, die aber in
Summe für einen Turiddu auch zu wenig wäre. Schon bei besagter „Tosca“
hat Tetelman bei mir den Eindruck erweckt, in jugendlichem Überschwang
mit seiner Stimme ein wenig zu verschwenderisch umzugehen, aber das ist
zugleich auch das Aufregende an diesem Tenor, dass hier nicht gespart
wird, dass die Stimme in der Höhe aufglüht und ein rotgoldenes
Strahlen in den Raum entsendet.
Tetelman absolvierte die Kletterübung von Lolas Balkon ohne Probleme.
Seine großgewachsene, im Aussehen einnehmende Erscheinung ist für seine
Bühnenwirkung ein Vorteil, der nicht verschwiegen werden soll.
Darstellerisch hat er die Unbekümmertheit Turiddus gut vermittelt. Eine
gewisse „Theatralik“ war ihm dabei nicht abzusprechen, der Biss in
Alfios Ohrmuschel wurde dekorativ ausgespielt, man konnte förmlich
„fühlen“, wie er des Fuhrmanns „Ohrläppchen“ ausspuckt.
Elina Garanca bot wieder
ein packendes Porträt Santuzzas, eine starke und doch so verzweifelte
Frau, und mit Tetelman hatte sie einen Bühnenpartner, der ihr in der
veristischen Emotionalität stimmlich gewachsen war. Das Zwiegespräch
der beiden bot gleißende Gefühle, und was Garanca an Bühnenerfahrung
diesem Turiddu voraus hatte, brachte den Gegensatz zwischer naiver
Männlichkeit und weiblicher Leiderfahrung sehr gut heraus. Adam Plachetka
gab wieder einen etwas grob und einfach gezeichneten Alfio. Der Applaus
für Tetelman und Garanca bei den Solovorhängen war stark.
Der „Pagliacci“ ging in derselben Besetzung wie letzten Sonntag über die Bühne. Vor allem Maria Agresta
war stimmlich an diesem Abend deutlich besser disponiert und bot
ausgewogenere Spitzentöne. Der flatterhaften Jugendlichkeit des
Bühnencharakters ist die Stimme aber eigentlich schon entwachsen. Jonas Kaufmann kommt
der Canio beim aktuellen Stand seiner Karriere entgegen. Er kann aus
dem jähzornigen Kerl viel an rollenspezifischem „Mehrwert“ herausholen
und für ein gelunges Rollenporträt nützen.
Den
für einen Bariton gedachten Prolog müsste er ja nicht singen.
Diesbezüglich gab es nach der ersten Vorstellung durchaus
unterschiedliche Meinungen, wobei eher die Skepsis überwog – oder wie
es der Musikkritiker Walter Weidringer in der Printausgabe der „Presse“ (14.1.2025) formuliert hat: „Singt
allerdings ein Tenor diese für ihn gar nicht so hoch liegenden Töne,
wirken sie nicht halb so elektrisierend, selbst wenn sie aus der
ausgeruht wirkenden Kehle eines Jonas Kaufmann strömen.“ Das Orchester unter Nicola Luisotti war wieder etwas „breit“ aufgestellt, verlieh dem „Bajazzo“ aber mehr Intensität als letzten Sonntag.
* https://www.operaversum.de/interviews/in-conversation-with-jonathan-tetelman-opera-is-a-gateway-to-the-human-soul/ [19.1.2025]
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