CAVALLERIA RUSTICANA /
PAGLIACCI
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Staatsoper Dirigent: Nicola Luisotti |
Cavalleria
rusticana Pagliacci |
„Tödliche Leidenschaften“
(Dominik Troger) Die Feiertage sind vorüber, jetzt folgen die Wochen mit erhöhter Erkältungsvirengefahr. Naturgemäß wirbelt es dann die Besetzungslisten der Opernhäuser durcheinander. In diesem Fall musste Jonathan Tetelman sein mit Spannung erwartetes Staatsoperndebüt kurzfristig absagen, für ihn ist Luciano Ganci eingesprungen. Luciano Ganci hat sich schon in der Vergangenheit als Einspringer im Haus am Ring bewährt. Er vertrat Jonathan Tetelman als Turiddu in der „Cavalleria rusticana“ mit geradlinigem, eher hellem Tenor, kernig genug, um in diesem Drama um Liebe und Ehre eine ansprechende Figur abzugeben. Die Stimme wurde in der Höhe zwar etwas schmäler, kam aber übers Orchester und präsentierte sich insgesamt recht ausgewogen. Er erwies sich dabei zwar nicht als begnadeter Rollengestalter, hat Turiddu in seiner männlichen „Simplizität“ aber anschaulich genug repräsentiert. Treibende Kraft dieser Aufführung war ohnehin Elina Garanca, die eine starke Santuzza auf die Staatsopernbühne stellte: ein Frauenschicksal wie aus einer antiken Tragödie entlehnt. Sie hat bereits vor fünf Jahren die Partie im Haus am Ring gesungen, damals aber mit mehr Zurückhaltung, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Es scheint, als habe die Sängerin jetzt für sich die perfekte Abmischung gefunden – und ihre energiegeladene, mit bronzener Farbe leicht überhauchte, raumfüllende Stimme bietet ihr auch nahezu alle Möglichkeiten ganz in diese Tragödie einzutauchen (an Tiefe hat die Sängerin in ganz wenigen Passagen leicht gespart). Garancas Santuzza hatte einen archetypischen Zug, löste sich aus ihrem randständigen, sozialen Umfeld, tauchte ihren emotionalen Schmerz in geläutertes Selbstbewusstsein, entwickelte in der Rache eine fast elektrahafte Konsequenz. Die dörflichen Tratschgeschichten, Schuldzuweisungen und Ausgrenzungen ließ sie souverän hinter sich – und die Verletzlichkeit von Santuzzas ehrgekränkter Seele ruhte im Herzen einer starken Frau, der die Sängerin, gespeist von ihrer gesanglicher und darstellerischer Energie, eine zupackende, opernhafte Überhöhung zuteil werden ließ: ein begeisterndes Rollenporträt, das man nicht versäumen sollte. Adam Plachetka, vor vielen Jahren im Staatsopernensemble, ist für den Alfio ans Haus zurückgekehrt. Er hat sich gut in den gehörnten Fuhrmann eingefühlt und ein stimmlich etwas grobes Porträt dieses Kerl geboten. Aber wo die Messer so locker sitzen, wenn es um Ehre geht, braucht es auch genug Standfestigkeit. Anita Monserrat als Lola und Elena Zaremba als Lucia blieben mehr unauffällig, als veristisch „entflammt“. Mit breitem Empfinden ließ Nicola Luisotti das Orchester dahinströmen, bettete die zwischenmenschlichen Kalamitäten in eine Art von großflächiger Malerei, mehr getragen-sinnlich, als auf den puren Effekt berechnet. Manch heftigem Bühnendialog ging dadurch zwar eine „Portion“ an „schauriger Wahrheit“ verloren, aber es war trotzdem stimmig und in herkömmlichem Sinne „opernhaft“ dirgiert – mehr aus dem „Herzen“, als aus dem „Kopf“. Beim „Pagliacci“ geriet das alles dann nicht mehr so überzeugend. Erstens fehlte eine so durchschlagend in Spiel und Gesang die Bühne beherrschende Persönlichkeit wie Elina Garanca, und seitens des Orchesters erwies sich Luisottis getragene „Opernschau“ der dramatischen Zuspitzung als zu wenig förderlich. Jonas Kaufmann gelang bei seinem Hausdebüt als Canio ein guter Abend, doch diese Gefährlichkeit paranoider Eifersuchtswut im grenzüberschreitenden Wahn zwischen „Schein und Sein“ wurde für meinen Geschmack dann doch zu wenig abgründig vermittelt. Aber die Partie scheint ihm grundsätzlich zu liegen, kräftig „aussingend“ trafen die Spitzentöne „ins Schwarze“, auch wenn das Timbre an Glanz verloren hat, was Canios Charakter an psychologischem „Valeur“ etwas einschränkte. Den Prolog hätte er aber dem Tonio nicht abspenstig machen sollen. Auch wenn Kaufmanns Tenor reichlich baritonal unterfüttert ist, war dieses Entree zu wenig eindrücklich, um als „künstlerisches Manifest“ in die Auslage gestellt zu werden – und deshalb, gemessen am Gesamteindruck, der schwächere Teil seiner Darbietung. Maria
Agresta bot eine Nedda mit schon leicht kantigem Charme,
vor allem bei den Spitzentönen wurde es etwas „heikel“.
Aber wenn man mit seinem Leben an diesen pathologischen Eifersüchtler
Canio gekettet ist, mag das so sein – und insofern passte es schon
in den Kontext. Stimmlich hat in diesem „Pagliacci“
ohnehin wieder Jörg Schneider als Arlecchino mit
seinem sehr gut geführten lyrischen (Charakter-)Tenor das eigentliche
gesangliche Gustostückerl beigestellt. Adam Plachteka wurde
als prologloser Tonio vor allem in die Rolle des verschmähten, fiesen Liebhabers
gedrängt; sein Alfio war der überzeugendereTeil des Abends. Stefan Astakhov
gab einen mehr rohen, stimmkräftigen Silvio. Und der Chor kam als
engagiert die Szene belebendes Volk hier wie dort zum Einsatz. Über die
Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle muss man nicht mehr viele Worte
verlieren. Sie bietet nach wie vor einen brauchbaren und ansehnlichen
Rahmen für das Bühnengeschehen. |