CAVALLERIA RUSTICANA / PAGLIACCI
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Staatsoper
19.6.23

Dirigent: Daniel Harding

Cavalleria rusticana
Santuzza - Elena Stikhina
Turiddu - Yonghoon Lee
Lucia - Noa Beinart
Alfio - Amartuvshin Enkhbat
Lola - Isabel Signoret

Pagliacci
Canio (Bajazzo) - Yonghoon Lee
Nedda (Colombina) - Asmik Grigorian
Tonio (Taddeo) - Amartuvshin Enkhbat
Beppo (Harlekin) - Jörg Schneider
Silvio - Stefan Astakhov
Erster Bauer - Wataru Sano
Zweiter Bauer - Wolfram Igor Derntl


„Tenorale Rohkost“
(Dominik Troger)

Mit „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ hat die Staatsoper wieder einmal das bewährte Versimo-Duo auf den Spielplan gesetzt – und es fehlte an diesem Abend nicht an jener kolportageartigen Grellheit, mit der die beiden Werke das Publikum in ihren Bann schlagen.

Im Vorfeld hat es einige Umbesetzungen gegeben. Diverse Klassik- und Opernreiseanbieter führen in ihren Onlinespielplänen immer noch Jonathan Tetelmann als Turridu und Asmik Grigorian als Santuzza. Ricardo Massi, der in der Monatsvorschau als Tetelmannersatz genannt wird, verschwand auch wie spurlos von der Besetzungsliste: Yonghoon Lee hat schlussendlich neben dem Canio auch den Turrido übernommen. Die Umbesetzungsseite der Wiener Staatsoper hüllte sich dazu in tiefes Schweigen.

Yonghoon Lee als Turrido und als Canio, das war dann aber doch ein bisschen zu viel des Guten. Sein Tenor setzte auf Forte-Attacken, die einem als Zuhörer einerseits Respekt abringen andererseits in ihrer Einförmigkeit ermüden. Beim Turridu mag das noch durchgehen. Er ist vom Charakter einfacher gestrickt und besitzt nicht, wie Canio/Pagliacco diese Doppelbödigkeit von (Schau-)Spiel und Ernst. Lees tenorale Unflexibilität hat man schon bei der „Siciliana" gehört. Seinen Bajazzo regierte grelle Eifersucht. Wenn er die Stimme zurücknahm, wenn er dynamische Schattierungen anbrachte, verlor sie stark an Kompaktheit und Durchlagskraft.

Elena Stikhina war eine stimmkräftige Santuzza, mit leuchtkräftigem, metallischem Sopran und sie kämpfte im Vergleich zu Lee mit differenzierteren Stimmittel um ihre Liebe. Stikhina war für mich die positive Überraschung des Abends. Was bei ihr noch „sopranleuchtet“ und sich zu leicht gefährdeten Spintoenergien bündelt, war bei Asmik Grigorians Nedda schon herber akzentuiert. Ihre Nedda litt unter dem „Druck der Verhältnisse“, sie spielte und sang die Figur mit zu vielen Kanten. Ihr fehlte die lyrisch-bezaubernde Koketterie einer Colombina, die den Vöglein in ihrem berühmten Lied jene Poesie verleiht, die auch Tonio becirct. Grigorian gewann das Publikum mit ihrer Expressivität, mit dem selbstbewussten Ausformulieren ihrer Lebens- und Liebensnöte. Ein Grund für diese Nöte, Silvio, wurde von Stefan Astakhov ebenfalls lautstark und mit „bäuerlicher Schlichtheit“ zu Gehör gebracht. Die südliche Poesie, die sich im Laufe der kurzen Oper zu einem Eifersuchtsmord überhitzt, war nur im Beppo von Jörg Schneider greifbar, der textdeutlich mit feiner tenoraler Ausgestaltung ans Werk ging.

Amartuvshin Enkhbat war ebenfalls werkübergreifend tätig: Als Fuhrmann Alfio gab er sich sehr ruhig, wie ein unter der Oberfläche brodelnder Vulkan, sein Tonio wirkte flach, ohne der körperlichen und seelischen Verkrüppeltheit dieser Figur großen Ausdruck zu verleihen – das gilt auch für den Prolog. Enkhbats Herausforderung liegt darin, aus den Rollen, die er verkörpert, Charaktere zu machen. Was sein Hausdebüt als Nabucco vor zwei Jahren versprochen hat, hat der Sänger bei seinen nachfolgenden Staatsopernauftritten noch nicht ganz einlösen können. Stimmlich kann er sich zwar durchsetzen, seinem kräftigen Bariton fehlt bei aller Breite ein wenig die Akzentuierung und trotz leichtem Metall und angenehmer Fülle die klare Kontur. Dazu gesellten sich in der „Cavalleria rusticana“ mit Noa Beinart noch eine sehr junge Lucia und mit Isabel Signoret eine hübsche Lola und ein durchsetzungsstarker Staatsopernchor.

Daniel Harding sorgte für viele interessante Details und kehrte die Grellheiten der beiden Sujets nicht unter den Teppich. Das Finale der „Cavalleria rusticana“ fuhr einem so aufwühlend ins Herz wie Turridu das Messer Alfios. Bei der Komödie im zweiten Akt des „Pagliacci“ verlor er sich ein wenig in den Details der orchestral unterlegten „Barockizismen“, was einerseits interessante Höreindrücke ermöglichte andererseits der Commedia dell’arte etwas den Wind aus den Segel nahm, auch weil – bis auf Jörg Schneider – den Ausführenden dafür das Sensorium abzugehen schien.

Das Publikum spendete nach beiden Opern viel Applaus, Grigorian erhielt nach dem „Vogellied“ starken Szenenapplaus und Bravorufe.