CAVALLRIA RUSTICANA / I PAGLIACCI
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Staatsoper
15.3.19

Dirigent: Graeme Jenkins

Cavalleria rusticana

Santuzza - Elina Garanca
Turiddu - Yonghoon Lee
Lucia - Zoryana Kushpler
Alfio - Paolo Rumetz
Lola - Svetlina Stoyanova

I pagliacci

Canio (Bajazzo) - Fabio Sartori
Nedda (Colombina) - Marina Rebeka
Tonio (Taddeo) - George Petean
Beppo (Harlekin) - Jörg Schneider
Silvio - Orhan Yildiz
Erster Bauer - Michael Wilder
Zweiter Bauer - Martin Müller


„Repertoire mit Starbeteiligung“
(Dominik Troger)

Nach fünf Jahren hat die Wiener Staatsoper die beiden veristischen Operneinakter „Cavalleria rusticana“ und „I Pagliacci“ wieder in den Spielplan genommen – mit Elina Garanca als Santuzza. Vier Vorstellungen sind angesetzt, nachstehend einige Eindrücke von der zweiten Aufführung.

Die Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle, die auch schon 30+ Jahre auf dem „Buckel“ hat, lässt den Beginn der „Cavalleria rusticana“ vor geöffnetem Vorhang spielen. Man sieht, wie sich Turiddu von Lola davon macht - wobei gestandene Tenöre natürlich vom Balkon des Hauses gekonnt zu ebener Erde hinabklettern und derart gleich ein Beispiel ihrer „erotisierenden“ Sportlichkeit geben. Santuzza befindet sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Bühne, die das Gässchen eines sizilianischen Dorfes zeigt, rechts geht es dann über eine breite Treppe zur Kirche hinauf. Ponnelle hat zudem überdeutlich das Außenseitertum Santuzzas inszeniert, bevor sie überhaupt ihren ersten Ton singen darf.

Den sängerischen Beginn macht bekanntlich das „sizilianische Ständchen“ von Turiddu, das Yonghoon Lee nicht hinter der Bühne, sondern auf der Bühne sang – mit Selbstbewusstsein vollgepumpt sein gesangliches Schicksal einem zu undifferenziert geführten Tenor anvertrauend, der vor allem aus laustark platzierten, leicht baritonal gefärbten, aber durchaus effektvollen Spitzentönen zu bestehen schien. Lee ist an der Staatsoper noch nicht oft zu Gast gewesen. Ich erinnere mich an einen „Don Carlos“ (französische Fassung) im Jahr 2012, stilistisch hat sich seither offenhörlich nicht mehr viel getan.

Lee scheint sich voll auf den „kraftmeiernden“ Aspekt seiner Stimme zu verlassen, und beim Fach, dem er sich zugewendet hat, kann er damit auch punkten. Problematisch wird es immer dann, wenn er die Stimme zurücknehmen muss, dann wird sie plötzlich schwerfällig, besteht die Gefahr, dass sie aus dem Fokus gerät und die „Linie“ verloren geht. Deshalb lebt Lee von hitzig ausgeschleuderten tenoralen „Fontänen“, an denen er sich durch die Vorstellung „hangelt“. Für einen Turiddu voll jugendlich, leicht brutal angehauchten Überschwangs, wie ihn der Sänger auf die Staatsopernbühne katapultierte, mag das nicht unpassend sein – Lee gelang es immerhin in der späten Selbsterkenntnis des Bühnencharakters die von mir stark gefühlte Outrage zurückzuschrauben. (Ich bin mir nicht sicher, ob das Publikum am Schluss mit Turiddu Mitleid haben soll oder ob es ihn aburteilen muss. Vielleicht liegt auch der Reiz dieser Figur darin, dass sie zu beiden Einschätzungen einlädt.)

Elina Garanca hat nach ihrem Fachwechsel mit der Santuzza eine Partie gefunden, die ihr nach meinen Eindrücken besser behagt als etwa Carmen oder Dalila (soweit ihre Staatsopernauftritte das nahelegen). Ihr Mezzo hat sich verändert, ihr Timbre leuchtet nicht mehr so hell wie früher, ein bisschen Bronze hat sich hineingemischt, er ist „nachgedunkelt“´. Ihre Santuzza wirkte auf mich zuerst eine Spur zu kontrolliert, die emotionale Selbstentäußerung zu einstudiert – erst in der direkten Konfrontation mit Turiddu, wenn sie seine Liebe erzwingen möchte, erreichte der von ihr gestaltete Bühnencharakter eine emotionale Wahrhaftigkeit, in der für das Publikum das „Sein“ den „Schein“ überwindet. Garancas Santuzza blieb aber auch – und das ist vielleicht das bemerkenswerte an ihrer Interpretation – in der Demütigung eine starke, kämpfende Frau, die Turiddu „auf Augenhöhe“ begegnet, ohne Hang zur „Larmoyanz“, .

Natürlich würde es der emotionalen Wirkung helfen, wenn die Tiefe von Garancas Mezzo etwas breiter strömte, aber eine Santuzza ist diesbezüglich weniger „nachtragend“ als eine Dalila. (Dem vollmundigen goldenen „Mozartklang“ ihrer Stimme mag so mancher Opernenthusiast – wie liebgewonnenen Erinnerungen – immer noch ein wenig nachtrauern).

Leider entwickelte der Alfio des Paolo Rumetz viel zu wenig Bühnenautorität. Das „Fuhrmannslied“, mit dem sich die Figur stimmlich „peitschenschwingend“ beim Publikum und der versammelten Dorfgemeinschaft einführt, bereitete ihm stimmlich zudem einige Probleme. Erst in der Konfrontation mit Turiddu machte Rumetz einiges an verlorenem Terrain wieder wett, weil man spürte, dass Alfio seine Chancen gegenüber dem betrunkenen Herausforderer gleich richtig einschätzt und in der Gewissheit des eigenen Vorteils einen kühlen Kopf bewahrt. Svetlina Stoyanova, stimmlich noch etwas zart besaitet, stattete die Lola mit ausreichender Kokettheit aus, die später einem spürbaren Entsetzen wich. Wenig Eindruck hinterließ bei mir Mamma Lucia in der Interpretation von Zoryana Kushpler, die vor fünf Jahren noch die Lola gesungen hat. Elina Garanca hat die Lola zuletzt 2003 in Wien gesungen. Das sind so die kleinen Pointen des Opernbetriebs.

Oft ist der „Bajazzo“ die eigentliche „Hauptspeise“, wenn er gepaart mit der „Cavalleria“ serviert wird: In dieser Aufführungsserie wird er aber als Dessert gegeben. Und wer das Haus in der Pause verlassen hat (das soll vorgekommen sein), wird zumindest im Nachhinein erfahren haben (oder es jetzt hier lesen), dass nicht wirklich etwas versäumt worden ist. Da hätte schon Leo Nucci (!) nach seinem (wie mir mitgeteilt worden ist) fulminanten Solistenkonzert am Mittwoch, plötzlich als Tonio vor den Vorhang treten und den Prolog singen müssen.

George Petean ist zwar ein untadeliger Sänger, aber – wie auch an diesem Abend – oft springt zumindest bei mir der sprichwörtliche „Funke“ nicht über, ist mir seine Stimme für den jeweiligen Bühnencharakter eine Spur zu weich und zu wenig kernig. Aber er verlieh dem Tonio eine praktikable Mischung aus Mitleid erweckendem Liebesbetteln und rachedurstiger Verschlagenheit. Nedda, die Tonio fataler Weise unterschätzt, war bei Marina Rebeka, kein flatterhaftes Vögelchen, dass Canio so mit der linken Hand zerdrückt hätte, sondern agierte mit selbstbewussterem Auftreten und eben solchem Sopran. Die Enge des Käfigs, in dem Nedda von Canio wie ein Singvogel gehalten wird, wurde dadurch nicht betont, und das Finale entwickelte sich seitens Nedda zu keinem „flügelschlagenden Überlebenskampf“. Rebekas Nedda konnte als kleinere Schwester von Garancas Santuzza aufgefasst werden, gespeist aus einem modernen Selbstverständnis, dass letztlich dazu anregen könnte, ein wenig die Frauenbilder zu hinterfragen, mit denen uns die Werke längst verstorbener Komponisten konfrontieren.

Fabio Sartori hat als Canio seinen aus Eifersuchtswahn gespeisten Angriff auf Nedda zudem nicht als Ausdruck verstörender Raserei gestaltet. Das lag zum Teil auch daran, dass er stimmlich einen „milderen“ Eindruck hinterließ, „seriös“, aber eben nicht mitreißend gestaltend. Sehr gut gefiel Jörg Schneider als Beppo, Orban Yildiz war als Silvio rollendeckend.

Das Orchester unter Graeme Jenkins, der die musikalische Leitung der Serie anstelle von Giacomo Sagripanti übernommen hat, sorgte für keine Festtagsstimmung und kam nach der Pause besser zur Geltung. Das Publikum dankte mit regem Applaus.