CAVALLRIA RUSTICANA / I PAGLIACCI
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Staatsoper
29.1.2014

Dirigent: Paolo Carignani

Cavalleria rusticana

Santuzza - Michaela Schuster
Turiddu - Fabio Armiliato
Lucia - Aura Twarowska
Alfio - George Gagnidze
Lola - Zoryana Kushpler

I pagliacci

Canio (Bajazzo) - Neil Shicoff
Nedda (Colombina) - Inva Mula
Tonio (Taddeo) - Ambrogio Maestri
Beppo (Harlekin) - Carlos Osuna
Silvio - Tae-Joong Yang
Erster Bauer - Michael Wilder
Zweiter Bauer - Wolfram Igor Derntl


„Tödliche Dreiecksgeschichten“
(Dominik Troger)

Die sizilianische Bauernehre stand in der Staatsoper auf dem Prüfstand – und Neil Shicoff „prüfte“ sich in der Rolle des Canio. Die zweite Aufführung der laufenden Serie von „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ an der Wiener Staatsoper riss zu keinen Jubelstürmen hin.

Es ist immer eine zweischneidige Sache, wenn einem versichert wird, dass diese Vorstellung besser gewesen sei, als die vorherige. So oder so war diese „Cavalleria rusticana“ nicht dazu angetan, einen großen Eindruck zu hinterlassen. Fabio Armiliato rettete sich als Turiddu über die Runden: wie ein Boxer, der sich nach einem Wirkungstreffer standhaft aufrecht hält und über die Distanz quält. Das klang phasenweise nach Schwerarbeit und beinahe hätte es im Finale dann doch nicht gereicht. Michaela Schuster bot eine stimmlich unausgewogen klingende Santuzza, mit starkem Vibrato, aber guter Bühnenpräsenz. Georg Gagnidze lieh dem Alfio einen eindimensional klingenden, nüchtern timbrierten Bariton. Im Spiel war er effektiv genug, um die Figur als gefährlichen Gegenspieler Turiddus zu positionieren. Aura Twarowska war als Lucia rollendeckend – ebenso Zoryana Kushpler als stimmlich schon etwas oszillierende, schönäugige Lola.

Im „Bajazzo“ legte Ambrogio Maestri zuerst einmal als Tonio los. Den fiesen Charakter dieser Figur, diese verkrüppelte „Körperseele“, hat er in Folge aber nicht so recht zu entwickeln vermocht. Inva Mula sorgte für eine passende Nedda: eine quirlige Sängerin, die die Emotionen dieser koketten Frau mit einer gewissen vorwitzigen Fragilität zu transportieren wusste. Mulas Sopran konnte das allerdings nur teilweise nachzeichnen, vermittelte mir ein wenig den Eindruck, den ein hübsches, aber geschminktes Gesicht macht, das erst aus der Nähe betrachtet seine kleinen Fältchen offenbart. Aber Mulas Nedda hinterließ dadurch einen ehrlichen, aus dem Leben gegriffenen Eindruck, und lud dazu ein, ihr trauriges Schicksal zu bedauern. Tae-Joong Yang sang den Silvio solide, der glühende Liebhaber kam in der Stimme nicht wirklich heraus, und Carlos Osuna gab Beppo ein angenehmes lyrisches „Tenorgesicht“.

Ob der Canio für Neil Shicoff eine passende Partie darstellt, das war die große Frage am Ende der Vorstellung. Er begann offenbar vorsichtig, die Stimme schien in der Tiefe wenig zu tragen. Aber eigentlich war die Oper schon wieder zu Ende, als Shicoffs Tenor sich richtig „warm gesungen“ hatte. Der komödiantische Unterton und aufbrodelnde südländische Leidenschaft blieben ihm eher fremd – sein Canio wirkte auf mich durchwegs recht „psychopathologisch“ interpretiert, und der Überraschungseffekt, wenn Canio im Theaterstück endgültig aus seiner Rolle fällt, war zu deutlich vorhersehbar. Die Energien, die Shicoff in seiner eifersüchtigen Stimmraserei freisetzte, waren allerdings enorm und beeindruckten.

Prinzipiell liegt im Repertoire die „nachverdische" italienische Oper bei Paolo Carignani in guten Händen, wenn es auch oft etwas „plakativ“ und laut zugeht. Der raffinierten Instrumentierung Leoncavallos wurde aber zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und der „duftige Klassizismus“ der Commedia del arte-Szene blieb unterentwickelt. Dadurch verlor der zweite Akt insgesamt an Ausdruckskraft und das „Spiel im Spiel“ huschte etwas rasch vorüber. Der Chor hatte natürlich seine starken Auftritte – aber die Damen klangen in der „Cavalleria“ nicht immer so homogen wie gewohnt.

Regie und Ausstattung der Produktion stammen noch von Jean-Pierre Ponnelle: eine zeitlos gültige Interpretation. Was den Schlussapplaus zur „Cavalleria rusticana“ betrifft: ein paar Bravorufer finden sich fast immer. „I pagliazzi“ brachte es auf fünf bis sechs Minuten.