AUS EINEM TOTENHAUS -
FREI NACH PETER KONWITSCHNY
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Janacek-Portal

Staatsoper
Premiere
11.12.2011

Dirigent: Franz Welser-Möst
Inszenierung:
Peter Konwitschny
Ausstattung: Johannes Leiacker
Licht: Jürgen Hoffmann

Kostümassitenz: Nele Ellegiers

Koproduktion mit der Oper Zürich

Alexander Petrowitsch Gorjantschikow - Sorin Coliban
Aleja, ein junger Tartar - Gergely Németi
Filka Morozow alias Luka Kusmitsch - Misha Didyk
Der große Sträfling - Carlos Osuna
Der kleine Sträfling - Hans Peter Kammerer
Der Platzkommandant - Alexandru Moisiuc
Der ganz alte Sträfling - Herwig Pecoraro
Skuratow - John Mark Ainsley
Tschekunow - Janusz Monarcha
Der betrunkene Sträfling - Clemens Unterreiner
Der junge Sträfling - Tae Joong Yang
Dirne - Donna Ellen
Häftling als Don Juan - Markus Eiche
Kedril - Peter Jelosits
Schapkin - Michael Roider
Schischkow - Christopher Maltman
Tscherewin - Benedikt Kobel


Themaverfehlung
(Dominik Troger)

Premiere von Leos Janáceks „Aus einem Totenhaus“ an der Wiener Staatsoper: Buhrufe gegen die Regie gab es einige, aber mehr aus Pflicht, denn aus Überzeugung? Denn provokant war an diesem Abend gar nichts – und die Inszenierung war so weit vom Stück entfernt, dass vor allem ratloses Kopfschütteln angebracht war.

Dabei hat man im Vorfeld der Produktion von Seiten der Wiener Staatsoper ganz auf seriös gemacht: „Diese Oper ist nicht zum Ausruhen!“ – oder so ähnlich. Man hatte fast das Gefühl, hier sollte kalmiert werden, um das mit diesem Werk angeblich so unerfahrene Wiener Publikum auf einen besonders aufrüttelnden Opernabend vorzubereiten.

Aber das Gegenteil war der Fall. „Eine Männergesellschaft irgendwo in einem Loft im 44. Stock.“ So beginnt die adaptierte Inhaltsangabe und schnell machte sich die Erkenntnis breit, dass das Berliner (oder gar Wiener) Mafia (!!!)-Milieu mit sibirischen Gefangenenlagern wenig gemeinsam hat. Schon die Orchestereinleitung wurde von einem Video begleitet, das großflächig auf den Vorhang projiziert, die Opernkreuzung zeigte. Straßenbahnen fahren, Autos fahren – und die Badner Bahn kurvt elegant von ihrer Endstelle los und schwenkt fröhlich ab in Richtung Wieden.

Ein Hauptgrund für das Scheitern des Abends lag außerdem darin, dass Peter Konwitschnys „Trickkiste“ mit der Einbeziehung des Zuschauerraumes – sogar eine kleine, niedliche Flugblattattacke von der Galerie gibt es wieder – den ohnehin sehr locker gefädelten dramaturgischen Faden des Stücks endgültig aufgetrennt hat. Da blieb nichts mehr übrig als zusammenhangloses Saufen und Raufen, als sadistische Spielchen, Kokain und Sex.

Ein allmächtiger Mafiaboss hielt alle am Schlafittchen und erschoss schlussendlich sogar den armen Alexander Petrovitsch Gorjantschikov, der eigentlich „frei gehen“ sollte – zumindest laut Janáceks nach Dostojewksi gefertigtem Libretto (das in einer deftigen Übersetzung über die Mitlesemonitörchen flimmerte). Aber dieses bisschen Hoffnung scheut ein moderner Regisseur natürlich wie der Teufel das Weihwasser. Doch wer mehr über diese Inszenierung erfahren möchte, der google ganz dezent unter dem Koproduktionspartner „Zürich“ und unter „Totenhaus“ oder warte auf die vielleicht erhellenderen Kritiken der Tagespresse - es ist gleich eine Stunde nach Mitternacht und so ermuntert hat mich dieser Premierenabend auch wieder nicht.

Das Wiener Publikum hatte vor vier Jahren im Rahmen der Wiener Festwochen schon die Gelegenheit, diesem Werk zu begegnen. Das wäre es gewesen, hätte man diese Produktion an die Staatsoper geholt – vor allem wegen Pierre Boulez! Aber auch wegen der Inszenierung. Die war im Theater an der Wien zwar nicht „exzeptionell“, aber immerhin mustergültig am Werk entlang. Der Regisseur hieß damals: Patrice Chéreau. Wer mehr über diese Produktion lesen möchte, der klicke hier: Aus einem Totenhaus, 12.5.2007

Das Orchester unter Franz Welser-Möst spielte mit der erwarteten Qualität, aber zu glatt und kantenlos – und stand stark unter dem Druck der Szene. Da wie dort gliederte sich der Abend zu wenig, auch die Musik schürte kaum Emotionen, schien sich darin zu erschöpfen, wenigstens noch die Erinnerung an Janáceks „Aus einem Totenhaus“ wach zu halten. Eine herkulische Herausforderung in Anbetracht der deplatziert wirkenden, männerbündlerischen Mafiarunde auf der Bühne.

Aber es lag auch nicht an den Sängern, die sich bereitwillig dem „Konzept“ unterwarfen bis zur Demütigung, etwa wenn Sorin Coliban am Hundehalsband geführt zur Schlussszene auf die Bühne robbt. Coliban durfte sich dann in sogar einer russischen Mama-Puppe erschießen lassen. Also doch noch Sibirien! Den meisten Applaus gewann Christopher Maltman für sich, der als Schischkow minutenlang versuchte, mit seiner Erzählung wieder Spannung aufzubauen. Offenbar ist es ihm gelungen. Ich selbst war da schon zu weit weg vom Geschehen.

Fazit: Wer wissen möchte, wie der Regisseur tickt, dem sei die Aufführung empfohlen – und wer Leos Janácek „Aus einem Totenhaus“ sehen möchte, der ist hiermit vorgewarnt.