DER FICUS SPRICHT - RADAMES
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Werk X
18. Juni 2018
(Premiere 14. Juni)

Musikalische Leitung:
Walter Kobéra (Ficus), Anna Sushon (Radames)
Regie: Leonard Prinsloo
Ausstatung: Susanne Pitzek
Licht: Norbert Chmel

amadeus ensemble wien

Der Ficus spricht

A (Mann) / Ficus - Dieter Kschwendt-Michel
B (Frau) / Blumenmädchen - Laura Schneiderhahn
Volkssänger - Wolfgang Resch

Radames

Schauspieler - Tim Severloh
Opernregisseurin - Laura Schneiderhahn
Theaterregisseur - Wolfgang Kaimbacher
Filmregisseur - Dieter Kschwendt-Michel


Zweimal Kurzopern
(Dominik Troger)

Die Neue Oper Wien lud zu zwei satirischen Einaktern in das Werk X: Gerhard Schedl „Der Ficus spricht“ und Peter Eötvös „Radames".

„Der Ficus spricht“ (Text von Franzobel) wurde 1998 als Auftragswerk des Niederösterreichischen Donaufestivals uraufgeführt. Die genaue Stückbezeichnung lautet: „Minidrama für A, B, einen Volkssänger, ein Blumenmädchen und einen Gummibaum“. Schedl selbst hat das Stück als „Nonsense“ bezeichnet, dann aber doch gemeint, es handle sich „um eine Parodie auf den viel zitierten Zerfall normativer Wertvorstellungen“.

Das ganze sinnlos-absurde Bemühen wurde in der Inszenierung von Leonard Prinsloo durch weitgehend requisitenlose intensive „Körperarbeit“ von Ficus und Blumenmädchen umgesetzt, während der Volkssänger mit gelassener Überlegenheit seine Weisheit in einer Ballade zum Besten gab: „Das Lied vom Glück des einen ist des anderen Pech.“

Der „subversive Schmäh“ eines Franzobel‘-Schedl’schen-Musiktheaterstücks wurde durch die Inszenierung aber überdeckt. Schedl hat u. a. auch Texte von H.C. Artmann und Ödön von Horvath vertont – und der Gummibaum ist wohl ein Hinweis auf eine (klein-)bürgerliche (Mittelschicht-)existenz, die hier „vorgeführt“ wird. Prinsloo nahm die Geschichte viel zu ernst und verlegte sich mehr aufs „Klotzen“, zeigte abstrakte, manchmal auch ungustiöse menschliche Machtspiele, erweitert um autoerotische Betätigung. (Bei Franzobel heißt das „Wichsen“ – und das Wort hat bekanntlich von der autoerotischen Handlung abgeleitete weitere Bedeutungen, die gut zu einem unter- bzw. mittelschichtigen Ficus passen würden; ganz im Sinne von: Er ist ein Angeber, ein Versager etc. ). Schedls Musik koppelte sich davon deutlich ab, lebte ihr schwungvolles, ein bisschen augenzwinkerndes Eigenleben, eine „Wiener Melange“, die für mein Dafürhalten zu dieser Inszenierung nicht so recht passen wollte. Wolfgang Resch sorgte mit seinem leichten Bariton für die gesangliche Aufwertung des Minidramas.

Nach dem kurzen „Ficus“ leitete eine von Alexander Kaimbacher virtuos gestaltete Brandrede zum Eötvös-Stück über. Die Regieidee dabei: Ein vom Schedl-Stück provozierter Besucher erhebt in der letzten Reihe der Zuschauertribüne seine Stimme und marschiert dann laut sprechend gleich auf die Bühne. Der Monolog nahm den aktuellen Theaterbetrieb aufs Korn: vom finanziellen Notstand bis zum Ego der Regisseure. Die wohlwollende Zustimmung des Publikums war ihm sicher. (Bühne im herkömmlichen Sinn gab es keine, gespielt wurde auf der Fläche zu Füßen der in den Saal gestellten Zuschauertribüne).

„Radames“ wurde 1976 in Köln uraufgeführt, eine revidierte Fassung erlebte 1997 in Budapest ihre Erstaufführung – die Neue Oper Wien hat jetzt für die Österreichische Erstaufführung des knapp 40 Minuten langen Einakters gesorgt. Das Stück thematisiert die Finanzprobleme der Opernhäuser: Einsparungsmaßnahmen haben dazu geführt, so die Handlung, dass nur ein Orchester aus Sopransaxophon, Horn, Tuba und E-Piano zur Verfügung steht – und ein Schauspieler (Countertenor), der in der Schlussszene der „Aida“ den Tenor und den Sopran singen soll. Drei Regisseure: ein Filmregisseur (sehr amerikanisch Dieter Kschwendt-Michel), eine Opernregisseurin und ein Theaterregisseur „kümmern“ sich um den Schauspieler, der die Schlussszene aus „Aida“ zu proben hat. Der Sänger zerbricht unter der Anforderung und stirbt, während er das Sterben darstellt. In der Inszenierung der Neuen Oper Wien wird das Finale zynisch zugespitzt: der Theaterregisseur erdrosselt den Schauspieler mit seinem Schal.

Das Stück pflegt selbstironisch die heutigen Schwächen der Kunstgattung, die Musik hat mehr untermalende Funktion (manchmal wagnert die Tuba ein wenig) und abgesehen vom Countertenor (Tim Severloh als geduldiges Opfer) wird mehr der Sprechgesang gepflegt. Die Opernregisseurin (pathetisch Laura Schneiderhahn) deklamiert zum Beispiel Vortragsbezeichnungen aus „Aida“ und das oftmalige „morendo“ passte zur Handlung natürlich besonders gut. Der Theaterregisseur (Alexander Kaimbacher), der in dieser Inszenierung während der Probe einen Doppler leert, parodierte einen bekannten deutschen Regisseur und trug diverse Weisheiten vor, etwa: „In deiner Rolle lacht die Kunst sich selbst aus, weil sie noch immer mit sich selbst beschäftigt ist und Leben und Tod nur imitiert.“

Wie immer bei der Neuen Oper Wien war die Produktion sehr gut durchgearbeitet, die auch körperlich geforderten Mitwirkenden standen mit großem Einsatz ganz im Dienst der Sache. Walter Kobéra, spiritus rector der Opernkompagnie, hatte beim Schedl-Stück diesmal nur einen Kurzauftritt am Pult des amadeus ensembles, danach schlug die Stunde der Solisten, koordiniert von Anna Sushon.

Fazit: Ein recht kurzer Opernabend, ein bisschen selbstanalytisch die Kunstgattung beäugend, von den Anwesenden viel beklatscht.