DER FREISCHÜTZ
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Theater
an der Wien Dirigentin:
Laurence Equilbey Insula Orchestra |
Agathe - Johanni
van Oostrum |
Das Theater an der Wien lud zu einer konzertanten Aufführung des „Freischütz“. Zu Gast war eine Produktion, die erst Anfang März im französischen Caen ihre Premiere erlebt hat. Geleitet wurde der Abend von der Dirigentin Laurence Equilbey. Carl Maria von Webers Oper erklang in einer – wie man so sagt – „semikonzeranten“ Form. Gesungen wurde ohne Noten, die Auf- und Abtritte wurden nachvollzogen, sogar Samiel selbst, in der Person eines feschen jungen Mannes, mischte sich balljonglierend in den Szenenreigen. Die Kostüme hatte man aus Caen mitgebracht, aber nicht die Videoprojektionen (Waldbilder, Blätter, Einspielungen der Protagonisten, fluoreszierendes Leuchten etc.), obwohl das Theater an der Wien hinter den Protagonisten eine bühnenhohe und -weite Projektionsfläche aufgezogen hat. Diese Projektionsfläche wurde zwar für einige Lichteffekte in der Wolfsschluchtszene genützt, verbreitete sonst aber einen recht sinnentleerten „Charme“. Das visuelle Konzept hat es also nur „verstümmelt“ von Caen nach Wien geschafft. Seltsam, dass man die Kostüme beibehalten hat: Die Damen des Accentus-Chores waren in anatomisch sehr unvorteilhafte, graugrüne „Trikotkleider“ gesteckt worden. Zur Ouvertüre traten die Mitwirkenden nacheinander auf, wie bei einem Vorspann im Film, der die Namen der Hauptdarsteller anpreist. Der Zuschauerraum wurde abgedunkelt wie bei einer szenischen Produktion. Wer einen Blick in das Programmheft warf, wurde leider auch nicht klüger, weil bis auf ein kurzes Zitat der Dirigentin kein Sterbenswörtchen über diese Produktion verraten wurde. Zumindest hätte man ein Interview mit Laurence Equilbey führen können, um das Konzept etwas zu erhellen, auf dem diese „Tourneefassung“ basiert. Laurence Equilbey setzt auf eine historisch informierte Aufführungspraxis, hat sich nach ihrem Studium einst in Wien auch von Nikolaus Harnoncourt inspirieren lassen. Ihr Zugang ermöglichte eine Interpretation, die sich jeder Diskussion um die „ideologische Wirkungsmacht“ des „deutschen Waldes“ entzog. Und es tat gut, diese Musik „unprätentiös“ und „unpoliert“ zu hören, um hinter dem von der Rezeptionsgeschichte angehäuften Ballast ihre „naturnahe“ Schlichtheit zu entdecken, vom Klang der Naturhörner „romantisch“ unterlegt. Hat die Perfektion und Spielweise moderner Orchesterinstrumente dieses leicht dunkel schattierte Waldesraunen nicht schon lange aus dem „Freischütz“ vertrieben? Am
Schönsten wurde das in Agathes Arie im zweiten Akt deutlich: Ihre
unschuldig-mädchenhafte, religiös inspirierte Sinnlichkeit
beim bangen Warten auf den Liebsten wurde vom Orchester zartfühlend
begleitend, ein stimmungsvoll erlauschter Teppich nächtlich-natureinsamen
Waldesrauschens. Und weil weiter oben der Name Nikolaus Harnoncourt gefallen
ist: Bei Equilbey klang alles weicher, tänzerischer, weniger schroff, und gar nicht „dogmatisch“. Die südafrikanische Sopranistin Johanni van Oostrum, unlängst erst als Salome in Graz zu erleben, sang die Agathe. Sie traf diesen einfachen Tonfall, diese Schlichtheit und Ehrlichkeit des Gemüts, und gab der Figur eine jugendliche Frische mit auf den Bühnenweg. Das Ännchen von Chiara Skerath setzte der Schwermut Agathes die erforderte Leichtigkeit entgegen, die sie mit wendigem Sopran humorvoll und ohne Übertreibung beizutragen wusste. Die Geschichte mit dem Bild, der „Kettenhund“ und die Brautjungfernszene müssen heutzutage mit Fingerspitzengefühl behandelt werden, weil sie schnell ins Parodistische oder Moralisierende abgleiten können. Der Max kam aus Finnland – und man hörte Tuomas Katajala seine lyrischen Qualitäten an. Ein fester Mozarttenor der hier als Jäger antrat. Die Verfehlung war ihm ebenso abzukaufen wie die Reue – und das ist beim „Freischütz“ fast schon das Wichtigste: dass die Protagonisten die Figuren nicht überzeichnen, dass sie ihren beschränkten Wirkungskreis im besten biedermeierlichen Sinne nicht überschreiten. Wladimir Baykov lockte als Kaspar Max mit kräftigem, gerautem Bassbariton: eine präsenter Bösewicht mit einer mehr „griffigen“ als „schönen“ Stimme. Die „Nebenrollen“ passten gut: wie Thorsten Grübel als Kuno, Samuel Hasselhorn als Ottokar, Christian Immler als Eremit und Samiels Stimme. Der Accentus Chor sang zum Glück auch viel besser, als es seine „Tracht“ hätte vermuten lassen. Das Theater an der Wien war halb leer – oder halb voll, je nach der Perspektive, die man einzunehmen gewillt ist. Placido Domingos zeitgleiches Antreten in der Wiener Staatsoper hat sicher viele potenzielle Besucher „abgeworben“. Der sehr wohlwollende Schlussapplaus dauerte rund fünf Minuten lang. |