DER FREISCHÜTZ
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Wiener Volksoper
17.2.2007
Premiere

Dirigent:Leopold Hager

Inszenierung, Raum, Licht: Marco Arturo Marelli
Kostüm: Dagmar Niefind
Choreinstudierung: Michael Tomaschek

Ottokar - Markus Brück
Kuno - Stefan Cerny
Agathe - Kristiane Kaiser
Ännchen - Andrea Bogner
Max - Jürgen Müller
Kaspar - Lars Woldt
Eremit - Albert Pesendorfer
Kilian - Daniel Schmutzhard
Brautjungfern - Elisabeth Musger, Tatiana Sokolova,
Karin Gisser, Lidia Peski
Samiel - Ronald Kuste


„Kein Blattschuss, aber nicht daneben“
(Dominik Troger)

Der „Freischütz“ hat dem Wiener Opernrepertoire schon einige Jahre gefehlt. Es blieb der Volksoper vorbehalten, die erste Neuproduktion im neuen Jahrtausend zu wagen. Diese Mühe wurde mit einem soliden Ergebnis belohnt, das auf längere Sicht dem „Freischütz“ ein Fortkommen auf der Volksopernbühne garantieren sollte.

Romantik oder Aufklärung? Das mischt sich im Libretto und in der Musik. Beethoven‘sches Humanitätspathos wird von ländlich-romantisierenden Tanzweisen umworben, der Schluss mit dem Auftritt des Eremiten, dem „Sarastro“ des „deutschen Waldes“, schlägt die Botschaft der Aufklärung an. Das resche Jägertum fordert zur Karikatur heraus, zugleich bildet es die Basis für eine bedrohlich schießwütige Männerbündelei, an der Max, der Jägerbursche, beinahe zerbricht. Die Inszenierung von Marco Arturo Marelli schärft diese Konturen mit dosierter, etwas ironisierender Überzeichnung, ohne den roten Faden des Librettos irgendwo abzuschneiden und neu zu verknoten.

Die Einheitsbühne ist eher abstrakt gehalten: die große „Holzfaserplatte“ kann man kippen, drehen, in die Höhe heben. Im Hintergrund ruht so etwas wie ein grüner Waldesschatten. Dazu kommen einige größere Elemente, je nach Bedarf: abstrahiertes Haus oder Hochstand. Die Wolfsschlucht, ohne Felsen und Laubdekor, wirkt trotzdem packend, von guter Lichtregie in dunkle Farben getaucht. Feuer zischt auf. Kaspar darf nach allen Regeln der Kunst seine Kugeln gießen: das Auge eines Wiedehopfs... Die wilde Jagd rekrutiert sich aus Soldaten in Kampfausrüstung. Ein Kuss Samiels für Max besiegelt den Bund.

In der Wirkung vielleicht ein wenig heikel: die angejahrten Brautjungfern zum bekannten Liede. Ihr grotesker Aufmarsch ist pointiert, ob sich aber die mädchenhafte Fröhlichkeit der Musik darin wiederfindet? Die zünftigen Gamsbärte der Jäger gehören natürlich zum Klischee. Etwas problematisch die Zeichnung des Max: in seiner Lederhose wirkt er wie ein braves, aber neurotisiertes Schulkind, das gehänselt wird und das Prüfungsängste plagen.

Doch für die wahre Belebung sorgt ohnehin das „Böse“ (bestens dargestellt von Ronald Kuste). Hier ist Marelli in seinem Element. Trickreich und verschlagen umgarnt der schwarze Jäger Samiel seine Beute, mal als transvestiter Wirt, mal als großmütterliche Jungfer, sucht er seine Opfer heim. Er hat raffiniert seine Finger überall im Spiel. Er ist der sprichwörtliche Teufel, der nicht schläft und in vielerlei Gestalt erscheint. Auch der Schluss ist in dieser Hinsicht deutlich: während die Festgesellschaft Max „entsühnt“, lauert Samiel im Hintergrund auf seine nächste Chance. Das hat den Vorteil, dass Marelli die diversen „Unglücksfälle“, die zum Beispiel Agathe zustoßen, aus ihrer nur mehr schwer glaubhaft zu machenden Schicksalshaftigkeit herauslöst, in dem er sie personifiziert.

Von den SängerInnen überzeugten vor allem Lars Woldt als grober, zwielichtiger Kaspar, Kristiane Kaiser als romantische liebe-sinnende Agathe sowie das naiv-frische Ännchen von Andrea Bogner. Jürgen Müllers Max wirkte auf mich den ganzen Abend angespannt und forciert. Zu feineren Abstufungen im Ausdruck fand er kaum. Dem Eremiten von Albert Pesendorfer müsste noch ein wenig stimmliche Würde und Profundität zuwachsen. Ansonsten fügte sich das Ensemble unspektakulär in seine Pflichten. Das Orchester unter Leopold Hager wirkte etwas schwerfällig, mehr tänzerische Leichtigkeit hätte einigen Szenen ganz gut getan. Das kollektive Blackout der Horngruppe gleich nach der Pause trug schon anekdotenhafte Züge.

Das Publikum klatschte am Schluss ausgiebig, Buhrufe gab es keine.