TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper
30. Juni 2013

Dirigent: Franz Welser-Möst

Tristan - Peter Seiffert
König Marke - Stephen Milling
Isolde - Linda Watson
Kurwenal - Jochen Schmeckenbecher
Melot - Eijiro Kai
Brangäne - Janina Baechle
Hirt - Carlos Osuna
Stimme des Seemanns - Jinxu Xiahou
Steuermann - Marcus Pelz


Die letzte Aufführung vor der Sommerpause und ein kurzer Rückblick auf die Staatsopernsaison 2012/13
(Dominik Troger)

Es sinkt der rote Bühnenmond hinter den Meereshorizont, die letzten Töne verhallen – und die Staatsopernsaison 2012/13 ist Geschichte. Zum Saisonbeschluss wurde noch einmal das „jüngste Kind” des Hauses präsentiert: die Neuproduktion von „Tristan und Isolde” in ihrer fünften Aufführung.

Der Abend spannte gleich den Bogen zu den „Tristan”-Reprisen im kommenden September, in denen Linda Watson ihr Rollendebüt am Haus als Isolde gegeben hätte, wäre sie nicht schon in dieser Vorstellung für die erkrankte Katarina Dalayman eingesprungen. Dalayman wiederum hätte planmäßig die umjubelte Isolde der Premiere, Nina Stemme, ersetzen sollen, die schon für die Wiederaufnahme des „Rosenkavalier” in Zürich gebucht war und Ende Juni die Isolde mit der Feldmarschallin einzutauschen hatte.

Linda Watson ist dem Staatsopern-Publikum schon als standfeste Walküre bekannt. Die Sängerin hat bereits 1986 (!) an der Staatsoper in Leonard Bernsteins „A quiet place” debütiert, in späteren Jahren aber nicht sehr häufig am Haus gesungen. Als Brünnhilde hat sie ab 2004 einige Male gastiert, auch 2011 als Einspringerin für Katarina Dalayman im „Thielemann-Ring“ („Siegfried“ und „Götterdämmerung“). Watsons Stimme hat sich in den all den Jahren gut erhalten, allerdings störte mich ihre flackrige Mittellage an diesem Abend mehr als bei ihren letzten Brünnhilden. Im Vergleich zur impulsiven Rollengestaltung von Nina Stemme ging es Watson statischer an – mehr das Heldenepos lebend als eine psychologische Ausdifferenzierung der Rolle suchend. Sie gab die ersten beiden Aufzüge in einem anderen Kostüm als Stemme – und das rote Isoldenkleid für den Liebestod haben die SchneiderInnen der Staatsoper offensichtlich nur mehr punktuell an die Formen der Sängerin anpassen können. Hoffentlich wird bis September eine kleidsamere Lösung gefunden.

Peter Seiffert gab als Tristan wieder „alles”. Sein Tenor klang an diesem Abend richtig aufgefrischt. Der Glanz seines Timbres hielt bis weit in den dritten Aufzug und aus dem Spagat zwischen sängerischer Kontrolle und emotionalem Loslassen erwuchs einmal mehr eine durchgängig expressive und fesselnde Rollengestaltung. Seiffert schmiedet seinen Tristan nicht aus baritonal-dunkler Tenorgründen, er verströmt helleres Metall und wärmere Farben, aber seine Stimme ist breit und kräftig genug und sie trägt übers Orchester. Von den drei Vorstellungen (Premiere, #3 und #5), die ich gehört habe, war diese fünfte möglicherweise Seifferts Glanzstück. (In der Premiere spürte man bei ihm – etwa im zweiten Aufzug – deutlicher die Herausforderung der Partie.)

Stephen Millings Marke wirkte auf mich an diesem Abend schon ein bisschen müde, Janina Baechle und Jochen Schmeckenbecher steigerten sich ebenfalls gegenüber der Premiere. Eijiro Kai war ein verlässlich grimmiger Melot. Über die kleinen Nebenrollen könnte man noch diskutieren – etwa ob Carlos Osunas mediterranes Timbre wirklich in das rauere Klima der Irischen See passt?

An Franz Welser-Möst haben sich einige Diskussion entzündet. In der dritten Aufführung wurde ich Zeuge, wie ein Besucher von der Galerie vor dem dritten Aufzug lautstark um weniger Lautstärke bat. Linda Watson hatte im Liebestod jedenfalls noch weniger Chancen als Nina Stemme, den Klangwogen zu entkommen. Die etwas harsche Gangart des Generalmusikdirektors hat dem Werk das mystisch-traumhafte Element schon von Haus aus entzogen. Die rauschhaften Steigerungen Tristan’scher Musik marschierten stark in die Richtung fast schmerzhaft-psychotischer „Fieberschübe“, bei teils flottem Tempo und mit interessanter Weise ganz unterschiedlichen Ergebnissen: in der dritten Vorstellung ein zupackender, nervenfasernzerspaltender erster Aufzug – in der hier beschriebenen fünften Aufführung ein überraschend spannungsloser, langatmiger erster Teil, der zweite und der dritte Aufzug steigerten sich dann allerdings stark.

Die Inszenierung ist keine Meisterleistung, aber ich habe niemanden getroffen, der sich im Zweifel nicht für diese Produktion ausgesprochen hätte. (Nach der verunglückten „Tristan"-Premiere von 2003 kommt das nicht überraschend.) Auffallender Weise wurde in einigen Zeitungen nach der Premiere versucht, die Publikumsreaktionen als mehrheitliche Ablehnung des Regieteams zu deuten: Doch im Vergleich zum Entrüstungssturm, der zum Beispiel Vera Nemirowa nach ihrem verunglückten „Macbeth“ entgegenschlug, war das Missfallen, das David McVicar & Team ausfassten, ein harmloses Mailüfterl.

Das Publikum war am Schluss der letzten Vorstellung in dieser Saison begeistert, klatschte Tristan & Isolde sogar noch an der Seite heraus, und verabschiedete sich schweren Herzens für zwei Monate in die Sommerpause.

Für meinen Geschmack zählte die Staatsopernsaison 2012/13 zu den schwächeren der letzten Jahre, eine akzeptable Dichte interessanter Aufführungen wurde erst mit dem einsetzenden Frühjahr generiert. Teilweise war auch Pech dabei, der Saisonbeginn wochenlang von Absagen überschattet. Die „Cenerentola“-Premiere markierte den bisherigen Tiefpunkt der Direktion Meyer. Aber 2013/14 verspricht – zumindest was die Premierenplanung betrifft – spannender zu werden. Die neue Saison beginnt am 3. September (aber leider gleich mit dieser ungeliebten „La Traviata“-Inszenierung... ).