TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper
11. Februar 2006

Dirigent: Franz Welser-Möst

 

Isolde - Deborah Polaski
Tristan - Ben Heppner
Brangäne -
Michelle Breedt
Marke - Robert Holl
Kurwenal - Boaz Daniel
Melot - Hans Peter Kammerer
Ein Hirt - Michael Roider
Stimme des Steuermanns - Cosim Ifrim

Steuermann - Marcus Pelz

Wagner-Alltag
(Dominik Troger)

Franz Welser-Mösts „Einspringer-Tristan“ vom 5. September 2003 hat sich seinen Platz in der Staatsoperngeschichte erobert. Aber die besondere Atmosphäre von Einzelereignissen lässt sich nicht reproduzieren. Die Ausgangsbedingungen wechseln – und deshalb war diese Aufführung mit jener nicht vergleichbar.

Im ersten Aufzug lag das Schiffchen noch gut auf Kurs, hüpfte flott über die Meereswogen. Deborah Polaski dominierte die Bühne, sang sich ihren verletzten Stolz und ihren Liebeskummer von der Seele – und Michelle Breedt stand ihr als mitleidende Brangäne bestens zur Seite. Die Scharten, die so viele Jahre verdienstvoller Wagnergesang in Polaskis Stimme hinterlassen hat, sind schwer zu überhören. Doch sie zählt zu den Sängerinnen, die jeder Rolle „Charakter“ geben – und eine im Laufe der Zeit „geformte“ Stimme kann viel für die Darstellung eines Bühnencharakters leisten. Deborah Voigts samtener, geradliniger Sopran blieb als Isolde im Ausdruck doch immer etwas zahm. Bei Polaski spürte man, dass Isolde Tristan gefährlich werden kann, dass stürmisches Blut sie treibt und verletzte Ehre. Tristan-Debütant Ben Heppner trat vorerst kaum in Erscheinung. Aber was er hier an Kraft spart, wird ihm später nicht fehlen – also war es müßig, sich in der ersten Pause darüber den Kopf zu zerbrechen. Und der Dirigent? Der Schluss des ersten Aufzugs war überhitzt. Franz Welser-Möst trieb das Schiffchen sehr stürmisch in den Hafen.

Ab dem zweiten Aufzug verlor der Abend für mich an Dichte. Das lag vor allem an Ben Heppner, der nicht zulegen wollte – oder konnte. Und das lag an Franz Welser-Möst, der aus den Tristan’schen Steigerungen schweißtreibende Gipfelstürmereien machte, zu laut, zu grell, zu orgiastisch. Und so vermisste ich jenes delikate Schaukelspiel von Spannung und Ent-Spannung, jene auf einen vibrierenden Streicherteppich gebettete „Nacht-Natur“, die diesen zweiten Aufzug durchströmt, in der sich Tristan und Isolde finden und (fast) ertrinken im Liebesraunen. So hielt sich, könnte man sagen, Welser-Möst an die bühnengemäße Oberfläche, ohne in die philosophische Nachtseite dieses Werkes hinabzusteigen, ohne die „Weltenferne“ in der Musik zu suchen, die wortlos der unaussprechlichen Liebe dieser beiden Menschen Geborgenheit gibt, eben weil diese Liebe dort unaussprechlich wird.

Im dritten Aufzug wurde es schwierig – denn Heppner verfügte anhörlich wirklich über keine „große“ Stimme, obwohl er sich beim Aneinanderfügen der Tristan’schen Wortfetzen beachtlich ins Zeug schmiss. Der markige Kurwenal von Boaz Daniel klang im Vergleich mit seinem Herrn wie durchs Megaphon gedröhnt. So kam es denn, wie es kommen musste: Heppners Tristan verlor sich im aufgepeitschten musikalischen Brandungsgewitter der Kareol’schen Küste...

Dann traten Polaski und Heppner vor den Vorhang – und ein paar Buhrufe prasselten los wie ein kalte Dusche. Das schmerzte und machte ratlos. Aber es waren wirklich beide gemeint – denn bei den Einzelvorhängen wiederholte sich dieses kleinkarierte Missfallen, auch für den Dirigenten hatte man noch ein paar Buhs aufgespart. Nach einer Schrecksekunde wurde mit starken Bravorufen dagegengehalten. Die Stimmung aber war verflogen.