TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper
16. Mai 2004

Dirigent: Christian Thielemann

 

Isolde - Deborah Voigt
Tristan - Thomas Moser
Brangäne -
Mihoko Fujimura
Marke - Robert Holl
Kurwenal - Peter Weber
Melot - Adrian Eröd
Ein Hirt - Michael Roider
Stimme des Steuermanns - John Dickie

Steuermann - In-Sung Sim


Von der Selbstauslöschung durch die Musik
(Dominik Troger)

Christian Thielemann ist wieder in Wien, um seinen „Tristan“ zu dirigieren. Es wurde eine aufwühlende Vorstellung. Ein zwischen Verzückung und Leere taumelnder zweiter Aufzug war der Kristallisationspunkt des Abends.

Auch Beziehungen müssen reifen. Und dieser „Tristan“ ist in diesem einen Jahr seit der Premiere ohne Zweifel herangereift. Thielemanns egomanisches Styling hat sich verflüssigt, Dirigent und Orchester atmen jetzt gemeinsamer, die interpretative Künstlichkeit ist verschwunden, die Symbiose lebt. Und wenn die Philharmoniker einmal wirklich ihr musikalisches Schatzkästlein aufsperren, dann träufelt die Musik in die offenen Zuhörerohren wie Honig schlaraffenländisch in den Mund, dann firnt der kernige Streicherklang auf wie Maischnee in alpinen Rinnen. Es war vor allem der zweite Aufzug in seiner symphonischen Verdichtung, der den Abend zur Besonderheit machte, zum Erinnerungsstück für alle Opern- und „Tristan“-Enthusiasten.

Da wogte die Liebesnacht ihrem tragischen Ende entgegen, glitt über im Mondlicht flimmernde spiegelglatte Seen, über funkelnde Streicherfontänen, die aufsprangen da und dort, wie silbernperlendes Quellwasser, umrahmt vom Brangänes Warnrufen, ehe die gewaltige Leere von Markes Schmerz über die von emotionaler Trunkenheit gebrochenen Augen sank. Das toste und flüsterte als ginge es ums Leben, nicht um das irdische, sondern um das „ewige“.

Thielemann lebte die Ekstase und die Philharmoniker webten ihr ein wunderschönes, sehnsüchtig schimmerndes Kleid. Deborah Voigt und Thomas Moser minnten sich innig. Alle sind auf einander eingespielt. Und Thielemann, der findet im zweiten Aufzug die romantische Breite, den wärmenden, zu Herzen gehenden Ton, und er vermag das bis ins Extreme zu steigern. Schon wie da alles hineintaumelt in diese Liebesnacht, angetrieben von einem sinnlichverzehrenden Feuer. Thielemann lässt Orchestereinsätze spielen wie Stromstöße, er lässt die Musik aufzischen, er beschwört ein naturhaftes Raunen, dass pianissimo bis in die hintersten Logenwinkel kriecht. Von diesem zweiten Aufzug in Bann geschlagen fällt die Beurteilung des ersten und des dritten Aufzugs nüchterner aus, was aber auch den Gegebenheiten dieses Abends entspricht.

Deborah Voigt hatte die ersten beiden Vorstellungen dieser Reprise abgesagt, in der dritten kehrte sie als Isolde auf die Staatsopernbühne zurück. Sie schien mir diesmal nicht so gut disponiert. Das Flackern ihrer Stimme war stärker und trübte auch den Liebestod, ließ die höchste Lust nicht so eben und verhauchend himmelanschweben wie erhofft. Diesen Abend war ich wieder stärker der Meinung, dass sich Voigt die Isolde zu teuer erkauft. Dabei ist man als Zuhörer in der Zwickmühle. Denn zweifelsohne kommt sie mit sicherer Höhe über das Orchester und ihre Stimme ist von einer natürlichen Noblesse, die einer Königstochter sehr gut ansteht. Thomas Moser findet schon zu fast metallischen Höhen, präsentierte sich an diesem Abend in sehr guter Verfassung. Im dritten Aufzug wurde er wieder ein wenig Opfer von Thielemann, der hier das Orchester in der Lautstärke nicht so zügelte wie beispielsweise Welser-Möst bei seinem „Einspringer-Tristan“ im September. Moser bringt in den „Tristan“ viel von seiner lyrischen Gesangeskultur ein. „Brüllen“ ist ihm fremd. Zwar ist er kein Heldentenor par excellence, aber er siegt an gelungenen Abenden dank seiner klugen Ressourceneinteilung und seinem Vermögen, dem, was er singt, auch einen Sinn zu geben.

Robert Holls Marke klang befreiter und anteilnehmender als in früheren Vorstellungen. Aber er wird in dieser Produktion immer ein lächerlichen Hahnrei bleiben, ein Opfer der trostlosen Inszenierung. Mihoko Fujimura singt die Brangäne richtig wagnerisch, manchmal schlägt allerdings gar nicht so edles Metall durch. Die übrige Besetzung war standfest und den Aufgaben gewachsen.

Thielemann wurde vor jedem Aufzug stürmisch bejubelt, kurz, aber heftig. Auch der Schlussapplaus nahm teilweise heftige Ausmaße an, obwohl der Stehplatz gar nicht so voll war, wie man es sich hätte erwarten dürfen.