TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper
Premiere
25.Mai 2003

Dirigent: Christian Thielemann

Inszenierung: Günter Krämer
Bühnenbild: Gisbert Jäkel
Kostüme: Falk Bauer
Chorleitung: Ernst Dunshirn

Isolde - Deborah Voigt
Tristan - Thomas Moser
Brangäne - Petra Lang
Marke - Robert Holl
Kurwenal - Peter Weber
Melot - Markus Nieminen
Ein Hirt - Michael Roider
Stimme des Steuermanns - John Dickie

Steuermann - In-Sung Sim


Augen zu, Ohren auf!
(Dominik Troger)

Isolde: Sind's deiner Seufzer Wehen,
die mir die Szene blähen?
Günter Krämer (zum Publikum gewandt): Herab von der Warte,
müßige Gaffer!
Publikum (aufgebracht): Tod und Hölle!
(Vorhang)

Man könnte Regisseur Günter Krämer jetzt natürlich mit Zynismen teeren und federn und ihn fragen, mit wieviel Akribie er an der Sitzposition von Tristan im dritten Aufzug gefeilt hat. Doch der Reihe nach!

Wir befinden uns im 19. Jahrhundert und bewundern eine Art von Dampfschiff, offenbar mit Segelunterstützung (die Matrosen singen zumindest davon). Rechts und links kann man hinter großen rechteckigen Raumteilern die Maschinen sehen, wie sie sich drehen. (Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass das Verschieben der Raumteiler störende Nebengeräusche verursacht.) Isolde ist mehr oder weniger verzweifelt. Ein schwarzes Kleid mit langer Schleppe. Eine Ritterrüstung sitzt auf einem Sessel, Isolde wird sie umstoßen, genauso wie einen stilisierten filigranen Tisch. Dann wird der Tisch mit einem weißen Tischtuch gedeckt, wie das in gutbürgerlichen Haushalten so üblich ist. Zwei Gläser werden gefüllt. Tristan kommt. Isolde fuchtelt ein wenig mit dem Schwert herum. Ein Schwert? Naja, auf so was Antikes steht man in gutbürgerlichen Haushalten. Brangäne tauscht in dramatischer Attitüde Isoldens Todestrank gerade noch rechtzeitig mit dem Liebesmix aus, und fällt dabei quer über den Tisch. Rote Scheinwerfer flammen auf und treffen das Publikum. "Emergency!!!". Schließlich ist der Hafen nah. Während Isolde und Tristan voll Inbrunst entbrennen, ohne sich dabei aber wirklich näher zu kommen, tauchen ein paar Männer mit Zylinderhüten auf. Das Empfangskomitee ist eingetroffen. Der ganze Schluss des ersten Aufzugs, von Wagner tollkühn berechnet, verpufft wirkungslos.

Im zweiten Aufzug ist der Bühnenraum weitgehend leer, abgegrenzt von Raumteilern aus dem ersten Aufzug. Im Vordergrund ein antikisierender Säulenstumpf, auf dem ein Projektor steht. Der Projektor wirft Meeresgewoge an den rechten hinteren Bühnenrand. Der Marmorkopf, den die Säule einst getragen hat, lehnt an ihrem Fuße. Melot schlägt ein Rad, tändelt mit Isolde und geistert dann, das Liebespaar belauschend, umher. Die Rüstung ist wieder da und dient als mittelalterlicher Bunsenbrenner bzw. als Beleuchtung. Isolde wird dann wagemutig mit ihrem Kleid die zwischen Scharnieren hervorzüngelnden Flammen ersticken. Da kommt Spannung auf: verbrennt sie sich dabei oder nicht? Tristan und Isolde finden sich – und dann wird es düster, zum Glück. Doch nein, es fällt seltsamerweise ein Zwischenvorhang! Wenn er sich öffnet, stehen die beiden Liebenden brav zum Duett vereint. Hinter ihnen wachsen drei schlanke, stilisierte irische Koniferen in die Höhe (oder es handelt sich dabei um kultivierten Wacholder, eine Frage, die ein Botaniker klären müsste - oder ein Schnapsfabrikant). Tristan und Isolde stehen und singen. Brangäne mahnt irgendwo aus dem Hintergrund, sie ist so weit entfernt platziert, dass man sie möglichst wenig hören kann. Wieder fällt ein Zwischenvorhang. Tristan und Isolde schreiten getrennt rechts und links an den äußersten Rand der Bühnenrampe. Dann Taschenlampengeblitze. Das schändliche Liebespaar wird ertappt! König Marke, gutbürgerlich gekleidet, zu einem "Wesendock" verkümmert, fällt dem Inszenierungskonzept völlig zum Opfer; schwach und unglaubwürdig erleidet er einen Herzanfall (?) und muss von Tristan gelabt werden. Tristan benutzt Melot als Schwerthalter für einen Harakiri-Versuch. (Vielleicht hat Marke aber auch Tuberkulose, er tut immer so mit einem weißen Taschentuch herum, oder Asthma? Aber ich glaube nicht, dass die Klärung dieser Frage von besonderer Bedeutung ist.)

Im dritten Aufzug sitzt Tristan meistens auf einem Sessel, einmal wirft er sich aus Schmerzaufwallung auf den Boden und bedeckt sein Haupt mit einem großen roten Isolden-Tuch. Er liegt auch eine Zeitlang auf diesem ominösen Tisch. Schließlich sitzt er tot auf dem Sessel, den Rücken zum Publikum gewandt. Der Auftritt Isoldens wird nicht gezeigt. Schwarzer Zwischenvorhang. Plötzlich sitzt Isolde Tristan gegenüber, sie darf ins Publikum schauen. Der Tisch trennt die beiden. Ein läppisches Handgemenge entleibt Melot und Kurwenal. Erst ganz am Schluss, im Liebestod, steht Isolde auf und darf Tristan berühren. Vorher versinken Brangäne und Marke aber noch im Bühnenuntergrund. Das ist inszenatorisch besonders raffiniert gelöst, weil sich die Bühnenhydraulik mit dezentleisem Zischen in die zarten melodiösen Anfänge des Liebestodes mischt. Isolde stirbt stehend, indem sie sich eine Hand vor die Augen legt. Mit der anderen hat sie Tristans Stirn berührt. Ein statuarisches Schlussbild voll sublimer Metaphorik. Das war's. Ja, war's das?

Das Publikum reagierte ziemlich wütend. Das Fehlen jeglicher szenischen und gedanklichen Vision, war frappierend. Keine Idee, über die man sich wenigstens hätte ereifern können. Keine visuelle Akzentsetzung. Keine szenische Führung der Personen zur dramatischen Stützung. Krämer und sein Team griffen tief in längst verstaubte Mottenkisten postmoderner Versatzstücke. Und alleine, dass wieder das 19. Jahrhunderte bemüht wird, zeugt von einer derartigen Einfallslosigkeit, dass man es fasst schon als Frechheit empfinden muss. Der Erkenntniseffekt dieser Inszenierungs-Manie ist inzwischen nämlich gleich Null.

Nachdem dieser Punkt abgehakt wäre, zum musikalischen Teil. Der Tristan ist natürlich ein absolut verrücktes Werk. Für die beiden Hauptdarsteller ist das wie eine Mount Everest-Besteigung ohne Sauerstoffflasche. Nun, Thomas Moser hätte eine solche vielleicht nicht schaden können. Moser sang einen „lyrischen“ Tristan – und in dieser Charakteristik steckt schon janusköpfig die ganze Doppeldeutigkeit seines Bemühens. Man wird ihm eine gewisse Bewunderung nicht versagen können, dass er letztlich doch oben, am Everest, angekommen ist, dank einer äußerst ökonomischen Krafteinteilung. Zwar geriet er im dritten Aufzug teilweise erbarmungslos unter die vom „Everest“ herabstürzenden Orchesterlawinen: aber er kämpfte, er siegte, und ob solch gewaltiger Anstrengung verwundert es nicht, dass er mit schlampig umgebundener Krawatte, insgesamt den Eindruck eines etwas verwahrlosten Borderliners machte. (Aber das ist die Regie, dafür kann er nichts.) So zieht denn der Zuhörer den Hut vor seiner Leistung und fragt sich trotzdem, ob er mit diesem Tristan zufrieden sein kann.

Deborah Voigt gebührt die Gesangeskrone des Abends. Ihr Debüt als Isolde ist gelungen. Wohin sie der Weg zu everestischen Höhen hochdramatischer Sopranehren aber führen wird, bleibt ungewiss. Sie muss sich gegenwärtig sein, dass sie viel von der klanglichen Besonderheit ihrer Stimme auf diesem Gebirgspfad einbüßen könnte. Ein gewisses angespanntes Tremolo, das ihre Isolde des öfteren begleitete, schien mir nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass sich ihre Stimme als Isolde besonders wohlfühlt – und deren samtige Klangumhüllung war schon kaum mehr wahrzunehmen. Dieses absolute Ruhen in den Schlusstönen des Liebestodes, es war zu sehr von den Anstrengungen des Gipfelsieges beunruhigt. Eigentlich ist auch Voigt (noch?) keine Isolde.

Dieser Hang zur stimmlichen „Unterbesetzung“ schlug beim Marke von Robert Holl und der Brangäne von Petra Lang voll durch. Holl konnte dem Marke nichts an Akzenten abgewinnen, er litt brav und ziemlich langweilig, mit einem schon etwas abgestumpft klingenden Organ dahin. Petra Lang gab eine Brangäne so ziemlich ohne Persönlichkeit und Charakter. Beide konnten den Ansprüchen, die man bei einer Premiere als Zuhörer wohl haben darf, nicht gerecht werden. Peter Weber schlug sich als Kurwenal einigermaßen ansprechend.

Christian Thielemann wurde schon zu Beginn sehr heftig akklamiert. Das Vorspiel zum ersten Akt war von einer großartigen Eindringlichkeit und Brillanz. Die Zartheit der Streicher, die sich trotzdem nicht in einem ästhetisierenden Nirwana verlor, sondern immer einen festen Kern bewahrte, war von visionärer Klanglichkeit. Die Höhepunkte wusste er mit vibrierender Eleganz anzusteuern, wobei er den transparenten Klang nie auf dem Altar einer pedanten Motivklauberei opferte. Der Gesamteindruck blieb doch homogen, aber gepaart mit der Durchsichtigkeit eines fahlblauen Herbsthimmels. Es könnte sein, dass einem dieses Ätherische, dass er vor allem bei den Violinen bis nahezu unter die Hörbarkeitsgrenze zu treiben wusste, auch schon wieder zuviel des Guten ist. Aber dadurch lassen sich auch atem- und zeitlose Momente erreichen, wie im Liebesduett des zweiten Aufzugs, wenn sich die Musik in der physischen Selbstauflösung der beiden Individuen erging.

Dazu kam, und das war das für mich das wirklich Besondere, eine Art von subkutaner Nervosität, ein Bloßlegen des Tristan'schen Wahnsinns, der wohl Wagner, damals in Venedig, als er voller Liebesschmerzen toll am Tristan schrieb, gepeinigt haben mochte. Diesmal ging von der Tristan-Musik eine Art von unterschwelliger Bedrohung aus, die sich ins Gemüt fraß.

Um das zu verdeutlichen, muss ich hier kurz auf Zubin Metha zurückkommen, der den Tristan einige Male (nicht nur bei der Neueinstudierung 1980) an der Staatsoper dirigiert hat. (Ich weiß schon, nicht alles, was Metha ihn Wien an Wagner dirigiert hat, ist ihm gelungen, aber seinen „Tristan" habe ich immer fulminant gefunden.) Anlässlich einer Aufführung am 5. September 1997 notierte ich überschwenglich: „An diesem Abend jedenfalls gelang wieder einmal die Erlösung unserer unruhigen Seelen durch die Kraft der Musik, und man ist schon dankbar, wenn man im Liebestod wirklich versinken kann, wenn die am Strand von Kareol langsam auslaufenden Orchesterwogen einem den ganzen Alltagssand aus dem Gedächtnis spülen.“ Die Isolde sang damals Gabriele Schnaut, den Tristan John Frederic West. (Beide weitaus mehr dem geforderter SängerInnentypus entspechend als die Besetzung dieses Abends. Aber das ist auch schon bald sechs Jahre her...) Diese „Erlösung“ fand nun diesmal nicht statt. Ich sage nicht, dass das ein Fehler sei, es ist einfach anders gewesen. Bei Metha war es gerade dieser romantische Gestus, bei dem der „Tristan“ zu einer Abfolge sich überlagernder gegen das Gehör brandender Orchesterwogen mutierte, im Vergleich zu Thielemann sicher weniger analytisch, aber sehnsuchtsvoller und desto trotz von eindringlicher Intensität. Thielemann kehrte die verheerende musikalische Psychologie des Werkes nach oben, verbunden mit selten gehörter klanglicher Brillianz, (nahezu) absoluten Ruhepunkten und steilen, nervenzerfetzenden Anstiegen. Metha, das war die Melancholie einer sich nicht erfüllenden Liebe, noch einer romantischen Tradition verbunden, der man sich hingeben konnte. Thielemann verleugnete diese Tradition nicht, aber er goss sie um, in eine mehr „realistische“, sprödere Gestalt: Thielemanns Tristan ist nicht zum Träumen, er möchte einen den ganzen Wahnsinn spüren lassen. Und das ist ihm auch gelungen. Ich habe ziemlich schlecht geschlafen in der Nacht nach dieser Premiere.

Leider fielen gewisse Unsicherheiten bei den Bläsern auf, die Hirtenweise des Englischhorns geriet beim Herannahen von Isoldens Schiffflein in ziemliche „Schräglage“". Das war an der Grenze zu Peinlichkeit.

Die sehr starken Ovationen für die Sänger (Voigt, Moser) sind wohl nur aus der Opposition zum Regieteam erklärbar, das erbarmungslos ausgebuht wurde. Holl bekam ebenfalls deutliche Buhs ab, auch für Lang gab es ein paar dezentere Missfallensäußerungen. Thielemann wurde gehuldigt, mit einer auch an der Staatsoper selten erreichten Intensität.

Der Stehplatz war anscheinend nicht ausverkauft. Entweder war das schöne Wetter daran schuld, die frühe Beginnzeit (16.30h) oder der Stadtmarathon. Als ich um halb Vier zur Oper kam, hechelten noch drei verlorene Läufer den Ring entlang ins Ziel. Kein Wunder, dass man dann nicht mehr in die Oper gehen möchte.

Pressespiegel zur Premiere

Peter Vujica im Standard (26.5.) spricht von einem "desolaten szenischen Outfit" Er findet, man solle dem Tun der beiden Liebenden "diskreterweise nicht allzu genau zuschauen" und meint auch, dass sich erst im dritten Aufzug das musikalische "Wunder" vollzogen habe. Mit Thielemann ist er nur bedingt zufrieden. Vorspiel und ersten Akt hat er als "emotionsleeres Gelände" empfunden mit "ausgiebig zelebrierten Generalpausen".

Für Wilhelm Sinkovicz in der Presse (27.5.) bescherte ihm Thielemann "fünf der aufregendsten musikalischen Stunden, die das Haus am Ring in seiner jüngsten Geschichte erlebt hat. (...) Das erzeugt vom ersten Moment an eine an Selbstentäußerung grenzende Lust an der Realisation des Unrealisierbaren". Die Sänger haben für ihn "beachtliche Leistungen" erbracht. Wirklich ins Gericht geht er nur mit Robert Holl, der seinen Monolog in eine "überdimensionerten Liederabend" verwandelt habe. Die Inszenierung ist für ihn von "beweinenswürdiger Tristesse".

H.G. Pribil spielt in der Wiener Zeitung (27.5.) darauf an, dass diese Premiere Marcel Prawy gewidmet war. Man hatte seinen Stammplatz in der rechten Proszeniumloge leergelassen und eine schwarze Stofbahn an der Logenbrüstung angebracht. "Und da habe ich mich gefragt, was wohl Marcellos Meinung über diesen 'Tristan' gewesen wäre..." so Pribil. (Ich denke mir, Prawy hätte wohl das Publikum wieder einmal dazu ermuntert, das Eintrittsgeld zurückzuverlagen ;-) Pribil versucht die Intentionen Krämers nachzuvollziehen: "Tristan als ewig sich sehnende Figur, die unglücklich wäre, wenn ihr Sehen echte Erfüllung fände." Findet dann allerdings, dass sich das zwar ganz gut liest, aber kaum etwas bringt."Mitten in den bühnenbildmäßigen Ungereimtheiten finden auch etliche in der Personenführung statt. Vor allem bedient sich Krämer einer schrecklichen Statik ..." Thielemann hat für ihn "fast mustergültig" dirigiert, die Wiener Philharmoniker verströmten "Goldklang". Aber "Feuer und Ekstasen" vermisst er. Thomas Moser hat "bis zum Schluss sehr tapfer" durchgehalten, Deborah Voigt "sang ihre Isolde so gut wie unangestrengt".

„Wie mit Zauberhänden nahm er jene Klänge aus dem Orchester, die nur dieses zu produzieren im Stande ist“ huldigt Gert Korentschnig im Kurier (27.5.) dem Dirigenten. Mit dem Heldenpaar Moser/Voigt ist er zufrieden. Petra Lang ist für ihn "keine typische Brangäne mit schwerer Stimme, sondern eine klug ausgewählte, sehr feine Besetzung." Günter Krämer hat für ihn "Ideen" und er kann den Prostes "in dieser Heftigkiet" nicht nachvollziehen.

Für Laszlo Molnar in den Salzburger Nachrichten (27.5.) macht Krämer die Täuschung der Liebenden, anschließend an Heiner Müllers Bayreuther Tristaninszenierung von 1993 zum Hauptthema. Allerding sei dazu dem "Regisseur wirklich kein einziger berührender Moment eingefallen". Er kritisiert an Thielemann ein wenig, dass er sich mit dem Orchster zu starke "Autorität" verschafft habe, was den Sängern "oft genüg Mühe" bereitet hätte, sich "Gehör zu verschaffen". Voigt habe ihn durch die "Unerschöpflichkeit ihrer Stimme" beeindruckt, Moser hätte über "Kraft und lyrische Note" zugleich verfügt.

In der Tiroler Tageszeitung (26.5.) liest man: "Müßig all den Unfug aufzuzählen, den sich Krämer da einfallen ließ; am besten dokumentieren seine Hilflosigkeit die immer wieder rettenden Zwischenvorhänge." Was die musikalische Umsetzung betrifft, herrscht, mit einigen dezenten Abstrichen, Zufriedenheit.

In der Neuen Züricher Zeitung (27.5.) schreibt Peter Hagmann betreffend Thielemann: "Immer wieder zielt er auf mächtiges Erhitzen, immer wieder peitscht er die Musik förmlich auf - mit der Folge, das das Orchester oft genug (wenn auch sehr gepflegt) lärmt und dröhnt und sich die Oper zur sinfonischen Dichtung wandelt. (...) Thielemanns Musizieren eignet ein autistsicher Zug; das ist angesichts der enormen Begabung dieses Dirigenten ganz besonders zu bedauern." Thomas Moser ist für ihn eine Fehlbesetzung. "Moser ist kein genuin heldischer Tenor." Deborah Voigt weiß sich für ihn besser zu behaupten, "doch führt auch hier der vom Graben her aufgebaute Druck schon im ersten Aufzug zu stimmlicher Verfestigung und darstellerischer Unbeweglichkeit". Er nimmt Krämer insoferne in Schutz, als dass er nichts dafür könne, "dass es bei 'Tristan und Isolde' um eine Handlung ohne Handlung geht."

Im Berliner Tagesspiegel schreibt Frederik Hanssen (26.5.) betreffend Thielemann: "Dieser Wagner klingt nie nach der heilen romantischen Welt voll blauer Blumen. Hier strahlt in gleißendem Licht die Moderne aus. (...) Rastlos, ruhelos." Er findet, dass die "Wiener Philharmoniker unter Thielemanns forderndem Dirigat keineswegs um Klassen besser klingen als das Orchester der Deutschen Oper, wenn es von seinem Chef geleitet wird." Krämer sei in Anbetracht physischer Gegebenheiten der Hauptdarsteller nichts anderes übriggeblieben, als so statuarisch zu inszenieren. Die hätte sich aber stimmlich gut geschlagen, er betont die "lyrischen Qualitäten" von Thomas Moser und Voigts "mühelosen Höhen und üppigste Soprantöne". Die "dunklen Seiten" wäre sie hingegen schuldig geblieben.