TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper
10. Jänner 2015

Dirigent: Peter Schneider

Tristan - Peter Seiffert
König Marke - Albert Dohmen
Isolde - Irene Theorin
Kurwenal - Tomasz Konieczny
Melot - Gabriel Bermúdez
Brangäne - Michelle Breedt
Hirt - Carlos Osuna
Stimme des Seemanns - Jason Bridges
Steuermann - Il Hong


Tristan bei Frühlingstemperaturen
(Dominik Troger)

In Wien hatte es an diesem Nachmittag plus (!!) 17 Grad, angefacht von einer stürmischen Westströmung. Davon unbeeindruckt stachen an der Wiener Staatsoper Tristan und Isolde Richtung König Marke in See und gelangten von den Sturmböen unbehelligt ans Ziel.

Die Inszenierung von David McVicar mit ihren „Japonismen“ stammt zwar aus Tokio, aber nach dem neuen Müllsack-„Rigoletto“ lasse ich mir diese nach Wien verpflanzte Produktion gerne gefallen, auch wenn optisch von der grünenden Natur der britannischen Inseln nichts zu bemerken ist. Zugegeben, im „Tristan“ wird so oft von der „Nacht“ gesungen, dass es nicht falsch sein kann, wenn dunkle Farben dominieren. Im ersten Aufzug wird der Schauplatz durch ein schiffartiges Floß, das sich sogar bewegen kann, ausreichend gekennzeichnet, im zweiten Aufzug sieht das Publikum eine Hafenanlage angedeutet, mit Kai und einer Art Leuchtturm, im dritten eine felsenkarge Insel, auf der glücklicher Weise ein großer schwarzer Stuhl angeschwemmt wurde, der sogar einem so hünenhaften Sänger, wie Peter Seiffert es ist, ausreichend Platz bietet.

Peter Seiffert war dann auch das eigentliche Ereignis dieses Abends. Körperliche Ausdauer, sein heroisch gesättigtes, aber nach wie vor mit einem leichten Schmelz umflortes Timbre, heldische Durchschlagskraft, ausgefeilte Diktion, das vorherrschende Bemühen, um das Nachvollziehen von Wagners „unmenschlichen“ Vorgaben, und seine einnehmende, auf Übertreibungen verzichtende Bühnenpräsenz ergaben ein überzeugendes Gesamtpaket, das an diesem Abend von einem packenden dritten Aufzug gekrönt wurde. Immer um klaren Ausdruck bemüht zeichnete er Tristans Fiebertaumel mit kalkuliertem Mut zum Risiko, vermittelte er der gebannten Zuhörerschaft diese unermessliche Isolden-Sehnsucht, die größer als Todesqual, das Sterben solange hinauszögert, bis die Liebenden wieder vereint sind.

Tomasz Konieczny, erstmals in Wien als Kurwenal zu hören, stand diesem Tristan einsatzfreudig zur Seite, und wusste seinen Bariton einmal mehr mit greller Markigkeit raumfüllend einzusetzen. Konieczny ist stimmlich an diesem Abend wieder stärker in Alberichs Gehege gewandelt, stellte sich aber mit aufopfernder Kampfeslust und Herrensorge in Tristans Dienste.

Die Damenriege konnte diesmal an gesanglicher Güte mit den Herren nicht mithalten. Michelle Breedt die unlängst im Theater an der Wien als charakterstarke Clytemnestre in Glucks „Iphigene en Aulide“ überzeugt hat, war für Petra Lang als Brangäne eingesprungen. Breedt hat diese Partie schon in Wien gesungen, allerdings noch nicht in dieser Produktion. Ihre Stimme ist in den letzten Jahren deutlich „spröder“ geworden, was auch an diesem Abend zu hören war.

Iréne Theorin war den Wiener Wagnerfans als stimmlich wenig verführerische Venus noch in frischer Erinnerung („Tannhäuser“ Oktober/November 2014). Sie hatte bei ihrem Wiener Isolden-Debüt ihre Stimme besser unter Kontrolle – eine Stimme, die allerdings nach wie vor zum Flackern neigte, zu etwas „unrunden“, forcierten Spitzentönen und je nach Lage (in der Tiefe schwächelnd) unterschiedlich gut hörbar war. Den Liebestod malte sie wie ein Aquarell, im Klang seltsam durchscheinend, von den Orchesterwogen immer wieder überspült und gleichsam ins Meer geworfen – ob es sich dabei um stimmliche Ermüdungserscheinungen handelte oder Interpretation, vermag ich nicht zu beurteilen. Theorins Isolde zeigte vor allem im ersten Aufzug im Spiel einen leicht affektierten-hysterischen Zug, am Beginn des zweiten Aufzugs räkelte sie sich in „Tristan-Liebesnacht-Erwartung“ fast schon kokett auf dem Boden: das wirkte auf mich befremdlich.

Albert Dohmen sang einen stimmlich etwas angegrauten Marke, dessen Schicksal mich wenig zu berühren vermochte. Gabriel Bermudez fehlte für den Melot der „Wagner-Biss“, was in Anbetracht des stimmgestählten Kurwenals, dem er gegenüberstand, aber auch wieder nicht verwunderte. Das Orchester unter Peter Schneider sorgte zwar für einige orgiastische Höhepunkte, kreuzte nach meinem Eindruck aber vor allem in den Gewässern gepflegter Routine. Durchgehend hielt der Spannungsbogen erst im dritten Aufzug. Es wurde teilweise (zu) laut gespielt, aber das Orchester wird in den beiden Folgevorstellungen sicher an Subtilität zulegen.

Das Publikum spendet an die 15 Minuten Applaus und natürlich viele Bravorufe – allen voran für Peter Seiffert und Peter Schneider.