TRISTAN UND ISOLDE
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Wiener Staatsoper Dirigent: Peter Schneider |
Tristan - Robert
Dean Smith |
Weihnachtsshopping und „Tristan und Isolde“: Bei einer Beginnzeit von 17.00 Uhr war es gar nicht so einfach, beides „unter einen Hut“ zu bringen. Aber sobald die ersten sehnsuchtsvoll fragenden Takte aus dem Orchestergraben aufstiegen, dachte im Hause ohnehin niemand mehr an Geschenkpackerl für den Heiligen Abend. Die vierte Vorstellung dieser „Tristan und Isolde“-Serie an der Staatsoper war die zwölfte der im Juni präsentierten Neuproduktion – und zugleich die letzte der laufenden Spielzeit. Die Szene präsentierte sich freilich so, als stünde die Inszenierung schon seit vielen Jahren auf dem Spielplan, nur die asiatischen Einsprengsel dieser von Tokio nach Wien transferierten Produktion geben ihr nach wie vor einen Anstrich von Fremdheit, der fast ein wenig skurril wirkt. Ein Tipp: Im Balkonumgang sind immer noch einige Bühnenbildentwürfe von Alfred Roller zu Verdi- und Wagneropern ausgestellt, darunter auch zu „Tristan und Isolde“ (Neuinszenierung 1903). Es lohnt, dort vor der Vorstellung oder in der Pause vorbeizuschauen, und diese Entwürfe sich vor dem inneren Auge dreidimensional und in Bühnengröße zu imaginieren. Roller stellte beispielsweise im dritten Aufzug die von Wagner in der Szenenanweisung geforderte Linde auf die Bühne, die den siechen Tristan beschattet. Daran könnten sich jetzt einige Überlegungen knüpfen: Warum war es Wagner offenbar wichtig, hier eine Linde auf die Bühne zu stellen? Handelt es sich nur um ein dekoratives Element? Welche Symbolkraft könnte darin liegen? Wie ändert sich durch die Darstellung des Baumes der „emotionale Gehalt“ des Bühnenbildes? Jedenfalls sind solche kleinen Zeitreisen in die Vergangenheit immer anregend – und die Staatsoper bietet mit ihren wechselnden Ausstellungen eine sehr gute Gelegenheit, gängige Ausstattungsprinzipien und den inzwischen außerordentlich „konzeptionellen Umgang“ mit der Kunstgattung Oper zu hinterfragen. Der Abend begann mit einer Ansage: Violeta Urmana leide unter einer beginnenden Erkältung. Urmana hat die Isolde schon in Wien gesungen – vor vier Jahren sogar mit demselben Tristan: Robert Dean Smith. Der damals gewonnene Eindruck hat sich im Wesentlichen bestätigt: ein sehr gut durchgestaltetes Rollenporträt, in Summe aber von der Stimmsubstanz wohl zu wenig „dramatisch“. Die Spitzentöne wurden von ihr schon damals mit Vorsicht behandelt – und an diesem Abend klangen sie durchwegs scharf und angestrengt. Robert Dean Smith sang einen für meinen Geschmack zu lyrischen und schon sehr hell timbrierten Tristan, bei dem der möglichst ökonomische Einsatz der Stimmmittel im Vordergrund zu stehen schien. Sein Tristan war deshalb mehr in den ruhigeren Passagen präsent: kein mitreißend gemaltes Heldenepos, sondern ein zwar nuanciertes, aber etwas luzid und energiearm wirkendes Tristan-„Aquarell“. Elisabeth Kulman gab in dieser Aufführungsserie als Brangäne ihr Rollendebüt. Vielleicht ist ihre Stimme für die Partie noch um ein paar Gramm zu „leicht“, aber ihr gelangen klangschön warnende Rufe im zweiten Aufzug, und sie vermittelte im ersten Aufzug menschliche Wärme und Anteilnahme. Kulmans knappenhaft schlankes Erscheinungsbild wirkte zudem modern und würde auch in einem darstellerisch anspruchsvolleren Bühnensetting sehr gute Figur machen. Albert Dohmen sang einen etwas trocken timbrierten Marke: mehr hintergangener „Bürger" als bassstrotzender, mythischer König. Matthias Goerne (Kurwenal) war mir von der Art seines liedbezogenen Singens aus beurteilt und wegen seines etwas hohlwangig raumgreifenden Baritons zu wenig der kernige „Recke". Mit Clemens Unterreiner war der Melot geradezu luxuriös besetzt. Die übrige Besetzung war solide. Ganz wesentlichen Anteil am Erfolg des Abends hatte das Orchester unter Peter Schneider, der den beständigen Strom dieser Musik in einem natürlichen, organisch seinen Mäandern folgendem Bett hielt, weder in der Dynamik noch im Tempo überspannend. Außerdem blieb dem Klang seine Wärme erhalten, der „Tristans“ Nachtwelt gleichsam von innen heraus zu erleuchten vermochte. Und im Liebestod durfte der Abend ausklingen und ausschwingen, durfte er noch einmal zu einem breiten orchestralen Seufzer aufgischten, ehe er in den letzten Takten sich sehnsüchtig ausatmend verlor in einem tonlosen „Nichts“. Es sind vor allem Dirigenten der älteren Generation, die dafür noch ein Gespür haben. Der Schlussapplaus dauerte um die zehn Minuten lang. |