Von der Transsubstantiation
(Dominik Troger)
Während die Violinen durch
das Vorspiel unglaublich zarte Liebesbande wanden, hoffte man schon
auf die Erfüllung dieses eigentlich unerfüllbaren Tristan-Traumes. Denn
was Wagner anno dazumal in schweizer-venezianischem Liebesschmerz auf
das Notenpapier gebannt hat, ist ja wirklich schon von einem geradezu
übermenschlichem Anspruch. Nun stand mit Semyon Bychkow auch
ein Dirigent am Pult, dem man die Transsubstantiation dieser ekstatischen
Leidenschaft schon zutrauen durfte. Es wogte dann über das Vorspiel
auch wirklich gleich stürmisch weiter mit Isoldens, Waltraud Meiers,
ersten liebesehnsuchtschmerzverzehrenden Ausbrüchen. Aber dann schien
die See plötzlich geglättet und erst als der Hafen mit König Marke in
Sicht kam, schlug einem dieser Tristan wieder über dem Kopf zusammen.
Und so blieb es in Folge, ein im Detail sehr schön musiziertes Erlebnis,
dass man nie und nimmer hätte missen wollen, das aber zugleich den Appetit
auf die vollkommene Augenblicksvernichtung durch die Musik nicht zu
stillen vermochte.
Seltsam, dass mir nach wie vor Zubin Metha als der begnadetere
Tristan-Dirigent erscheint, dies umso mehr, weil er sonst bei Wagner
oft keine so glückliche Hand bewiesen hat. Aber Metha, der ja
für die letzte Aufführungsserie im 97er Jahre verantwortlich zeichnete,
hat in diesem Falle jedenfalls mehr inneres Gespür für die so gern zitierten
großen Bögen, für das Auf- und Abwogen dieser Musik, das einmal ganz
unabhängig von den jeweiligen Gefühlsausbrüchen der Protagonisten zu
betrachten ist.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass Bychkow letztlich doch
zuviel Rücksicht darauf nehmen musste, dass sowohl Meier als
auch Gösta Winbergh, ihrem ureigensten Stimmcharakter nach, keine
Isolde und kein Tristan sind. Winbergh ist kein Heldentenor.
Da fährt, wie man so sagt, die Eisenbahn drüber. Und auch wenn er so
manchen Heldentenor in seiner Darstellung und gesanglichen Ausdruckskraft
hinter sich ließ, so blieb dieses eine Manko doch immer hörbar und gerade
in einem so großen Haus, wie der Staatsoper, beständig präsent. Für
Waltraud Meier, die man ja auch nicht als hochdramatischen Heldensopran
bezeichnen kann, gilt, - wenn auch eingeschränkt - ähnliches. Aber ihre
unnachamliche intensive Rollengestaltung lässt einen gerne über die
wenigen Stellen hinweghören, wo eben urgierte Qualitäten gefragt sind.
Ob es allerdings langfristig ihrer Stimme gut tut, sich ohne Netz in
solchen Partien zu verausgaben, mag stark bezweifelt werden. Einzig
bei Matti Salminen als Marke trafen sich alle Wünsche in jener
Perfektion, die man als Sternstunde bezeichnen darf und von der man
wieder viele Jahre zu zehren hat. Mihoko
Fujimura bot
eine solide Brangäne. Geert
Smits (Melot) fiel
ebenfalls positiv auf, während Peter Webers Kurwenal noch
einiges an Feinschliff braucht..
Damit aber kein falscher Eindruck entsteht: Diese Aufführung war wirklich
großartig, aber es fehlte dieser letzte Kick, um die Zuhörer in jene
Außerzeitlichkeit zu befördern, wo ihre eigene Existenz im wogenden
Klangraum zu mystischer Extase fähig wird. Und wem das als zu hochgestochen
erscheint: Was ist Isoldes Liebestod anderes als die Überwindung des
Daseins im Nirwana der absoluten Liebe?