TANNHÄUSER
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Wiener Staatsoper
26. Oktober 2014

Dirigent: Peter Schneider

Hermann, Landgraf von Thüringen - Kwangchul Youn
Tannhäuser - Stephen Gould
Wolfram von Eschenbach - Christian Gerhaher
Walter von der Vogelweide - Norbert Ernst
Biterolf - Sorin Coliban
Heinrich der Schreiber - James Kryshak
Reinmar von Zweter - Dan Paul Dumitrescu
Elisabeth, Nichte des Landgrafen - Camilla Nylund
Venus - Iréne Theorin
Ein junger Hirt - Annika Gerhards


Tannhäuser am Nationalfeiertag
(Dominik Troger)

In der zweiten „Tannhäuser“-Vorstellung der laufenden Aufführungsserie an der Wiener Staatsoper sprang Stephen Gould für den erkrankten Robert Dean Smith ein. Gould hat die Partie schon in Wien gesungen – und an die fragwürdige Inszenierung von Claus Guth hat er sich sicher noch erinnert.

Es gibt Produktionen, an die gewöhnt man sich im Laufe der Jahre – und es gibt Produktionen, denen begegnet man von Aufführungsserie zu Aufführungsserie mit größerer Befremdlichkeit. Dieser seltsame Guth’sche „Tannhäuser“ gehört in die zweite Kategorie. Der Versuch, die Wartburg nach Wien zu verpflanzen und bei Siegmund Freud und Arthur Schnitzler anzudocken, verfremdet die Oper derart, dass sogar Wagners Musik immer wieder ganz woanders hinzielt, als das Geschehen auf der Bühne. Der Einzug der Gäste zum Sängerfest – der szenisch nicht stattfindet – ist das offensichtlichste Beispiel dieser szenischen Themaverfehlung – und der spastisch zuckende Pilgerchor in einer Irrenanstalt das lächerlichste.

Das ärgerlichste aber ist die „Verneurotisierung“ des Wolfram, die in der Premierenbesetzung des Christian Gerhaher einen willfährigen Mitstreiter fand. Und Christian Gerhaher hat auch an diesem Abend diese verfehlte Charakterstudie nuancenreich gespielt und wortdeutlich gesungen. Dieser Wolfram ist ein kümmerlicher Mensch, der sich oft in überakzentuierten, zu liedhaften Phrasen ausdrückt, die das poetisch-romantische Feingefühl, das dieser Figur ansteht, ins Krankhafte verzerren. Abgesehen von seiner ganz der Regie verpflichteten, großartigen Rollengestaltung besitzt Gerhahers Bariton im Timbre keine „Ritteraura“, klingt eher schlank, und für meinen Geschmack deutlich charakterorientiert. Sie scheint mehr ein Produkt des Konzertsaals zu sein, als der Opernbühne.

Stephen Gould passte mit seiner eher „unbekümmerten“ Herangehensweise nicht so recht in dieses „Konzept“ – aber mit seinem kraftvollen Tenor hatte er keine Probleme, den Abend stimmlich zu dominieren. Im Venusberg ging es Gould noch vorsichtiger an, aber sonst hat einmal mehr überrascht, wie locker Gould diese Partie nach wie vor von der Kehle geht – denn seine letzten Wiener Tannhäuser-Auftritte liegen auch schon wieder drei Jahre zurück. Da gibt es kaum ein störendes Schwingen, die Stimme sitzt fest, und diese leichte honigweiche Abrundung im Timbre hat sich trotz Goulds langjährigem heldentenoralem Einsatz immer noch bewahrt. Nur bei Spitzentönen war Gould etwas limitiert, weil ihm „ganz oben“ der Ton nicht „aufging“ und er ihn mit Kraft erringen und erhalten musste. Darstellerisch durfte von Gould keine Charakterstudie erwartet werden, diesbezüglich hat Gerhaher die Latte an diesem Abend außerdem sehr hoch gelegt.

Gar nicht so spurlos sind die drei Jahre seit ihrem Rollendebüt am Haus als Venus an Iréne Theorien vorübergegangen, die mit ihrer flackrigen und in der Höhe scharfen und in der Tiefe nur mehr leisen Stimme kaum erotische Begehrlichkeiten weckte. Camilla Nylund hat nach der Elsa in dieser „Tannhäuser“-Serie am Haus als Elisabeth debütiert. Ihr Sopran klang wieder etwas unstet und fand nicht zu der klaren, silbrigüberhauchten Ausgewogenheit, mit der sie zum Beispiel vor einigen Jahren in Wien als Arabella oder Ariadne reüssiert hat. Kwangchul Youn hat mit seinem Hermann nicht ganz an seinen Gurnemanz vom Vorjahr anschließen können, sein Bass klang etwas rau an diesem Abend.

Zu Sorin Coliban passt der Biterolf besser als der Landgraf – und dass der bis dahin eher „laue“ Sängerkrieg etwas an Fahrt aufnahm, war Biterolf zu verdanken, der heißblütig Tannhäuser zum Kampf herausforderte. Norbert Ernst steuerte eine guten, aber nicht sehr kampfeslüsternen Walther bei. Dan Paul Dumitrescu als Reinmar von Zweter auf die Bühne zu schicken, ist ein Luxus. Neben James Kryshak als Heinrich der Schreiber müssen noch Annika Gerhards erwähnt werden, ein Hirte mit passender junger Sopranstimme, und der beeindruckende Chor.

Die im Tempo getragene Herangehensweise von Peter Schneider am Pult hatte Vor- und Nachteile. Schon in der Ouvertüre hat Schneider den „Venusberg“ ohne „Überhitzung“ präsentiert, mehr nach dem gemessenen Pilgermotiv des Beginns ausgerichtet. Der Eindruck der Ouvertüre war trotzdem ein prächtiger, von den im Klang leicht angedunkelten Streichern und dem strahlenden Blech herrlich in Form gebracht. Insgesamt wurde der Zuspitzung des dramatischen Effektes aber weniger gepflogen, vor allem der zweiten Akt vermochte mich kaum zu fesseln. Das Orchester lieferte mehr eine schön ausstaffierte Bordüre, die das Drama Tannhäusers wie ein Schmuckband umrahmte. Aber es tat gut, diese Musik wieder einmal so zu hören, ganz ohne aufpolierten „neurotischen Modernismus“, gleichsam nur sich selbst verpflichtet in einem wohlabgemessenen Dahinströmen.

Nachher gab es viele Bravorufe, nur die Venus wurde deutlich weniger mit Beifall beglückt. Der Applaus dauerte aber keine zehn Minuten lang.