TANNHÄUSER
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Wiener Staatsoper
25.3.2012

Dirigent: Bertrand de Billy

Hermann, Landgraf von Thüringen - Sorin Coliban
Tannhäuser - Peter Seiffert
Wolfram von Eschenbach - Ludovic Tézier
Walter von der Vogelweide - Norbert Ernst
Biterolf - Lars Woldt
Heinrich der Schreiber - Peter Jelosits
Reinmar von Zweter - Il Hong
Elisabeth, Nichte des Landgrafen - Petra Maria Schnitzer
Venus - Iréne Theorin
Ein junger Hirt - Valentina Nafornita
Vier Edelknaben - Renate Gutsch, Arina Holecek,
Regina Knauer, Jozefina Monarcha


Kraftvoller Tannhäuser
(Dominik Troger)

Nach Johan Botha und Stephen Gould hat sich jetzt auch Peter Seiffert dem Wiener Staatsopernpublikum als Tannhäuser präsentiert. Auf die letzte von insgesamt drei Vorstellungen – die 14. Aufführung in der konzeptuellen Regie von Claus Guth – beziehen sich die nachstehenden Anmerkungen.

Zum Glück hat man sogar im Venusberg die Sommerzeitumstellung mitbekommen, denn die Vorstellung bekannt pünktlich und Tannhäuser marschierte unruhig mit seinem Koffer auf und ab, so als würde er befürchten, einen Zug zu versäumen. Der Statist, der seinen Doppelgänger mimte, wirkte gegenüber Peter Seifferts imposanter Statur ein bisserl „schmalgepickt“. Die daraus resultierende „perspektivische Verzerrung“ war zu deutlich, um hier unerwähnt zu bleiben. Aber weil man nach mehrmaligem Besuch dieser neuen „Tannhäuser“-Produktion glücklicher Weise gelernt hat, die Szene zu verdrängen, kein Wort mehr davon.

Dafür durfte man mit zunehmender Begeisterung dem Seiffert’schen Wagnergesang folgen. Seiffert sang wahrlich kraftvoll – vom Anfang bis zum Schluss! – manchmal vielleicht schon eine Spur zu laut, und er klang dabei meist recht locker, so als hätte er in Wagners Musik den passenden Sparringpartner gefunden. Auch das gefürchtete „Erbarmdichmein“-Flehen brachte ihn nicht zum Verzagen. Hin und wieder schlich sich ein langwelliges Schwingen ein, blieb aber punktuell und war nicht störend. In der Romerzählung schließlich erreichte Seifferts Rollengestaltung ihren Höhepunkt und man meinte die heuchlerische Miene des Papstes leibhaftig vor sich zu sehen.

Vielleicht ist es seine Fähigkeit, die richtige Mischung zwischen Emotion und Pathos zu finden, die Seifferts Besonderheit ausmacht. Sein Tenor bietet ein festes Balkenwerk, über das sogar ein Tannhäuser schreiten kann, ohne ins Schwanken zu kommen. Johan Bothas Stimme war für die Partie meiner Meinung nach eine Spur zu leichtgewichtig gezimmert, aber dafür ist er möglicherweise Wagner am „getreuesten“ durch die Partitur gefolgt – und Stephen Goulds stimmlich imposant „gebauter“ Tannhäuser verlor im Vergleich gegenüber Seiffert in zwei Punkten: seine Stimme klang eine Spur dunkler, und er wirkte auf mich im Ausdruck noch recht jugendlich und unbekümmert. Dieses Tannhäuser’sche-„Weltschmerzgefühl“, diese quälende „romantische“ Sehnsucht, sie hat Seiffert für meinen Geschmack am besten getroffen. (Um zu verstehen, was ich meine, dazu müsste man sich einmal Novalis vornehmen, und nicht Schnitzler, den seltsamer Weise Claus Guth für seine Inszenierung konsultiert hat.) Fazit: Viele Jahre lang wurde die Rolle des Tannhäusers in Wien eher unzureichend besetzt, aber in den letzten zwei Jahren wurde man hier wirklich verwöhnt.

Petra Maria Schnitzer tat sich mit der Hallenarie noch ein bisschen schwer, so blieb das Losjubeln etwas verhalten und kontrolliert. Eigentlicher Höhepunkt war das Gebet im dritten Aufzug, sehr schön und innig gesungen, gefasst und doch von diesem tiefen, unergründlichen Leid getragen – in dem Elisabeth dem Tannhäuser gleichsam schwesterlich verbunden ist. Das Timbre ihres Soprans besitzt zumindest eine Ahnung von diesen mädchenfrischen, erlösungshungrigen Liebestönen, die vielen Frauengestalten Wagners erst ihren ganzen Charme verleihen.

Insofern tat es gut (ohne „h“!), dass der Wolfram von Ludovic Tézier mit männlicherem Bariton agierte – nicht mehr so neurotisch verhalten und auf Liedgesang getrimmt wie Christian Gerhaher in der Premiere. Auch Matthias Goerne hat mir einen (zu) stark vom Liedgesang geprägten Wolfram präsentiert. Im Sängerkrieg wurde Wolfram vom sich mächtig ins Zeug legenden Lars Woldt sekundiert, der den kurzen Soloauftritt des Biterolf nur zu seinem Besten nützte. Norbert Ernst reüssierte als etwas trockener Walther. Der jugendliche Landgraf von Sorin Coliban war passend im Ausdruck, aber sein Bass müsste sich für Wagner vielleicht noch etwas „festigen“ und „kerniger“ werden. Die Venus von Iréne Theorin litt unter einer stark flackernden Stimme und grellen Höhen. Und was den Hirten betrifft – die Stimme von Valentina Nafornita wirkte auf mich unruhig und nervös. Vielleicht war sie das Opfer, das die Sommerzeitumstellung gefordert hat? Der Pilgerchor erklang für meinen Geschmack zu spannungslos.

Beeindruckend spielte das Orchester unter Bertrand de Billy. Der Klang schien eine Spur dunkler als unter Franz Welser-Möst – und auch wenn de Billy stellenweise in der Lautstärke dem Generalmusikdirektor um nichts nachstand, er fand zu einem „romantischeren“ Spiel. Der Schlussapplaus dauerte rund acht Minuten.