TANNHÄUSER
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Wiener Staatsoper
30.5.2002

Dirigent: Leopold Hager

Hermann, Landgraf von Thüringen - Robert Holl
Tannhäuser - John Frederic West
Wolfram von Eschenbach - Geert Smits
Walter von der Vogelweide - John Dickie
Biterolf - Boaz Daniel
Heinrich der Schreiber - Peter Jelosits
Reinmar von Zweter - Goran Simic
Elisabeth, Nichte des Landgrafen - Ricarda Merbeth
Venus - Nadja Michael
Ein junger Hirt - Cornelia Salje

Mäßig, mäßig...
(Dominik Troger)

Es gibt Vorstellungen, die nie so richtig in Schwung kommen. Dabei lähmte an diesem Fronleichnamstage doch gar keine frühsommerliche Hitze die musikalische Prachtentfaltung.

Schon zu Beginn war Tannhäuser (John Frederic West) mit hörbar angeschlagener Stimme"erwacht" - obwohl er in dieser Inszenierung das ganze Bacchanal lang mit der Venus kuscheln darf. Man ahnte Schlimmes. West hatte die erste Aufführung der Serie letzten Sonntag "ausgelassen" und schien einigermaßen indisponiert. Nadja Michael als Venus (anstelle von Deborah Voigt, die als Venus und Elisabeth angesetzt, gleich alle Tannhäuser-Vorstellungen abgesagt hatte) konnte einen leider nicht darüber hinwegtrösten. Was Michael an klangschöner Stimme auch mit dramatischer Höhe zur Verfügung steht, wird von ihr durch einen unkultivierten Gesangsstil wieder zunichte gemacht. Sie oszillierte dementsprechend so dahin, und sorgte sich um Tannhäuser, dem anscheinend der unvermittelt ausgebrochene Freiheitsdrang die Kehle zugeschnürt hatte.

Doch West verzagte nicht, und stemmte sich kraftvoll gegen das drohende Schicksal, um dann ab dem zweiten Aufzug wesentlich befreiter zu klingen. Seine Interpretation ist natürlich schon ziemlich "eigen", seine Stimme ist raumfüllend, aber auch sehr "expressiv". Für gesangliche Nuancen bleibt kaum Platz. West's Art zu singen ist pathetisch, deklamatorisch, ein wenig altertümlich. Und für den Effekt ist er nur allzugerne bereit, den letzten Funken an Musikalität zu opfern. Jedenfalls wird er einmal als der Tannhäuser in die Geschichte eingehen, der sich im Rahmen einer Aufführung am öftesten auf den Boden geworfen hat. Der freundliche Applaus nachher, mit einigen Bravos aufgefettet, zeigte, dass das Publikum in Summe seinen Stil goutierte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich da dazuzählen soll.

Allerdings kam in diesem ersten Aufzuge "Frau Holda" (Cornelia Salje als Hirte) mit sehr schönem Gesange aus "dem Berge hervor", um den Mai zu begrüßen, aber beim folgenden Pilgerchor war es mit den lustigen, angenehm tönenden "Schalmeienklängen" schon wieder vorbei. Da schienen einige Pilger nur ihre "Urlaubsvertretung" auf den Weg nach Rom geschickt zu haben, und auch der Segen des Papstes war hier machtlos, wie man dann im dritten Aufzug zur Kenntnis nehmen musste.

Ricarda Merbeth nutzte (infolge der Absage von Deborah Voigt) die Chance, sich in Wien einmal nicht nur als Freia oder Gutrune zu präsentieren. Sie begann ein wenig vorsichtig, reüssierte dann aber auch in den dramatischen Passagen und schloss mit einem berührenden und innigen Gebet. Robert Holl's Landgraf litt unter einer nicht sehr entwickelten Bühnenpräsenz, und einer Stimme, die einen müden, abgespannten Eindruck hinterließ. Der Wolfram von Geert Smits war solide, hatte aber von allem, was einen wirklich überzeugenden Wolfram ausmacht - diese Durchdringung von lyrischem Schmelz mit dramatischem Effekt - zuwenig. Und an Leopold Hager gingen die dramatischen Steigerungen der Musik wieder ziemlich spurlos vorüber (anscheinend passiert ihm das bei Wagner meistens). So lustlos und unbeteiligt, wie der Landgraf und seine Mannen im ersten Aufzug auf die Bühne spazierten, um dann just genau auf Tannhäuser zu treffen, klang auch das Orchester. Es wurde dann ein bisschen besser im Laufe des Abends.

Der Schlussbeifall war freundlich, einige Bravo-Rufe, blieb aber weit hinter den Möglichkeiten. Der Gesamteindruck: verschlamptes Repertoire.