SIEGFRIED
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Wiener Staatsoper
11. April 2018

Dirigent: Adam Fischer

Siegfried - Stephen Gould
Wanderer - Tomasz Konieczny
Brünnhilde - Iréne Theorin

Mime -
Herwig Pecoraro
Alberich - Martin Winkler
Erda - Monika Bohinec
Fafner - Jongmin Park

Waldvogel - Hila Fahima


Frühlingsgefühle
(Dominik Troger)

Nach einem kalten März regieren in Wien die „Frühlingsgefühle“ und eine „Siegfried“-Aufführung passt natürlich bestens zu dieser Großwetterlage. Der hehrste Held der Welt entdeckt schließlich die Liebe und die von ihm bestürmte Brünnhilde kann ohnehin nicht anders, als sich ein wenig zieren.

Die aktuelle „Siegfried“-Produktion der Wiener Staatsoper ist ziemlich genau zehn Jahre alt – und dankbar nimmt man zur Kenntnis, dass die Premierenbesetzung von damals – Stephen Gould als Siegfried und Herwig Pecoraro als Mime – noch immer ein prächtiges „Duo“ und ein eingespieltes Team mit hohem Unterhaltungswert abgeben. Schade, dass Wagners „Ring“ an der Wiener Staatsoper so selten gespielt wird (nur ein Durchgang in dieser Saison), und dass das Publikum den beiden Sängern als Siegfried und Mime bestenfalls immer nur in Jahresabständen begegnen kann.

Was die beiden im ersten und zweiten Aufzug aufbieten, ist schwer zu übertreffen: der stimmlich und spielerisch mit scharfer Kontur von Herwig Pecoraro gezeichnete Charakter Mimes – und der von Mime genervte Naturbursche Siegfried, der in der Verkörperung durch Stephen Gould mit entwaffnender, unbekümmerter Naivität seinen Weg zum Brünnhildenfelsen findet. Pecoraros Mime wird Opfer einer fast schon „bizarr“ zu nennenden Selbstüberschätzung. Er zeigt sich berechnend und gefährlich, manchmal mit grellschneidendem Tonfall, ein Charakter, der sich in der Falle fängt, die er selbst aufgestellt hat.

Stephen Goulds Siegfried ist ein im Kern seines Wesens gutmütiger Kraftlackel, den eine ungestillte Sehnsucht in die Welt drängt. Sein Tenor steht die Partie durch, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen, und er ist nach wie vor flexibel genug, um auch in den lyrischen Momenten des Waldwebens zu bestehen. Der baritonale „Honigton“ seines Timbres ist ein bisschen fester geworden, aber das ist nur ein feiner Unterschied in der Farbe, so wie das Grün der Blätter an den Bäumen im Laufe des Frühlings nachdunkelt.

Tomasz Konieczny als Wanderer war der dritte im Bunde, durchschlagskräftig und mit seinem gerauten, kernigen Organ einen dunkleren Farbton hineinmischend. Er traf vor der Neidhöhle auf Martin Winkler, der als Alberich bei seinem Rollendebüt an der Staatsoper mit großer Spielfreude die Tristesse dieser Inszenierung belebte. Winklers Alberich zeigte sich stark von linkischem, fast ein wenig hilflos wirkendem Zwergentum geprägt, gestützt auf den pointierten Einsatz seines markanten Organs. Die Szenen zwischen Alberich und Wotan, Mime und Alberich, diese Dialoge unter Verlierern, konnten an diesem Abend so richtig genossen werden.. Der Fafner von Jongmin Park (Rollendebüt am Haus) ergänzte mit seinem Bass ein bisschen einsilbig drohend die Männergesellschaft der ersten beiden Aufzüge.

Bei den Damen musste sich diesmal Brünnhilde stimmlich der Erda (Monika Bohinec mit Rollendebüt am Haus) und dem lustig zwitschernden Waldvogel (Hila Fahima) geschlagen geben. Iréne Theoriens Sopran klang bei ihrem Wiener Rollendebüt sehr unstet, die Spitzentöne wurden stark forciert und ihre eigenartig „zurückgenommene“ Mittellage weckten – zumindest bei mir – wenig Freude. Es besserte sich allerdings im Laufe ihres – im Vergleich zur Werklänge – kurzen Auftritts.

Adam Fischers „unprätentiöser“ Zugang und große Erfahrung waren den Ausführenden Rückhalt und Ansporn zugleich. Das Orchester servierte Wagners musikalisch bissige Schilderung der Nibelungen mit viel Humor, das Waldweben wurde gefühlvoll mit zarten Streichertönen koloriert, saftig ertönte das Vorspiel zum dritten Aufzug. Nichts (bis auf die Inszenierung) hinderte einen also als Zuschauer und -hörer daran, in den Kosmos dieses Werks einzutauchen und seine Frühlingsgefühle zu genießen. Der Abend war gegen dreiviertel Elf zu Ende. Es gab viel Applaus für eine gelungene Vorstellung.