SIEGFRIED
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Wiener Staatsoper
9.11.2011

Dirigent: Christian Thielemann

Siegfried - Stephen Gould
Wanderer - Albert Dohmen
Brünnhilde - Linda Watson

Mime - Wolfgang Schmidt
Alberich - Tomasz Konieczny
Erda - Anna Larsson
Fafner - Ain Anger

Waldvogel - Chen Reiss


Thielemann-Ring: Siegfried
(Dominik Troger)

Der „Ring“-Zyklus an der Wiener Staatsoper unter Christian Thielemann ist beim „Siegfried“ angekommen. Der Besucherandrang war an einem Werktag erwartungsgemäß nicht so stark wie an den beiden vorangegangenen Abenden.

Langsam, aber sicher schälen sich die Konturen dieses „Thielemann“-Rings heraus – und diese sind stark illustrativ, klangbezogen. Die Schärfung von Charakteren und Sinnzusammenhängen, wie es etwa im „Rheingold“ oder auch über weite Strecken im ersten Aufzug des „Siegfried“ notwendig sein könnte, scheint weniger prägnant.

Deshalb bedarf dieser „Ring“ der spektakulären Momente, um richtig Fahrt aufzunehmen – und das Orchester besitzt genügend Reserven, um dann wie ein Sportwagen edelster Fertigung elastisch auf die gefühlvollen Befehle des Lenkers zu reagieren. Eine dieser Passagen im „Siegfried“ waren die „Schmiedelieder“, bei denen sich das Orchester in einen riesigen Blasebalg verwandelte, mächtig und spektakulär. Man spürte hautnah mit welchem Enthusiasmus, aber auch mit welcher körperlichen Anstrengung, Schmied Siegfried hier mit seinem Schwert um die Wette „schwitzt“. Im zweiten Aufzug das gerade Gegenteil davon: Hier bettete Thielemann Siegfried unter der Linde auf feines, kammermusikalisch ausgeführtes Streicherweben (und das „Pfeifenschnitzen“ geriet dem Siegfried des Abends, Stephen Gould, schon fast zu einer komödiantischen Einlage).

Der sprichwörtliche „große Bogen“, der den Handlungsfluss aufnimmt und fortträgt, war aber schon in der „Walküre“ nur abschnittartig zu spüren gewesen. Im „Siegfried“ brauchte es bis zum dritten Aufzug, aber dann stand sie endlich, diese über weite Teile gespannte Brücke, die fast von der ersten Szene weg bis zum Schluss erhalten blieb. Und hier verdichtete sich die Musik zunehmend in ihrer Aussagekraft: Die sinnverstörende Aufregung Siegfrieds, als er entdeckt, dass Brünnhilde „kein Mann“ ist, tobte durch das Orchester wie ein Stromstoß.

Stephen Gould hat viel zu dem positiven Gesamteindruck dieser Aufführung beigetragen: Sein strahlender Held war voll unbekümmerter, jugendlicher Energie, und im dritten Aufzug hatte er noch genug Reserven, um feurig um Brünnhilde zu werben.

Diese Brünnhilde wurde von Linda Watson gesungen. Watson war kurzfristig für die erkrankte Katarina Dalayman eingesprungen. Sie zeigte sich höhensicherer als ihre „Amtsvorgängerin“, ihre Mittellage war ein wenig „flackrig“. Watson hat die Partie schon vor einigen Jahren in Wien gesungen, die Stimme hat sich gut erhalten.

Albert Dohmen hat mit diesem Wanderer seinen Erfolg komplett gemacht. Er entledigte sich der Aufgabe mit anspruchsvollem Durchhaltevermögen und jener aus Erfahrung gewonnenen Kompetenz, die es bei dieser Partie einfach braucht, soll sie glaubwürdig wirken.

Wolfgang Schmidts Mime war nicht immer duchschlagskräftig genug, bot aber eine recht gute Charakterstudie. Tomasz Konieczny gab den Alberich, sein etwas grell gefärbter Bariton und sein gutes Spiel prägten den kurzen Auftritt der Figur vor Fafners „Wohnsitz“.

Ain Anger sang mit großer Ausdrucksstärke einen im Sterben durch tiefe Traurigkeit und große Würde ausgezeichneten Fafner. (Szenisch fährt hier Fafner aus einer Versenkung ein paar Meter gerade empor. Der Sänger steht auf einem Podest und steckt in einem grünhäutigen Kostümschlauch. Fafner schaut wie eine überdimensionierte, vor Siegfried aufragende Schlange aus.)

Anna Larsson stellte die Erda dar, diesmal mit gefestigterer Stimme als im „Rheingold“. Einen hübschen Waldvogel steuerte Chen Reiss bei.

Der Schlussapplaus dauerte wieder an die 20 Minuten. Die stärksten Ovationen erhielt Thielemann, den zweiten Rang auf der nach oben offenen Applausskala erreichte Stephen Gould. Es gab eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung noch Stehplatzkarten.

Fazit: Nach meiner Einschätzung hat sich dieser „Ring“ von Abend zu Abend merklich gesteigert. Die Erwartungen für die „Götterdämmerung“ sind hoch.