SIEGFRIED
|
Home |
Wiener Staatsoper Dirigent: Franz Welser-Möst |
Siegfried
- Stephen Gould |
„Naturbursche
auf Brautschau“ Dieser Abend gehörte Stephen Gould: den liebestollen „lachenden Tod“ eingeschlossen strotzte sein Siegfried von Saft und Kraft. Diese Leistung krönte eine insgesamt recht gute Aufführung. Stephen Goulds Siegfried ist ein Naturbursche - er singt ihn auch so, als habe er von Kindesbeinen an auf der Jagd nicht nur seine Muskel, sondern auch seine Stimme trainiert. Diese hat einen leicht baritonalen Glanz und scheint sich in der Stimmlage der Partie sehr wohl zu fühlen. Sie hat Substanz, wiegt aber nicht zu schwer, vergleichbar mit der elastischen Biegsamkeit eines jungen, belastbaren Baumstamms. Die Ausdauer des Sängers reichte von den beherzt und locker vorgetragenen Schmiedeliedern bis zur energiegeladenen „Liebesfeier“ auf dem Brünnhildenfelsen. Allerdings dringt Gould in die Feinheiten des Textes weniger ein, behandelt ihn mehr robust, ohne besondere Liebe zum deklamatorischen Detail. Die Zeichnung des Helden durch Bechtolfs Regie dürfte Gould entgegen kommen: von Psychologie ist wenig zu merken, eine latente Gewaltbereitschaft paart sich mit einem auf den ersten Blick durchaus gutmütigen Charakter. Einige „Erkenntnisse“ dieses mythischen Superhelden überraschen dann schon, wenn Wagner ihn unter einer Linde in unbewusst-bewusster Vorwegnahme psychoanalytischer Selbsterfahrungsprozesse auf die Freud’sche Couch legt. Im ersten Aufzug wirkt dieser Siegfried geradezu altklug, wenn er Mime über die äußere Ähnlichkeit von Eltern und Kindern aufklärt. Der Mime lag bei Herwig Pecoraro wieder in bewährter Kehle, bemerkenswert einige grell übers Orchester gezielte Höhen. Sein Mime hat einen durch und durch fiesen Charakter, sein Gesang und sein Spiel sind durchtränkt von Heuchelei und Selbstmitleid. Wagner hat das wohl auch so gesehen – je fieser Mime, um so mehr ist das moralische Recht auf Siegfrieds Seite, wenn er ihn umbringt. Juha Uusitalo ließ als Wanderer etwas Präsenz vermissen, die Stimme klang mir noch aufgerauhter als zuletzt. Zu wenig wurde die Autorität deutlich, die sich Wotan auch in der persönlichen Niederlage bewahren müsste. Allerdings haben ihm die direkten „Gegenspieler“ einiges an stimmlicher „Durchschlagskraft“ vorgelegt. Auch das zynische „Trivial Pursuit“ mit Mime hätte schärfere Konturen erwarten lassen. Tomasz Konieczny sang einen vor der Neidhöhle eifrig geifernden Alberich, kraftvoll, heldisch, etwas hell im Klang, was aber zur zwergischen Abstammung passt. Die Auseinandersetzung mit Wanderer enthielt dramatische Schärfe und einiges an Zugkraft. Nina Stemmes Brünnhilde zeigte sich nicht ganz so solide wie schon gehört. Der Schlusston verlor sich irgendwo im Orchesterrauschen, einige Spitzentöne kamen nicht so klar wie erhofft. Die Mittellage strömte freilich wieder mit starker Intensität, aber das kurzwellige Schwingen der Töne, das mehrmals deutlich zu hören war, irritierte. Ihre starke und mitreißende Emotionalität war wie immer von großer Ausstrahlung. Ain Anger war ein sehr guter, aber vielleicht zu wenig grimmiger Fafner, Janina Baechle sang eine solide Erda. Teodora Gheorghius Waldvögelein kam nur über die Verstärkeranlage. Das Orchester unter Franz Welser-Möst klang etwas gesättigter, wie mir scheint, was insgesamt einen schönen Wagnerklang ergab, dem die philharmonischen Streicher beispielsweise im Waldweben noch eine ganz besondere Stimmung abgewannen. Bis auf einen kleinen Misston bei Siegfrieds „Waldweise“, kamen auch die Bläser sehr gut „in Fahrt“. Franz Welser-Möst bemühte sich hörbar um eine dynamische Differenzierung, einiges geriet aber trotz allem etwas laut und nicht unbedingt zum Wohle der Sänger. Neben dem ausgesprochen Klangschön musizierten, von naturnahem Raunen durchzogenen Waldweben, gefiel vor allem die zweite Hälfte des ersten Aufzugs, die von der blasebalgartigen Begleitung von Siegfrieds Schmiedeliedern ausgehend zu einem fulminanten Finale überleitete und bei gehaltener Spannung einen Höhepunkt des Abends bildete. Es ging auch gleich mit viel Jubel in die Pause. Die Inszenierung hinterlässt zwei Jahre nach der Premiere kaum noch bemerkenswerte Eindrücke. Gut scheint die Lösung mit dem Drachenkampf beim Publikum anzukommen, das projizierte Echsenauge mit seiner beweglichen Pupille. Vieles wirkt schon ein bisschen verstaubt – so wie die ausgestopften, an den Bühnenwänden platzierten Waldbewohner, die optisch auf die Neidhöhle einstimmen – ein seltsam wirkendes Arrangement, das den muffigen Geruch einer mit Naphtalin behandelten zoologischen Sammlung atmet. Der
Beifall war stark, Stephen Gould erhielt am meisten davon, einen Bravoorkan,
der nach fünf Stunden Siegfried an einem Werktag (mit einer für
Berufstätige äußerst unerfreulichen Beginnzeit von 17
Uhr) in seiner Heftigkeit doch überraschte. Natürlich wurden
auch alle weiteren Mitwirkenden (sehr stark Nina Stemme) mit viel Jubel
bedacht. Für den Dirigenten mischten sich wenige, vereinzelte Buhrufe
in den zustimmenden, von vielen Bravorufen durchsetzten Applaus. |