SIEGFRIED
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Wiener Staatsoper
25. Juni 2025

Dirigent: Philippe Jordan

Siegfried - Andreas Schager
Wanderer - Iain Paterson
Brünnhilde - Anja Kampe

Mime -
Michael Laurenz
Alberich - Jochen Schmeckenbecher
Erda - Anna Kissjudit
Fafner - Kwangchul Youn

Waldvogel - Ileana Tonca


Noch einmal Siegfried
(Dominik Troger)

Die Staatsopernsaison neigt sich dem Ende zu. In Anbetracht der herrschenden Außentemperaturen kann das nur begrüßt werden. Die erste sommerliche Hitzewelle hat Wien fest im Griff – und Mime hätte seinen Sud auf der Opernterrasse mittels „Sonnenenergie“ brauen können.

Ausführende und Publikum haben trotz wetterbedingter Schweißausbrüche die Vorstellung genossen. Andreas Schager und Michael Laurenz haben als Siegfried und Mime wieder mit viel Spielwitz ihre gegenseitige „Hassliebe“ zelebriert – und vom Publikum gab es dafür schon nach dem ersten Aufzug Ovationen.

Andreas Schagers Jung-Siegfried besitzt zudem einen an das Publikum gerichteten Humor, der der Figur ein bisschen etwas von „papagenohafter Komödiantik“ verleiht – etwa wenn er im zweitem Aufzug nicht nur beim Flötenschnitzen Späße macht, sondern dem Waldvogel sogar Brotkrumen streut, um ihn anzulocken, und sich dabei Richtung Holzbläser im Orchestergraben bewegt. Auf der Suche nach dem „Besonderen“ von Schagers Siegfried wird man also nicht nur auf die Stimme verweisen dürfen, die mit hellem, fokussiertem Metall auch durch ein dickes Orchester schneidet – sondern es ist das Gesamtpaket, das der Sänger mit komödiantischer Lockerheit schnürt, fast spielerisch und scheinbar spontan seine Akzente setzend, um das Publikum von der ersten Sekunde an mit naivem Charme auf seine Seite zu ziehen.

Wenn man mit Rollenvorgängern vergleichen wollte, dann gibt es vor allem zwei Sänger, die in den letzten drei Jahrzehnten das Wiener „Siegfried“-Bild stark geprägt haben: Stephen Gould und Siegfried Jerusalem. Goulds Siegfried (21 Vorstellungen laut Online-Archiv der Staatsoper) war gefühlvoller, sozusagen „gemütlicher“, sein Tenor etwas fülliger mit feinem baritonalen Glanz versehen, in der Tiefe gesetzter, ohne diese juvenile Risikobereitschaft in der Attacke, wie sie Schager auszeichnet. In den 1990er-Jahren bis ins neue Jahrtausend hat Siegfried Jerusalem die „Siegfried“-Aufführungen an der Staatsoper geprägt (19 Vorstellungen), aber auch Jerusalem war nicht mit solch aufblitzendem Tenormetall gesegnet, wenn auch bis zum Ende seiner Karriere mit unverwüstlichem Durchhaltevermögen ausgestattet.

Michael Laurenz formte aus dem Mime erneut ein darstellerisch und gesanglich prägnantes Rollenporträt, sogar die unverhüllten Mordansagen, mit denen er im zweiten Aufzug Siegfried umschmeichelt, wirkten nicht aufgesetzt oder langweilig. Die für Mime tödliche Reaktion von Siegfried kam dann eher unvermittelt und Alberichs Gelächter im Hintergrund (Jochen Schmeckenbecher) gelang an diesem Abend besonders pointiert.

Iain Paterson (Wanderer) wurde vor dem zweiten Aufzug wegen allergischer Beschwerden angesagt. Er stand die Vorstellung aber durch, obwohl es bei der Wissenswette stimmlich schon heftig „gekriselt” hatte. Anja Kampe war dieses Mal besser disponiert, als im ersten „Siegfried“ – und ihr Enthusiamus ist ohnehin unbezahlbar, mit dem sich Brünnhilde schlussendlich der Liebe zu Siegfried überlässt. Die Erda der Anna Kissjudit hat unlängst im „Rheingold“ etwas klangvoller das Schicksal besungen. Ileana Tonca gab wieder den von Siegfried gelockten Waldvogel, Kwangchul Youn den Fafner.

Was das Orchester betrifft, würde ich der ersten Aufführung den Vorzug geben, das Spiel war an diesem Abend im Zusammenspiel gröber und (zu) laut, auch wenn in den idyllischen Passagen mit feinem Klang die Poesie von Wald und Liebe webte. Am Samstag folgt noch die von mir unbesucht bleibende „Götterdämmerung“ – und Philippe Jordan wird mit diesem „Ring“ seine Tätigkeit als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper beendet haben. Zusammengefasst lagen Jordans Stärken mehr im deutschen Repertoire, vor allem bei Wagner und Strauss, also passt dieses Finale bestens.

Der Sprung in die Herzen des Publikums ist Jordan aber weniger mit seinen Dirigaten, sondern vor allem mit einigen kritischen Anmerkungen zum „Regietheater“ gelungen. Allerdings vermute ich, dass es sich diesbezüglich eher um ein wohlmeinendes Missverständnis gehandelt hat. Jordan war als Premierendirigent doch an einigen, sehr anzweifelbaren Regieabenteuern beteiligt gewesen – nicht nur bei Kirill Serebrennikovs „Don Carlo“. Die Szene mit dem weißen Tuch auf dem Taktstock als Friedensangebot an ein aufrührerisches Publikum, dem diese Regiearbeit im Laufe des Premierenabends im wahrsten Sinne des Wortes zu „dumm“ geworden ist, wird unvergessen bleiben.

Der starke Schlussapplaus lag wieder bei zehn Minuten.