„Tenoraler
Triathlet“
(Dominik Troger)
Zur
ersten Pause hat sich nach einem verregneten Pfingstsonntag doch noch
die Sonne gezeigt, so als wollte sie dem Siegfried von Andreas Schager
ihre Referenz für seine sängerische Tatkraft erweisen. Die Partie
ist ja eine Art von tenoralem „Triathlon“ und Schager hat an diesem Abend mühelos den Olympiasieg errungen.
Drei
Aufzüge lang wird von Richard Wagner der archetypische Held beschworen,
den er vom ungestümen Schwertschmied über die Poesie des Waldwebens bis
zur brünstigen Walkürenerweckung führt: der freieste Held aller, ein
Naturkerl, ein sängerischer Marathonläufer, der im Finale sogar noch
ausreichend Kraft für den Zielsprint mit Brünnhilde haben muss: „Leuchtende Liebe, lachender Tod!“.
Andreas Schagers
Siegfried war für diese Anforderungen wie maßgeschneidert und
„unermüdlich“ im besten Sinne des Wortes: kraftvoll beim Schmelzen und
Schmieden, mit poetischer Nachdenklichkeit in den ruhigen Momenten des
Waldwebens und mit furchtlernender Zurückhaltung beim erotischen
Erweckungserlebnis auf dem Brünnhildenfelsen. Sein Tenor besitzt dieses
Leuchten, eine Beimischung von hellem Metall, ohne viel baritonale
Abfederung: ein unbekümmerter, kraftvoller, heller „Naturklang“, mit
der dieser Naturbursche zur wonnigen Tat schreitet. Schagers Siegfried
entfaltete dabei einen unverfänglichen, fast „operettenhafte“ Charme,
versehen mit einer Prise Humor, die die ungeschlachte, etwas rüpelhafte
Naivität, dieses von „Wissen“ unkorrumpierten Kerls unterstrich.
War mir Schagers Siegmund am Montag eine Spur zu „aufgesetzt“ gewesen,
zu sehr auf heldentenorale „Zur-Schau-Stellung“ getrimmt, überzeugte
sein Siegfried durch die wohlabgestimmten Balance darstellerischer und
gesanglicher Mittel: ein sonniger Bühnencharakter, ein Jung-Siegfried
im Überschwang juvenilen Lebensglücks und tenoral kräftig ausgemalter
Naivität. Publikumsherz, was begehrst du mehr? Beim Einzelvorhang wurde
Schager dann auch mit begeistertem Beifall überschüttet.
Nicht nur Andreas Schager gab an diesem Abend sein Rollendebüt an der Staatsoper, auch Michael Laurenz
als Mime. Er war diesem Siegfried ein würdiger Gegenspieler, mit
markanter Stimme, und er gab ein lebendiges Porträt des verschlagenen
Nibelungen. Die beiden harmonierten im Spiel und trugen die Aufführung
über weite Strecken. Mimes entmachteter Bruder wurde von Jochen Schmeckenbecher
beigesteuert, ein auch in Wien bereits erfahrener und bekannter
Alberich, der sich in seiner kurzen Szene vielleicht mit etwas
kraftvollerem Zynismus hätte einbringen können.
Wiener Rollendebüts gab es weiters für Wanderer, Erda, Brünnhilde. Dass
davon die Erda am besten abschnitt, war vielleicht überraschend, aber Anna Kissjudit konnte den Vorteil einer an Karrierejahren noch frischen, tiefgründigen Stimme für Erdas Welt-Wissen ins Feld führen. Iain Paterson hat nach seinem mäßigen Wotan dem Wanderer keine neuen Facetten abgewonnen, nicht nur in der Wissenswette blieb er zu farblos. Anja Kampe
hat als „Walküren“-Brünnhilde mehr überzeugt, als dieses Mal: Zwar hat
es in der Emotionen gepasst und sie und Schager haben sich liebestoll
ins Finale gesungen – aber Kampes Sopran war dieses Mal sehr
„schwingungsfreudig“ mit gefährdeten Spitzentönen. Der Rolle angemessen: Kwangchul Youn als Fafner, ebenfalls mit Rollendebüt am Haus. Ileana Tonca gab nach vielen Jahren wieder den Waldvogel, den sie sogar noch in der alten Inszenierung gesungen hat.
Das Orchester unter Philippe Jordan
hat sich jetzt, wie es scheint, auf den „Ring“ eingeschwungen, sehr
schön auch in Details wie dem Waldweben oder im stimmungsvoll
ausgekosteten Übergang zum Brünnhildenfelsen. Im Klangbild wird einer
leicht dunkelgetönten „Romantik“ gepflogen, im Finale des ersten
Aufzugs mit schwungvoller, leicht erdiger Grundierung. Im Tempo hat
Jordan nicht überzogen, auch der Sinnlichkeit Raum gelassen, was
den Connoisseuren im Publikum durchaus „gemundet“ hat.
Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf legt den Ausführenden keine
Steine in den Weg, auch wenn manches nicht ganz logisch scheint oder
unausgegoren: Wotans „Grabräuberei“ in der Erda-Szene etwa. Aber
Bechtolf hat den „Ring“ aus der Perspektive einer verschmitzten
Komödiantik inszeniert, die manchmal etwas „schräghumorig“ daherkommt –
wie zum Beispiel die ausgestopften Tiere an den Wänden im zweiten
Aufzug, die eine schon sehr museale „Natur“ verbreiten.
Der Schlussbeifall war stark, bei Andreas Schager wie bereits erwähnt
am stärksten. Die Applauslänge lag bei rund acht Minuten.
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