SIEGFRIED
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Wiener Staatsoper
8. Juni 2025

Dirigent: Philippe Jordan

Siegfried - Andreas Schager
Wanderer - Iain Paterson
Brünnhilde - Anja Kampe

Mime -
Michael Laurenz
Alberich - Jochen Schmeckenbecher
Erda - Anna Kissjudit
Fafner - Kwangchul Youn

Waldvogel - Ileana Tonca


Tenoraler Triathlet
(Dominik Troger)

Zur ersten Pause hat sich nach einem verregneten Pfingstsonntag doch noch die Sonne gezeigt, so als wollte sie dem Siegfried von Andreas Schager ihre Referenz für seine sängerische Tatkraft erweisen. Die Partie ist ja eine Art von tenoralem „Triathlon“ und Schager hat an diesem Abend mühelos den Olympiasieg errungen.

Drei Aufzüge lang wird von Richard Wagner der archetypische Held beschworen, den er vom ungestümen Schwertschmied über die Poesie des Waldwebens bis zur brünstigen Walkürenerweckung führt: der freieste Held aller, ein Naturkerl, ein sängerischer Marathonläufer, der im Finale sogar noch ausreichend Kraft für den Zielsprint mit Brünnhilde haben muss: „Leuchtende Liebe, lachender Tod!“.

Andreas Schagers Siegfried war für diese Anforderungen wie maßgeschneidert und „unermüdlich“ im besten Sinne des Wortes: kraftvoll beim Schmelzen und Schmieden, mit poetischer Nachdenklichkeit in den ruhigen Momenten des Waldwebens und mit furchtlernender Zurückhaltung beim erotischen Erweckungserlebnis auf dem Brünnhildenfelsen. Sein Tenor besitzt dieses Leuchten, eine Beimischung von hellem Metall, ohne viel baritonale Abfederung: ein unbekümmerter, kraftvoller, heller „Naturklang“, mit der dieser Naturbursche zur wonnigen Tat schreitet. Schagers Siegfried entfaltete dabei einen unverfänglichen, fast „operettenhafte“ Charme, versehen mit einer Prise Humor, die die ungeschlachte, etwas rüpelhafte Naivität, dieses von „Wissen“ unkorrumpierten Kerls unterstrich.

War mir Schagers Siegmund am Montag eine Spur zu „aufgesetzt“ gewesen, zu sehr auf heldentenorale „Zur-Schau-Stellung“ getrimmt, überzeugte sein Siegfried durch die wohlabgestimmten Balance darstellerischer und gesanglicher Mittel: ein sonniger Bühnencharakter, ein Jung-Siegfried im Überschwang juvenilen Lebensglücks und tenoral kräftig ausgemalter Naivität. Publikumsherz, was begehrst du mehr? Beim Einzelvorhang wurde Schager dann auch mit begeistertem Beifall überschüttet.

Nicht nur Andreas Schager gab an diesem Abend sein Rollendebüt an der Staatsoper, auch Michael Laurenz als Mime. Er war diesem Siegfried ein würdiger Gegenspieler, mit markanter Stimme, und er gab ein lebendiges Porträt des verschlagenen Nibelungen. Die beiden harmonierten im Spiel und trugen die Aufführung über weite Strecken. Mimes entmachteter Bruder wurde von Jochen Schmeckenbecher beigesteuert, ein auch in Wien bereits erfahrener und bekannter Alberich, der sich in seiner kurzen Szene vielleicht mit etwas kraftvollerem Zynismus hätte einbringen können.

Wiener Rollendebüts gab es weiters für Wanderer, Erda, Brünnhilde. Dass davon die Erda am besten abschnitt, war vielleicht überraschend, aber Anna Kissjudit konnte den Vorteil einer an Karrierejahren noch frischen, tiefgründigen Stimme für Erdas Welt-Wissen ins Feld führen. Iain Paterson hat nach seinem mäßigen Wotan dem Wanderer keine neuen Facetten abgewonnen, nicht nur in der Wissenswette blieb er zu farblos. Anja Kampe hat als „Walküren“-Brünnhilde mehr überzeugt, als dieses Mal: Zwar hat es in der Emotionen gepasst und sie und Schager haben sich liebestoll ins Finale gesungen – aber Kampes Sopran war dieses Mal sehr „schwingungsfreudig“ mit gefährdeten Spitzentönen. Der Rolle angemessen:
Kwangchul Youn als Fafner, ebenfalls mit Rollendebüt am Haus. Ileana Tonca gab nach vielen Jahren wieder den Waldvogel, den sie sogar noch in der alten Inszenierung gesungen hat.

Das Orchester unter Philippe Jordan hat sich jetzt, wie es scheint, auf den „Ring“ eingeschwungen, sehr schön auch in Details wie dem Waldweben oder im stimmungsvoll ausgekosteten Übergang zum Brünnhildenfelsen. Im Klangbild wird einer leicht dunkelgetönten „Romantik“ gepflogen, im Finale des ersten Aufzugs mit schwungvoller, leicht erdiger Grundierung. Im Tempo hat Jordan nicht überzogen, auch der  Sinnlichkeit Raum gelassen, was den Connoisseuren im Publikum durchaus „gemundet“ hat.

Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf legt den Ausführenden keine Steine in den Weg, auch wenn manches nicht ganz logisch scheint oder unausgegoren: Wotans „Grabräuberei“ in der Erda-Szene etwa. Aber Bechtolf hat den „Ring“ aus der Perspektive einer verschmitzten Komödiantik inszeniert, die manchmal etwas „schräghumorig“ daherkommt – wie zum Beispiel die ausgestopften Tiere an den Wänden im zweiten Aufzug, die eine schon sehr museale „Natur“ verbreiten.

Der Schlussbeifall war stark, bei Andreas Schager wie bereits erwähnt am stärksten. Die Applauslänge lag bei rund acht Minuten.