SIEGFRIED
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Wiener Staatsoper
11. Juni 2023

Dirigent: Franz Welser-Möst

Siegfried - Klaus Florian Vogt
Wanderer - Eric Owens
Brünnhilde - Ricarda Merbeth

Mime -
Matthäus Schmidlechner
Alberich - Michael Nagy
Erda - Noa Beinart
Fafner - Ain Anger

Waldvogel - Maria Nazarova


Siegfried am Vatertag
(Dominik Troger)

In der zweiten Pause blinzelte sogar die Abendsonne auf die Staatsopern-Terrasse herab, wo sich das Publikum gerade für den dritten Aufzug „Siegfried“ rüstete: eine Vorstellung mit fünf Wiener Rollendebüts, was den Habitués naturgemäß reichlichen Gesprächsstoff bot.

Viel Freude herrschte unter den Besuchern aus Oberösterreich, die „ihren“ Matthäus Schmidlechner vom Linzer Landestheater seit dem „Rheingold“ vor eineinhalb Wochen jetzt endlich staatsopern-gewürdigt wissen. Schmidlechner sang einen ausgezeichneten Mime, textverständlich, mit einem auch im großen Haus gut tragenden Charaktertenor. Die Inszenierung von Sven Eric Bechtolf hätte ihm zwar die Möglichkeit für ein etwas „grelleres“ Rollenporträt geboten, manche Phrase hatte man von früheren Besetzungen markanter ihm Ohr, aber Schmidlechner vermied es, die Figur in Richtung „Karikatur“ zu drängen. Insofern war es ein Mime, der das Zwergische seines Charakters samt Größenwahn nicht überbetonte. Er nahm somit Wagners tendenziöser Rollenzeichnung einigen Wind aus den Segeln und positionierte Mime als ernst zu nehmenden Mitspieler bei der Jagd nach Ring und Macht.

Klaus Florian Vogts Siegfried war ein „lyrischer“ Held, mit viel Poesie im Waldweben und im Nachsinnen über familiäre Schicksalszusammenhänge, aber den unbekümmerten stimmlichen Kraftlackel, den innovativen Schwertschmied und Drachentöter hat er mit seiner hellen Tenorstimme erwartungsgemäß nicht ausgepackt. Vogts Siegfried umgab die Aura eines Musterknaben, dem der erste, blonde Bartflaum wächst. Er kehrte Siegfrieds Unschuld ganz nach außen, wandelte mit blütenweißer Seele durch die Abgründe des „Rings“, fand im rührend-fröhlichen Flötenschnitzen des zweiten Aufzugs oder in der schüchternen Brünnhilden-Erweckung zu seinen innigsten, wahrhaftigsten Momenten. Dort wo er kraftvoll hätte auftrumpfen können – wie bei den Schmiedeliedern – blieb der Eindruck etwas blass.

Einerseits faszinierte wie sich Vogt diesen Jung-Siegfried zurecht gelegt hat, wie er ihn mit seinen Mitteln aquarellartig „durchkoloriert“ und ohne Verschleißerscheinungen bis zum Finale trägt andererseits öffneten sich Leerstellen, weil die diesem Burschen immanente Brutalität nicht wirklich greifbar wurde. In der Stimmfarbe sollte sich Siegfried zudem deutlicher von Mime unterscheiden, um dem „Kräfteparallelogramm“ der Figurenaufstellung stärkere Konturen zu verleihen – wobei Mime an diesem Abend vor allem im ersten Aufzug phasenweise präsenter wirkte, als sein Ziehsohn.

Den beiden stand mit Eric Owens ein lethargischer Wanderer gegenüber. Der abgefeimte Humor der Wissenswette wurde von ihm kaum entdeckt – insofern hat sich der Eindruck von der „Walküre“ leider bestätigt: Owens machte gestalterisch zu wenig aus der Rolle, sowohl gesanglich als auch im Spiel. Nur wenn sich sein dahinwabernder Bassbariton einmal aufraffte, um etwas energiegeladener aufzutreten, spürte man etwas von diesem göttlichen Odem, der Wotan als Wanderer durch die Welt trägt.

Ricarda Merbeth ließ sich von Siegfried ihren schlanken Sopran wachküssen – die beiden passten eigentlich ganz gut zu einander. Stimmlich weder grimmiger „Wagnerrecke“ noch heldenschlagende „Schlachtenmaid“, boten sie dem Publikum ein etwas „abgemagertes“ Heldenepos dar. Dazu gesellte sich noch Michael Nagy als Alberich – wie alle bisher genannten mit Wiener Rollendebüt – der trotz nur kurzem Einsatz (zusammen mit Mime) den Nibelungen an diesem Abend starkes Gehör verschaffte. Ain Anger als bewährter Fafner, Noa Beinart als Erda und Maria Nazarova als Waldvogel ergänzten.

Das Orchester unter Franz Welser-Möst bot wieder den bekannt klaren, leicht polierten Klang, mit viel Gespür für Struktur und Details, mehr ein sich flott generierendes „Konversationsstück“ im Auge, weniger den jugendlichen Überschwang von Siegfrieds Abenteuern „romantisch“ auskostend. So manche Länge des Werks konnten weder die Besetzung noch das Orchester vergessen machen. Der einhellige und starke Schlussapplaus lag bei rund neun Minuten.