RIENZI
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"Feuriger" Rienzi

Wiener Staatsoper
22.01.2000

Dirigent: Erich Dunshirn

Cola Rienzi, päpstlicher Notar - Glenn Winslade
Irene, seine Schwester - Nancy Gustafson
Stefano Colonna, Haupt der Familie Colonna - Walter Fink
Adriano, sein Sohn - Violeta Urmana
Paolo Orsini, Haupt der Familie Orsini - Yu Chen
Raimondo, päpstlicher Legat - Peter Köves
Baroncelli, röm. Bürger - Peter Jelosits
Cecco del Vecchio, röm. Bürger - Reinhard Mayr
Friedensbote - Simine Ivan

Eigentlich hätte der Besuch dieser Aufführung Auskunft darüber geben sollen, welche (Über-)lebensfähigkeit einem Werk wie dem Rienzi im Opernalltag zugestanden werden kann. Schließlich ist die Premiere seit etwas mehr als zwei Jahren vorüber und jeglicher Medienrummel um das Werk (und die Inszenierung) verstummt. Dass dieser Abend trotzdem in die Annalen der Staatsoper eingehen wird, lag aber an der Pyrotechnik - doch davon etwas später.
(Dominik Troger)

Rein musikalisch jedenfalls, bestand dieser Abend die Bewährungsprobe. Wobei anzumerken ist, dass zwei der Hauptpartien mit Premierenbesetzung gegeben wurden (Nancy Gustafson als Irene; Violeta Urmana als Adriano). Und der Rienzi von Glenn Winslade braucht wahrlich keinen Vergleich mit dem Premieren-Rienzi, Siegfried Jerusalem, zu scheuen. Am Pult stand nicht Zubin Metha, sondern Ernst Dunshirn.

Nun ist der Rienzi ja wirklich das, was man als "Mörderpartie" bezeichnen kann. Dauernd muss er Reden schwingen und sich gegen Chor und Orchestermassen lautstark Gehör verschaffen. Das ohne sichtlich angestrengter Stimme und noch dazu einigermaßen mit Wohlklang durchzuhalten, ist auch eine bewundernswerte sportliche Leistung. Wenn dann das Gebet, das Wagner dem Rienzi tückischerweise am Beginn des 5. Aktes in die Kehle gelegt hat, plötzlich lyrischere Töne und eine flexiblere Stimmführung erfordert, ist das eigentlich schon fast zuviel verlangt. Winslade meisterte zwar auch diese Hürde, aber es wurde dabei doch deutlich, wie fatal es sein könnte, wenn man einen Rienzi nur nach einem schön und innig vorgetragenen Gebet beurteilen dürfte. Deshalb muss man hoffen, dass Glenn Winslade sich seinen "Rienzi"-Tenor noch lange erhalten möge, damit sich das Werk auch in Zukunft hin und wieder auf dem Spielplan einfinden kann. Denn es ist verständlich, dass es nur sehr wenige Sänger gibt, die überhaupt das nötige Stimmmaterial besitzen, um einen Rienzi an der Staatsoper singen zu können. Siegfried Jerusalem, der bekanntlich die Premiere gesungen hat, gehört zwar dazu, allerdings hätte man bei ihm nicht schreiben dürfen, was hier über den Rienzis Winslades geschrieben werden soll: wenn es in Summe mit solcher Bravour geschieht, ist es schon nahezu unglaublich.Diese seltene Paarung von kraftvollem gesanglichen Ausdruck und Wohlklang traf glücklicherweise auch auf Nancy Gustafsons Irene und Violeta Urmanas Adriano zu. Beide hatten ja schon in der Premierenserie beindruckt, wobei vor allem Violeta Urmana hervorzuheben ist, weil sie einfach viel mehr zu singen hat als Rienzis Schwester, die erst im 5. Akt so richtig zeigen darf, was sie drauf hat. Von beider stimmlicher und ausdrucksstarker Präsenz geprägt war denn auch dieser fünfte Akt einer der musikalischen Höhepunkt des Abends. Erich Dunshirn hatte die schwierige Aufgabe übernommen, die Aufführung mit all seinen Massenszenen nicht nur über die Runden zu bringen, sondern auch für den nötigen Schwung zu sorgen. Natürlich darf man hier nicht erwarten, dass sich das Orchester zu einer klanglich so ausgefeilten Wiedergabe hinreißen lässt, wie wenn ein Zubin Metha am Pult steht. Das etwas unausgewogene Klangbild ist denn auch das einzige, was man an Dunshirn Orchesterleitung bemängeln könnte. Während die Streicher für soliden Wohlklang sorgten, konnten sich doch die Bläser einen "Löwenanteil" an der orchestralen Bandbreite sichern. Das führte dazu, dass Assoziationen zu Blas- und Marschmusik über Gebühr wach gerufen wurden (wobei diese Assoziationen dem Rienzi durchaus nicht fremd sind und ihm in einem gewissen Ausmaß wahrscheinlich sogar gut tun). Durch das Wirr-Warr der Massenszenen führte Dunshirn kompetent (er hatte ja auch den Chor für die Premiere einstudiert).

Während also musikalisch alles in bester Ordnung war, und ein besser besuchtes Haus hätte erwarten lassen, wird dieser Abend vor allem wegen eines gefährlichen technischen Zwischenfalls in Erinnerung bleiben. Um zu verstehen, was passierte, muss man ein wenig über die Inszenierung Bescheid wissen. Im zweiten Akt wird ja - laut Textbuch - auf Rienzi ein Messerattentat verübt. Regisseur David Pountney meinte nun, das Zünden einer Bombe sei heutzutage eine weit adäquatere Methode, um Rienzi aus dem Weg zu räumen. Während also Rienzi und Irene auf einer Art Sofa sitzen, das wie eine Gondel in ein paar Metern Höhe über der Bühne schwebt, geht mit Gekrach die Bombe los, das Sofa wird in zwei Hälften auseinandergerissen, im Volk stürzen viele wie tot zu Boden, das Licht geht kurz aus und so weiter. Als nun der Sofateil, auf dem Rienzi alias Glenn Winslade saß, langsam wieder zu Boden gelassen wurde, züngelten hinter dem Rücken des Rienzi plötzlich Flammen auf. Offensichtlich hatte die Pyrotechnik hier ein bisserl zuviel gezündelt. Was genau Feuer gefaßt hatte, war nicht zu erkennen, offensichtlich Teile der Sofa-Verkleidung. Nun befand sich Winslade zum Glück nicht allein auf der Bühne und die Flammen konnten von Umstehenden schnell erstickt werden - während er selbst noch kaum realisiert hatte, was geschehen war. Das Orchester verstummte. Der Vorhang fiel. Mehrere Zwischenrufe kamen aus dem Publikum, die sich auf die ungeliebte Inszenierung bezogen (sie waren nicht so originell, um hier wiedergegeben zu werden). Drei, vier Minuten später trat der Inspizient vor den Vorhang um zu melden, dass der tragische Zwischenfall ohne Verletzungen abgegangen sei, die Vorstellung werde fortgesetzt. Was nach insgesamt etwa zehn Minuten auch der Fall war.Was nun aber die bei der Premiere heftig umstrittene Inszenierung betrifft ist anzumerken: Erstens, dass man den eben geschilderten Vorfall nur schwerlich als Argument gegen moderne Inszenierungen verwenden kann (wie es die Zwischenrufer glaubhaft machen wollten); und das zweitens die Inszenierung insgesamt durchaus dafür sorgt, dass das "Werkl" in Bewegung bleibt. Was die Choreografie der Massenszenen beispielsweise betrifft, so ist sie an und für sich gelungen - über die dabei vermittelten interpretatorischen Hintergedanken, läßt sich natürlich ziemlich streiten. Insoferne kann der rein funktionale Aspekt dieser Inszenierung, nämlich die Basis für einen spannenden Opernabend zu legen (auch Jahre später im Repertoire), nicht negativ beantwortet werden. Was Pountneys Interpretation betrifft, so ist ihr einfach die Inkonsequenz zwischen ironisierenden Randglossen und ein paar doch ganz gut herausgearbeiteten Details einer sich verselbständigenen Machtausübung Rienzis vorzuwerfen. Immerhin wird deutlich, dass hier auch von Rienzi ein Weg beschritten wird, der, wenn man so möchte, vom einfachen Volkstribunen bis zu einem "anmassenderen" Alleinherrscher reicht (was zum Beispiel in der Vergrämung der deutschen Gesandten bei der Huldigung Rienzis im zweiten Akt sichtbar wird). Dass sich aber andererseits die Figur von Wagners Rienzi nicht so einfach auf diese mehr politische Aussage zurechtstutzen lässt, liegt auch auf der Hand. So bleibt am Schluss ein inhomogener Gesamteindruck, den man aber gerne übersieht, wenn die musikalische Leistungen stimmen - was an diesem Abend erfreulicherweise zu vermerken war.