RHEINGOLD
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Wiener Staatsoper
8. Jänner 2019

Dirigent: Axel Kober

Wotan - Tomasz Konieczny
Donner - Clemens Unterreiner
Froh - Jörg Schneider
Loge - Norbert Ernst
Fasolt - Jongmin Park
Fafner - Sorin Coliban
Alberich - Jochen Schmeckenbecher
Mime - Herwig Pecoraro
Fricka - Sophie Koch
Freia - Anna Gabler
Erda - Monika Bohinec
Woglinde - Ileana Tonca
Wellgunde - Stephanie Houtzeel
Floßhilde - Bongiwe Nakani


Unspektakulärer Vorabend
(Dominik Troger)

Die Musikdramen von Richard Wagner sind derzeit kein „Liebkind“ der Staatsoperndirektion. Nur elf Abende sind in dieser Saison seinen Werken vorbehalten. Der „Lohengrin“ wurde schon im Herbst „abgehandelt“, jetzt steht ein „Ring“ auf dem Programm, zu Ostern gibt es noch „Parsifal“.

Wenn jetzt der Eindruck entsteht, dass am Schreiber dieser Zeilen ein leichter Ärger nagt, dann ist das nicht ganz von der Hand zu weisen. „Die Meistersinger“ (zuletzt im Jahr 2012 angesetzt) werden angeblich nicht mehr gespielt, weil die Produktion zu „aufwendig“ ist. (In den 1990er-Jahren war es noch möglich, trotz dieses angeblichen Aufwands die „Meistersinger“ in den ersten Wochen einer neuen Saison anzusetzen.) Die letzte „Tannhäuser“-Vorstellung gab es im November 2014, den letzten „Fliegenden Holländer“ im September 2015 und der letzte „Tristan“ liegt zwei Jahre zurück. Auch der „Ring“ macht sich rar: zwei „Durchgänge“ in einer Saison sind schon Luxus. Und leider wiegt die Qualität der Aufführungen dieses Manko meist nicht auf.

Die aktuelle „Rheingold“-Produktion der Wiener Staatsoper stammt aus dem Jahr 2009 und erlebte an diesem Abend laut Programmzettel ihre 19. Aufführung. Auch zehn Jahre später interessiert an der optisch eher kargen Inszenierung von Sven Eric Bechtolf vor allem sein Blick auf Loge, der als „anarchistischer Langhaarträger“ mit viel Körpereinsatz den Göttern – und Wotan im Speziellen – „zu Diensten“ ist. Der Versuch, das Wesen seiner flammenzüngelnden Existenz schauspielerisch nachzubilden, erfordert aber auch einen „körperlich eloquenten“ Sänger. Die Direktion hat hier – bewusst oder per Zufall – auf Kontinuität gesetzt: in jetzt insgesamt 19 Vorstellungen haben Adrian Eröd (9x) und Norberts Ernst (8x) die Partie verkörpert (so das Online-Archiv der Wiener Staatsoper).

Norbert Ernst hat 2013 die Partie von Adrian Eröd übernommen und sehr rasch zu einer persönlichen, leicht zynisch angehauchten Rolleninterpretation gefunden. Seine Tenor ist seither gereift, etwas dunkler geworden, was die Scharfzüngigkeit Loges vielleicht ein wenig abgeschwächt hat. Aber es bereitet nach wie vor großen Genuss, wenn Ernst als Loge beispielsweise über den göttlichen Appetit auf Freias Äpfel sinniert oder wenn er Alberich die Angst vorm Riesenwurm vorspielt.

Tomasz Konieczny hat in den genannten 19 „Rheingold“-Vorstellungen dieser Inszenierung 9x den Alberich und 8x den Wotan verkörpert – und auch wenn das „Bonmot“, dass Konieczny im „Rheingold“ als „besserer Alberich“ den Wotan singt, schon einen sehr langen „Bart”.hat, ein Körnchen Wahrheit steckt immer noch darin. Koniecznys Alberich war in der Premiere für diese Inszenierung eine bestmögliche Wahl: sportlich, umtriebig, jung, und mit einem markanten Organ ausgestattet konnte er energiegeladen den Rheintöchter nachstellen und auf dem großen „Rheingold-Mineralgestäbe“ wie ein König „thronen“ und machtvoll seinen Fluch ins Auditorium schleudern. Als „Rheingold“-Wotan fehlt seiner Stimme ein wenig die göttliche Erhabenheit, um Walhall zu besingen, ein Schuss an Saturiertheit, an erlangter Fülle.

Koniecznys Wotan lebt mehr aus der Seele Alberichs, aus einer umtriebigen Natur, die ihn im „Siegfried“ dann in die Nähe eines perfiden „Handlungsreisenden“ rückt, dem sein „Projekt“ flöten geht. Koniecznys Wotan managt die Macht ohne Schopenhauer’sche Allüren, die die Figur umgeben wie einen samtgebundenen Einband. Es liegt natürlich kein Fehler darin, ich habe zugleich Koniecznys Wotan immer als sehr modern empfunden. Aber im „Rheingold“ kommt diese positive Seite noch nicht so richtig zur Geltung.

Jochen Schmeckenbecher hat in dieser Produktion bereits 6x den Alberich verkörpert – und seine Darstellung hat sich seit seinem Wiener Rollendebüt im Jahr 2013 kaum verändert: Schmeckenbecher spielt seine Stärken vor allem in Nibelheim aus, das Fluchen liegt ihm weniger. Der Versuch, hier offenbar menschlichere Züge zu zeigen, nimmt ihnen viel von ihrer Wirkung. Schmeckenbechers Bariton fehlt zudem der leichte Zug ins „brutale“, um die comicartige, tarzanähnliche Rollenzeichung Alberichs durch die Regie zu unterstreichen.

Herwig Pecoraro gab wieder seinen köstlichen Mime, klagend und ulkend, von seinem „Bruder“ gekitzelt und getreten. Die wahre Verschlagenheit des Charakters wird Pecoraro erst im Siegfried auspacken: ein würdiger Nachfolger eines Heinz Zednik. Aber vielleicht reift mit Jörg Schneider (Froh) gerade ein weiterer, erstklassiger Mime heran, den „Rheingold“-Mime hat er schon in Hamburg gesungen. Ein bisschen mehr Metall wird der Stimme auch noch zuwachsen.

Sophie Koch war mir bei ihrem Rollendebüt eine (zu) gepflegte Fricka, die muss sich erst in der „Walküre“ beweisen. Die Freia der Anna Gabler verströmte nicht unbedingt jugendlichen Stimmelan, und die Erda der Monika Bohinec konnte sich leichte stimmlich-wabernde „Wallungen“ angesichts „Wallhals“ nicht verkneifen. Jongmin Park gab einen satt konturierten, liebeträumenden Fasolt, Sorin Coliban einen etwas rauer gestimmter Fafner. Clemens Unterreiners charmierender Bariton steuerte einen nicht ganz so „donnerstarken“ Donner bei. Die Rheintöchter machten ihre Sache solide.

Allerdings beschlich einen schon während des „schwammigen“ Vorspiels und einer belanglos dahinplätschernden Rheintöchter-Alberich-Szene die bange Ahnung, dass einem hier orchesterseitig wieder einmal eine „typische erste Aufführung“ serviert werden würde – was einen in Anbetracht dessen, dass überhaupt nur eine Vorstellung angesetzt worden ist, natürlich wenig erfreut hat. Die folgenden drei „Ring“-Teile unter der Stabführung von Axel Kober haben noch deutliches Steigerungspotenzial

Der Schlussapplaus lag bei gut zehn Minuten, er fiel reichlich aus. Die Dankbarkeit, dass endlich wieder einmal Wagner gespielt wird, mag darin auch mitgeschwungen haben. Aber soll man dafür noch dankbar sein müssen, dass die Staatsoper kaum mehr Wagner auf den Spielplan setzt?!