RHEINGOLD
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Wiener Staatsoper
21. Juni 2023

Dirigent: Franz Welser-Möst

Wotan - Eric Owens
Donner - Martin Häßler
Froh - Daniel Jenz
Loge - Michael Laurenz
Fasolt - Ilja Kazakov
Fafner - Ain Anger
Alberich - Michael Nagy
Mime - Matthäus Schmidlechner
Fricka - Tanja Ariane Baumgartner
Freia - Regine Hangler
Erda - Noa Beinart
Woglinde - Ileana Tonca
Wellgunde - Alma Neuhaus
Floßhilde - Daria Sushkova


Ein Solo für Loge
(Dominik Troger)

An schwülem Gedünst war an diesem Mittwochabend kein Mangel. Der Start des zweiten „Ring“-Durchgangs wurde von einer großmeteorologischen Unwetterlage begleitet, an der sich Donners Hammer mit schwungvollem Vergnügen abarbeiten konnte. Zum Glück saß das Publikum in der Wiener Staatsoper im Trockenen und erlebte das sich zusammenbrauende Gewitter nur musikalisch.

Franz Welser-Möst, der bereits im Vorfeld erklärt hatte, er werde nach diesen Aufführungen an der Staatsoper den „Ring“ zurücklegen, dirigierte an diesem Abend seine letzte „Rheingold“-Vorstellung. Sie dauerte rund zweieinhalb Stunden. Dem alten Herrn, der neben mir stand, war es zu langsam gewesen, ich teilte seine Meinung nicht. Denn ohne jetzt eine Stoppuhr zu bemühen, die Vorstellung hatte über weite Strecken Witz und Spannung. Dass Franz Welser-Möst nicht das große Pathos beschwört, dass er den Mythos nicht besonders herausstreicht ist eine andere Sache: Sein „Rheingold“ blieb Konversationsstück und das Vorspiel samt der Zwischenspiele hätte etwas „dicker“ auftragen können.

Das Vorspiel war mir sogar wieder eine Spur zu schnell genommen, wie bereits 2009 bei der Premiere. Am Beginn der zweiten Szene könnte die Musik erhabener klingen, der Abstieg nach Nibelheim bedrohlicher etc. Dieser „Versachlichung“, wenn man es so bezeichnen möchte, stand eine Fabulierlust im Detail gegenüber, gepaart mit einem orchestralen Witz, der sich dem Gesangsensemble mit Humor hinzugesellte. Aber eigentlich war es ein Abend, der drei Sänger in den Vordergrund rückte: den Loge von Michael Laurenz, den Alberich von Michael Nagy, und Matthäus Schmidlechner in der kleinen Rolle des Mime.

Die Zeichnung des Loge ist – im Rückblick betrachtet – wahrscheinlich das Beste, was Sven-Eric Bechtolf anno dazumal bei seinem „Ring“ gelungen ist: Er ermöglicht dem Sänger ein rund zwei Stunden langes „Solo“, in dem er die Götter umtänzelt und mit anarchischem Sinnen umgarnt. Wüsste man nicht um den großen Schicksalszusammenhang, man könnte glauben, dass Loge mit raffiniertem Kalkül Wotan und seine ganze Göttersippe in eine von ihm ausgelegte Falle lockt.

Michael Laurenz hatte sich diese Figur ganz verinnerlicht: In Spiel und Gesang von wendiger Eloquenz hat er schon nach seinem Wiener Rollendebüt am 1. Juni sehr gute Kritiken geerntet. Sein Loge bestach mit einem großen Gespür für Nuancen, die Wagnerschen Stabreime mit Genuss und Intellekt zum Erklingen bringend. Sein Tenor besaß genug Kraft und klang ausgewogen pointiert, ohne unangenehme Schärfe. Dazu gesellte sich jene körperliche Wendigkeit, die Bechtolf dem Loge auf den Leib inszeniert hat: einen Körper, der wie sein Wortwitz von züngelnder Unruhe getrieben, sich zwischen allem und jedem hindurchzuschlängeln vermag.

Michael Nagy gab den Alberich mit kernigem, ebenfalls gut am Text ausgerichteten Bariton. Zudem konnte er jene Roheit vermitteln, die Alberich antreibt, um Liebe gegen Macht zu tauschen – und die Überheblichkeit, die ihn straucheln läßt. Es ist ein Kunststück Wagners, dass das Publikum in Folge mit dem Kerl sogar Mitleid hat, wenn in er Wotans Hände fällt – und Nagy vermochte die unterschiedlichen Lebensabschnitte des Alben mit starker Persönlichkeit zu vermitteln. Um bei der Zwergenverwandtschaft zu bleiben: Matthäus Schmidlechner war ein ausgezeichneter Mime. Und was Schmidlecher in dieser Rolle großartiges zu leisten vermag, das hat er bereits im „Siegfried“ des ersten „Ring“-Durchgangs bewiesen.

Das übrige reichhaltige Bühnenpersonal des „Vorabends“ konnte sich mit den vorab Genannten nicht messen. Eric Owens wurde wegen Kreislaufproblemen angesagt, brachte den Abend aber gut über die Runden. Bei den Riesen tat sich Ain Anger als goldgieriger Fafner stärker hervor als der lieberomantische Fasolt (Ilja Kazakov). Aus den Göttern stach Regine Hangler mit festem Sopran hervor, solide die Fricka der Tanja Ariane Baumgartner und der stimmschlanke Froh (Daniel Jenz). Donner (Martin Häßler) hätte ruhig kräftiger losdonnern können. Die Erda der Noa Beinart blieb „unmythisch“, die Rheintöchter gefielen sich im naiven Alberichnecken.

Fazit: Starker Schlussapplaus für diese laut Programmzettel 23. Aufführung in dieser Inszenierung und den ersten von vier „Ring“-Abenden, mit dem die Staatsoper dem Saisonende zueilt. Schließlich ist als Schlusspunkt der Saison 2022/23 am 30. Juni die „Götterdämmerung“ angesetzt.