RHEINGOLD
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Wiener Staatsoper
29.03.2000

Dirigent: Donald Runnicles

Wotan, oberster Gott - John Tomlinson
Donner, Gott - Peter Weber
Froh, Gott - Torsten Kerl
Loge, Gott - Jorma Silvastri
Fasolt, Riese - Matti Salminen
Fafner, Riese - Walter Fink
Alberich, Nibelung - Oleg Bryjak
Mime, Nibelung - Herwig Pecoraro
Fricka, Göttin - Margarete Hintermeier
Freia, Göttin - Ricarda Merbeth
Erda - Marjana Lipovseks
Woglinde, Rheintochter - Viktoria Loukianetz
Wellgunde, Rheintochter - Katalin Halmai
Floßhilde, Rheintochter - Liliane Ciuca


Glänzendes Rheingold...
(Dominik Troger)

Das Rheingold zählt eigentlich nicht zu den besonders attraktiven Opern. Es ist mehr ein musikalisch unterlegtes Konversationsstück mit symphonischen Einsprengseln. Der Vorabend des "Rings" gibt sich ein wenig boshaft bieder und wäre da nicht Loges abgrundtiefer Zynismus, könnte man es wirklich für das bürgerliche Gesellschaftsstück halten, als das es auch in Wien vor nunmehr acht Jahren auf die Bühne gestellt wurde. Nun gibt es Inszenierungen die schneller und solche die langsamer an Attraktivität verlieren - vorausgesetzt sie haben jemals eine solche besessen. In diesem Fall muss leider Letzteres angenommen werden, und wenn dann schon die Bühnentechnik beim harmlosen Wegziehen von Stoffbahnen in Schwierigkeiten kommt, dann verbessert das den Gesamteindruck nicht wesentlich. Aber voraussichtlich werden wir hier in Wien noch eine Zeitlang mit dieser Ring-Inszenierung leben müssen und es wird wunderbar zu beobachten sein, wie sie von Jahr zu Jahr mehr zerfällt.
Doch zum Glück wogen diesmal Sänger und Orchester diese wenig ansprechenden Rahmenbedingungen bei weitem auf. Das Überraschende an diesem Abend war, dass sich eine Mischung aus alterprobten Ring-Veteranen und jungen Kräften zu einer stimmigen Ensembleleistung zusammenfand - angeführt von Jorma Silvastri als Loge, der durch Wortdeutlichkeit, stimmliche Ausdrucksfähigkeit und Spiellaune brillierte. Herrlich, wenn da einer wirklich den Pointen des Textes nachzuspüren vermag und noch dazu in voller stimmlicher Präsenz. Sobald Loge die Bühne betrat, kam Schwung in die bis dahin mäßig agierende Protagonistenreihe. Da konnte auch John Tomlinson an Format zulegen (obwohl er eigentlich kein Rheingold-Wotan ist - der Rheingold-Wotan ist allerdings zum Walküren-Wotan und dem Wanderer sowieso inkompatibel). Oleg Bryjak brachte seinen Alberich - nach dem einplätschernden Flirten mit dem Rheintöchtern - auch zur Charakterstudie eines nicht abgrundtief bösen, sondern zur Bosheit gezwungenen Alben. Eine Rollenaufassung, die seiner Stimmlage entgegen kommt, die weniger dämonisch-dunkel ist. Aber es war stimmig und lässt auch für die Zukunft noch einiges erwarten. Aufhorchen ließ auch Herwig Pecoraro als Mime, der ebenso stimmlich prägnant, eine Zwergenstudie gab, die für die Zukunft das Anschließen an große Vorbilder in dieser Rolle erhoffen lässt. Den Riesen liehen ihre Stimmkraft der bewährte Matti Salminen als Fasolt und Walter Fink als Fafner. Ja, sogar bei Donner (Peter Weber) und Froh (Torsten Kerl) gab es diesmal kein unangenehmes Aufhorchen und auch Freia war mit Ricarda Merbeth wohltönend besetzt. Als verlässliche Fricka-Interpretin stützte Margarete Hintermeier das Ensemble. Da passte dann auch Marjana Lipovseks Erda ideal dazu. Und wenn man die ebenfalls sehr positiv aufhorchen lassenden Rheintöchter (Viktoria Loukianetz, fast schon eine Luxusbesetzung als Woglinde, sowie die Damen Halmai und Ciuca) nicht vergißt, dann hatte diesmal das Ensemble keinen Schwachpunkt - wahrlich phänomenal und nahezu unglaublich.
Dazu kam noch Donald Runnicles, der, und ich muss jetzt wirklich einmal ganz bewusst schreiben, derzeit der beste Ring-Dirigent an der Staatsoper ist (und nicht nur hier), und der bereits im Vorspiel die Dynamik des aufrauschenden Rheines zu einem transparenten, aber immer auch volltönenden Klingen brachte. Ihm gelingt wirklich die Synthese zwischen einer altgedienten (und immer noch gern gehörten) "romantischen" Interpretation und einer kammermusikalischen Transparenz, die aber, nicht so wie bei vielen anderen, zu Lasten des Wagnerschen Pathos geht. Ja, im Gegenteil, als Zuhörer muss man jetzt weder die ausgedeuteten Feinheiten der Partitur missen (soweit das im Repertoirealltag herauszuarbeiten möglich ist), noch die wuchtigen Orchesterschläge am Schluss des Rheingolds, gleichsam das übersteigerte Nachhallen der Götter(-Schritte), die über die Regenbogenbrücke ihrem Untergang entgegen eilen.
Da bleibt nur eines zu Wünschen übrig: eine Neueinstudierung des Rings unter Runnicles, bei der er seine Ring-Interpretation mit dem weltbesten Opernorchester in "Ruhe" ausfeilen kann - aber das wird's wohl so schnell wirklich nicht spielen...