Glänzendes Rheingold...
(Dominik Troger)
Das Rheingold zählt eigentlich
nicht zu den besonders attraktiven Opern. Es ist mehr ein musikalisch
unterlegtes Konversationsstück mit symphonischen Einsprengseln. Der Vorabend
des "Rings" gibt sich ein wenig boshaft bieder und wäre da nicht Loges
abgrundtiefer Zynismus, könnte man es wirklich für das bürgerliche Gesellschaftsstück
halten, als das es auch in Wien vor nunmehr acht Jahren auf die Bühne
gestellt wurde. Nun gibt es Inszenierungen die schneller und solche die
langsamer an Attraktivität verlieren - vorausgesetzt sie haben jemals
eine solche besessen. In diesem Fall muss leider Letzteres angenommen
werden, und wenn dann schon die Bühnentechnik beim harmlosen Wegziehen
von Stoffbahnen in Schwierigkeiten kommt, dann verbessert das den Gesamteindruck
nicht wesentlich. Aber voraussichtlich werden wir hier in Wien noch eine
Zeitlang mit dieser Ring-Inszenierung leben müssen und es wird wunderbar
zu beobachten sein, wie sie von Jahr zu Jahr mehr zerfällt.
Doch zum Glück wogen diesmal Sänger und Orchester diese wenig ansprechenden
Rahmenbedingungen bei weitem auf. Das Überraschende an diesem Abend war,
dass sich eine Mischung aus alterprobten Ring-Veteranen und jungen Kräften
zu einer stimmigen Ensembleleistung zusammenfand - angeführt von Jorma
Silvastri als Loge, der durch Wortdeutlichkeit, stimmliche Ausdrucksfähigkeit
und Spiellaune brillierte. Herrlich, wenn da einer wirklich den Pointen
des Textes nachzuspüren vermag und noch dazu in voller stimmlicher Präsenz.
Sobald Loge die Bühne betrat, kam Schwung in die bis dahin mäßig agierende
Protagonistenreihe. Da konnte auch John Tomlinson an Format zulegen
(obwohl er eigentlich kein Rheingold-Wotan ist - der Rheingold-Wotan ist
allerdings zum Walküren-Wotan und dem Wanderer sowieso inkompatibel).
Oleg Bryjak brachte seinen Alberich - nach dem einplätschernden
Flirten mit dem Rheintöchtern - auch zur Charakterstudie eines nicht abgrundtief
bösen, sondern zur Bosheit gezwungenen Alben. Eine Rollenaufassung, die
seiner Stimmlage entgegen kommt, die weniger dämonisch-dunkel ist. Aber
es war stimmig und lässt auch für die Zukunft noch einiges erwarten. Aufhorchen
ließ auch Herwig Pecoraro als Mime, der ebenso stimmlich prägnant,
eine Zwergenstudie gab, die für die Zukunft das Anschließen an große Vorbilder
in dieser Rolle erhoffen lässt. Den Riesen liehen ihre Stimmkraft der
bewährte Matti Salminen als Fasolt und Walter Fink als Fafner.
Ja, sogar bei Donner (Peter Weber) und Froh (Torsten Kerl)
gab es diesmal kein unangenehmes Aufhorchen und auch Freia war mit Ricarda
Merbeth wohltönend besetzt. Als verlässliche Fricka-Interpretin stützte
Margarete Hintermeier das Ensemble. Da passte dann auch Marjana
Lipovseks Erda ideal dazu. Und wenn man die ebenfalls sehr positiv
aufhorchen lassenden Rheintöchter (Viktoria Loukianetz, fast schon
eine Luxusbesetzung als Woglinde, sowie die Damen Halmai und Ciuca)
nicht vergißt, dann hatte diesmal das Ensemble keinen Schwachpunkt - wahrlich
phänomenal und nahezu unglaublich.
Dazu kam noch Donald Runnicles, der, und ich muss jetzt wirklich
einmal ganz bewusst schreiben, derzeit der beste Ring-Dirigent an der
Staatsoper ist (und nicht nur hier), und der bereits im Vorspiel die Dynamik
des aufrauschenden Rheines zu einem transparenten, aber immer auch volltönenden
Klingen brachte. Ihm gelingt wirklich die Synthese zwischen einer altgedienten
(und immer noch gern gehörten) "romantischen" Interpretation und einer
kammermusikalischen Transparenz, die aber, nicht so wie bei vielen anderen,
zu Lasten des Wagnerschen Pathos geht. Ja, im Gegenteil, als Zuhörer muss
man jetzt weder die ausgedeuteten Feinheiten der Partitur missen (soweit
das im Repertoirealltag herauszuarbeiten möglich ist), noch die wuchtigen
Orchesterschläge am Schluss des Rheingolds, gleichsam das übersteigerte
Nachhallen der Götter(-Schritte), die über die Regenbogenbrücke ihrem
Untergang entgegen eilen.
Da bleibt nur eines zu Wünschen übrig: eine Neueinstudierung des
Rings unter Runnicles, bei der er seine Ring-Interpretation mit dem weltbesten
Opernorchester in "Ruhe" ausfeilen kann - aber das wird's wohl so schnell
wirklich nicht spielen...
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