PARSIFAL
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Wiener Staatsoper
30.6.2010

Dirigent: Franz Welser-Möst

Amfortas - Thomas Hampson
Titurel - Ain Anger
Gurnemanz -
Matti Salminen
Parsifal -
Stephen Gould
Klingsor - Wolfgang Bankl
Kundry -
Waltraud Meier
1. Knappe - Sophie Marilley
2. Knappe - Zoryana Kusphler
3. Knappe - Alexander Kaimbacher
4. Knappe - Peter Jelosits
1. Gralsritter - Benedikt Kobel
2. Gralsritter -Marcus Pelz

Blumenmädchen 1. Gruppe -
Ileana Tonca
Lydia Rathkolb
Michaela Selinger

Blumenmädchen 2. Gruppe -

Ildikó Raimondi
Alexandra Reinprecht
Zoryana Kusphler

Stimme von oben - Zoryana Kusphler

„Alte Meister“
(Dominik Troger)

Saisonabschluss an der Staatsoper mit „Parsifal“ und zugleich Abschiedsabend für Staatsoperndirektor Ioan Holender. Placido Domingo flog für die letzte Szene sogar aus London ein.

Ein Operndirektor kann sich seine Abschiedsgeschenke sozusagen „selber“ machen, bestimmt er doch wesentlich über den Spielplan. Trotzdem gehen solche Pläne nicht immer auf. Doch bei diesem „Parsifal“ trübte nichts den von Wagnerklängen erhöhten Abschiedsschmerz. Und Holender gelang es sogar, eine letzte, „opernnarrische“ Idee zu verwirklichen: Placido Domingo ergriff noch einmal den Heiligen Speer, und sang das Finale ab „Nur eine Waffe taugt“.

Kein Wunder also, dass diese Vorstellung ausverkauft war – und nach der zweiten Pause schien das Haus voller zu sein als bei Beginn, ein beim „Parsifal“ außergewöhnlich selten anzutreffendes Phänomen.

Der Parsifal lag zweidreiviertel Akte lang bei Stephen Goulds Staatsopern-Rollendebüt in kräftiger Kehle, wirkungsvoll im zweiten Aufzug, im ersten und dritten vielleicht eine Spur zu unlyrisch. Er vermittelte den jungen „Nichtswisser“ recht gut, hat er sich doch als Sänger eine ursprünglich-natürliche Art bewahrt. Im zweiten Aufzug schien er vor Kundry in Totenstarre zu verfallen – und Waltraud Meier angelte sich Parsifal wie eine Spinne ihr Opfer.

Mit Meier kann überhaupt nichts schiefgehen, ihre Bühnenpräsenz, ihr seltsam geringschätziges Lächeln, mit dem sie die „mütterlichen Interjektionen“ Parsifals kommentiert, ihrer Sache sicher, und doch irgendwie von einer delikat zurückhaltenden Lüsternheit umfangen. Der Tenor kann hier nur erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange – umso bemerkenswerter, wenn sich er sich trotzdem aus ihrer Umklammerung zu lösen vermag, um mit „Amfortas ..." loszulegen.

Meier schien bis zum „Kuss“ ein wenig auf Stimmschonung bedacht, aber was ihr die lange Karriere vom Timbre abgeschmirgelt hat, machte sie mit Ausdruck und sehr klugem Haushalten wieder wett. In den entscheidenden Momenten legte Stimme dann wieder jene Durchschlagskraft und Wahrhaftigkeit an den Tag, die ihre unikate Stellung als Wagnersängerin unterstreichen. Das „und ... lachte“ fuhr einen abermals durch Mark und Bein. Das ist einer jener Meier-Momente, auf die man als Zuhörer konditioniert ist wie ein Pawlow’scher Hund.

Matti Salminen war noch mehr am Haushalten als Meier, würdig im Ausdruck, aber ziemlich kräfteschonend unterwegs. Vor allem den erste Aufzug prägte eine merkbare stimmliche Zurückhaltung. Thomas Hampson, auch mit schon leicht angerauter Stimme, gab einen kantablen, geschmackvollen Amfortas, der mehr die inneren Leiden zu vermitteln suchte als blutwallende Schmerzausbrüche „Marke“ Falk Struckmann. Hampson gab als Amfortas ebenfalls Rollendebüt an der Staatsoper

Dass die Inszenierung einst auf den Amfortas von Thomas Quasthoff maßgeschneidert worden war, merkte man bei einem Darsteller, der fast zwei Meter misst, gleich doppelt so deutlich; allein diese rustikale Tragbahre mit dem aufgestellten Kopfteil, die der darauf liegendkauernde Hampson deutlich überragte; oder die Szene, wenn er mit der „Kindergeburtstagkrone“ über die leere Bühne geht. Das passte so nicht zusammen.

Wolfgang Bankl steuerte seinen gesanglich und darstellerisch beachtlichen Klingsor bei, im Sinne dieser Inszenierung ein kraftvoller, brutaler Zuhältertyp. Ain Anger sang einen noblen Titurel. Die Blumenmädchen hinterließen an diesem Abend keinen so guten Eindruck.

Und dann kam Placido Domingo – vom Direktor persönlich vor dem dritten Aufzug angekündigt. Der Bitte, keinen Szenenapplaus wie bei einer „Wahlkampfveranstaltung“ zu entfachen, um den „Parsifal“ nicht zu stören, wurde entsprochen. Domingos Auftritt wurde von vielen Besuchern im Haus mit großer Dankbarkeit und Rührung aufgenommen.

Das Orchester spielte – wie immer unter Franz Welser-Möst – klanglich wunderbar, oft sehr fein und zart Nuancen artikulierend, dann wieder wuchtig bis zur gewaltig aufdonnernden Verwandlungsmusik im dritten Aufzug. Der erste Aufzug brachte insgesamt wenig Spannung, der zweite Aufzug gewann nach Kundrys Kuss viel an Format, der dritte fand nach einem sich aus den Streichern süchtigmachend aufrankendem Karfreitagszauber einen würdevollen Abschluss.

Was auffällt, dass bei Welser-Mösts Wagner-Dirigaten dort, wo die Musik stärker „kommentierend“ wird, eine Neigung zur analytischen Verflachung in einer spannungsarmen, schön anzuhörenden „impressionistischen Bebilderung“ besteht. Beim „Parsifal“ ist das weniger störend als beim „Ring“, wo der Orchesterpart, so mein Eindruck, doch ein stärkeres „Eigenleben“ zu entwickeln im Stande sein sollte.

Die Schlusschoreographie der „erlösten Arbeiter“ (so wie sich Christine Mielitz das für die Premiere dieser Produktion im Jahre 2004 ausgedacht hat) hatte man insgesamt ein wenig abgeändert, wohl um den nachfolgenden kurzen Festakt besser anschließen zu können. Stark war der Schlussapplaus – und bei zwei (!) Parsifal-Darstellern zum Schlussvorhang – da muss er auch sehr kräftig ausfallen!

Es folgte die offizielle Verabschiedung Ioan Holenders auf dicht gefüllter Bühne. Eine kurze, nicht gerade berauschende Rede der amtierenden Unterrichtsministerin leitete über zu Holenders Abschiedsworten. Er bedankte sich – unter anderem bei seiner Ehefrau, die ihn all die Direktoriums-Jahre hindurch „ertragen“ habe – und zitierte kurz aus einem Brief seines Amtsnachfolgers, dem er ein paar trocken-ironisierende Fußnoten anfügte. Dominique Meyer weilte nicht im Haus, er verabschiedete sich an selbigem Abend von seinem Pariser Publikum. Dann übergab Holender den Goldenen Schlüssel der Staatsoper interimsmäßig an Georg Springer, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding.

Die Quintessenz von Holenders Abschiedsbotschaft richtete sich an die herrschenden Politiker, die Staatsoper in Ehre zu halten und für dieses österreichische Kulturgut ersten Ranges wieder mehr Interesse zu zeigen. Auffallend war auch, wie Holender in seiner Danksagung das Staatsopernorchester in den Mittelpunkt rückte, um es als Basis für den hohen Stellenwert der Staatsoper in der Musikwelt herauszustreichen.

Das Publikum spendete reichlich Abschiedsapplaus: Eine Ära ist zu Ende gegangen.