PARSIFAL
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Wiener Staatsoper
1.4.2010

Dirigent: Peter Schneider

Amfortas - Falk Struckmann
Titurel - Ain Anger
Gurnemanz -
John Tomlinson
Parsifal -
Christopher Ventris
Klingsor - Wolfgang Bankl
Kundry -
Petra Lang
1. Knappe - Sophie Marilley
2. Knappe - Janina Baechle
3. Knappe - Alexander Kaimbacher
4. Knappe - Peter Jelosits
1. Gralsritter - Benedikt Kobel
2. Gralsritter - Zoltán Nagy

Blumenmädchen 1. Gruppe -
Ileana Tonca
Lydia Rathkolb
Roxana Constantinescu

Blumenmädchen 2. Gruppe -

Ildikó Raimondi
Alexandra Reinprecht
Nadia Krasteva

Stimme von oben - Janina Baechle

„Augen zu, Ohren auf“
(Dominik Troger)

„Parsifal“ am Gründonnerstag hat Tradition. Zwar kann man von der derzeit an der Wiener Staatsoper gezeigten Inszenierung schwer auf ein österliches Heilsmysterium schließen, aber es gibt ja noch die Musik und die Dichtung.

Um Missverständnisse zu vermeiden: den „Parsifal“ als „Karfreitagsoper“ zu bezeichnen, greift zu kurz. Konfessioneller Festlegung entzieht sich Handlung, auch wenn sich ihr Gehalt stark von christlicher Symbolik nährt. Wagner selbst hat in seiner späten Schrift „Religion und Kunst“ gewisse Hinweise gegeben, deren Kenntnis oder Unkenntnis aber kaum zur unmittelbaren Bühnenerfahrung des Werkes beitragen. Wagner konnte natürlich mit einem „christlich“ sozialisierten Publikum rechnen, und seine Vision von einer Erneuerung des Menschengeschlechtes, der man religiöse Züge kaum absprechen kann, entwickelte sich am Vorbild der Jesus-Figur, nutzte in humaner und moralischer Hinsicht deren Ressourcen, um dann mit Parsifal den neuen, heilbringenden Gralskönig zu inthronisieren.

In der Staatsopern-Inszenierung wird am Schluss bekanntlich der Gral selbst zertrümmert. Das was falsche (!) Hoffnung gab, wird zerstört, und die Gralsritter schaffen sich gleichsam selbst ab. Parsifal wird zum Revolutionär. Man hat die Milietz’sche Inszenierung auch in Richtung DDR gedeutet und Mauerfall – nun, das war im Premierenjahr 2004 sicher aktueller als heute. Die durchaus griffigen Mielitz’schen Figurenaufstellungen funktionieren zwar noch dann und wann, etwa bei der Bedrohung Kundrys im ersten Aufzug oder bei den Leiden des Amfortas, vor allem im dritten Aufzug, wenn er darum bettelt, ermordet zu werden. Trotzdem erinnert man sich viel zu oft an Thomas Quasthoff, das gestaltgewordene Amfortas-Symbol, dem Angelpunkt dieser ganzen Produktion. Ihre 27. Aufführung wirkte szenisch jedenfalls schon ziemlich ergraut. Da half nur eines: Augen zu, Ohren auf – und die eigene Vorstellungskraft bemühen.

Musikalisch gab es ohnehin viel zu hören, zum Beispiel ein würdig aufspielendes Staatsoper-Orchester, das unter der bewährten Leitung von Peter Schneider ein klares, transparentes Klangbild entfaltete. Schneider baute dem musikalischen Strom ein nicht zu breites Bett, in dem dieser dann meist mit konzentrierter Ruhe dahin floss, aber nicht zu langsam, sich auch feiner verästelnd, auf die Katarakte der Verwandlungsmusiken gemessen zuströmend, in denen das Göttliche menschliche Ehrfurcht und Demut einfordert. Der Gesamteindruck der Wagner’schen Orchestersprache war allerdings ein wenig „säkularisiert“, das Niveau für die erste Vorstellung im Rahmen einer Aufführungsserie im Repertoire beeindruckend hoch.

Mit Petra Lang stellte sich eine neue Kundry dem Wiener Publikum vor. Nicht nur ihre „Hitchcock-Schreie“ waren bemerkenswert, ihre Diktion vorbildlich. Ihre Interpretation entwickelte sich mehr aus der menschlichen Gefühlswelt einer selbstbewussten Kundry, weniger aus dem mythischen Zusammenhang. In der Verführungsszene wurde mit wohldosierter Erotik gearbeitet, mit ihrem Mezzo umgarnte sie Parsifal vorsichtig mit geschmeidiger Beredsamkeit. Die Stimme bestach in der Mittellage durch angenehme Fülle, in den dramatischen Passagen stand dann eher die Ausdruckskraft im Mittelpunkt.

Christopher Ventris war ein mehr im Lyrischen verwurzelter Parsifal. Seine Stimme und Bühnenwirkung haben sich im Vergleich zu seinem Wiener Parsifal-Debüt von 2003 kaum verändert. Beide nährt eine sympathische Beständigkeit, für die „große“ Bühnenwirkung ist alles dann doch wieder eine Spur zu zurückhaltend.

John Tomlinsons Gurnemanz wurde von einer langen Sängerkarriere getragen, er fand in den mehr erzählenden Passagen zu großer Ausdruckskraft, von einer nach wie vor sehr kräftigen und repräsentativen Mittellage gestützt. Schade, dass vor allem im ersten Aufzug sich die Stimme bei dramatischen Ausbrüchen schon limitiert zeigte, mit deutlichen Erosionserscheinungen in der Höhe.

Falk Struckmann steigerte sich als Amfortas wieder zu kräftig und intensiv vorgetragenen Leiden und Selbstvorwürfen, die Stimme energiegeladen und ohne Erinnerung an frühere Probleme. Wolfgang Bankl ist längst zum Wiener „Haus-Klingsor“ avanciert. Er ist in dieser Partie eine „sichere Bank“, und realisiert sie problemlos mit dem geforderten Durchsetzungsvermögen und Machtanspruch. Ain Anger formulierte als Titurel eindrücklich sein Begehren. Knappen und Blumenmädchen agierten zufriedenstellend, ein prächtiger Chor ergänzte den Abend.

Die insgesamt sehr ansprechende Aufführung war um halb Elf zu Ende (Beginn 17.30 Uhr und nicht wie gewohnt 17.00). Das Publikum applaudierte und spendete viele Bravorufe, der Beifall blieb aber unter einer Länge von zehn Minuten.