PARSIFAL
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Staatsoper
12. April 2023

Musikalische Leitung - Philippe Jordan



Amfortas - Michael Nagy
Gurnemanz - Franz-Josef Selig
Parsifal - Klaus Florian Vogt
Klingsor - Derek Welton
Kundry - Ekaterina Gubanova
Der damalige Parsifal (Schauspieler) - Nikolay Sidorenko
Titurel - Wolfgang Bankl
1. Gralsritter - Carlos Osuna
2. Gralsritter - Jusung Gabriel Park
1. Knappe - Patricia Nolz
2. Knappe - Alma Neuhaus
3. Knappe - Lukas Schmidt
4. Knappe - Ted Black
1. Blumenmädchen/1. Gruppe - Ileana Tonca
2. Blumenmädchen/1. Gruppe - Miriam Kutrowatz
3. Blumenmädchen/1. Gruppe - Aurora Marthens
1. Blumenmädchen/2. Gruppe - Celina Mun
2. Blumenmädchen/2. Gruppe - Jennie Hietala
3. Blumenmädchen/2. Gruppe - Patricia Nolz


„Lohengrin in der Gralsburg

(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper ist zu „alten Bräuchen“ zurückgekehrt und garniert die Osterfeiertage wieder mit Richard Wagners „Parsifal“. Um den staatsopernerfahrenen Gurnemanz von Franz-Josef Selig gruppierte sich eine Reihe an Hausdebüts. Vor allem Klaus Florian Vogts Wiener Erstauftritt als Parsifal machte neugierig.

Klaus Florian Vogt hat in Wien in Sachen Wagner vor allem als Lohengrin reüssiert. Achtzehn Vorstellungen weist das Online-Archiv der Wiener Staatsoper aus, dazu gesellen sich noch sechs Vorstellungen als Erik. Aber würde sich Vogts Tenor für den Vater ebenso gut eignen wie für den Sohn? Die Torheit Parsifals ist mit den fernen Landen, aus denen Lohengrin in Elsas Leben tritt, nicht zu vergleichen. Parsifal reift vom ungehobelten Burschen zum Gralskönig, Lohengrin bleibt drei Aufzüge lang das, was er ist: eine seltsame Wundererscheinung, für die Vogts Tenor sehr passend jenen feinen, silbrig-ätherischen Ton beisteuern kann, der die Figur nahezu in ein asexuell-metaphysisches Wesen transformiert.

Bei Vogts Parsifal fiel auf, dass er immer wieder in eine sehnsuchtsvolle Unschuldsverzückung verfiel,  sich ganz auf seine tenoralen Stärken besinnend. Man konnte den Eindruck haben, dass er im Vater den Sohn suchte, um die Aura des Grals mit priesterlich-keuschem Aufleuchten zu beschwören. Damit erzielte er oft sehr schönen Effekt, wurde Parsifal von der Gloriole des Gralslichtes umschimmert wie eine Heiligenfigur. Wenn diesen Heiligen die Versuchung oder Erkenntnisringen plagten, gesellte sich zur gralsweltlichen Pianounschuld im Forte allerdings des öfteren eine leicht forcierte Grellheit hinzu wie eine missliche Überdehnung der sakralen Parsifal-Seele, in der Vogt es sich so gütlich eingerichtet hat. Und die manchmal ungewohnt rau klingende Mittellage ließ mich im zweiten Aufzug sogar kurz an eine sich anbahnende Indisposition denken. Aber Vogt stand, eben auf seine Art,  den dritten Aufzug genauso durch wie die ersten beiden.

Meine Diagnose geht in die Richtung, dass Vogt aufgrund seines sehr speziellen Tenors beim Lohengrin besser aufgehoben ist als beim Parsifal. Der Parsifal zeigt bereits die Grenzen seiner Stimme auf, auch wenn er diese Grenzen mit künstlerischer Gewandtheit auszuloten versteht. Aber das Repertoire des Sängers umfasst inzwischen sogar den Tannhäuser und den Siegfried! Wie passt das zusammen? Im Juni wird er sein Staatsopern-Debüt als Jung-Siegfried geben. Man wird sich diesbezüglich also bald selbst eine Meinung bilden können. Vom Aussehen ist Vogt natürlich ein Held wie aus dem Bilderbuch geschnitten und darstellerisch muss er in dieser „Parsifal“-Neuinszenierung von Kirill Serebrennikov aus dem Jahr 2021 wenig leisten. Diesbezüglich wird er durch einen schweigenden Schauspieler (Nikolay Sidorenko) eindrucksvoll vertreten. (Details zur Inszenierung können in früheren Besprechungen nachgelesen werden.)

Jede Kundry hat in dieser Produktion das Problem, dass sie gegen die szenischen Banalitäten des zweiten Aufzugs ansingen muss, die Serebrennikov dem Publikum zumutet. Das gilt natürlich auch für Ekaterina Gubanova, die sich in dieser Aufführungsserie zum ersten Mal dem Wiener Publikum als Kundry vorstellt. Ihr unruhig strömender, etwas eng geschnürter Mezzo klang bei Spitzentönen angestrengt und erweckte auch sonst in mir nicht jenen erotisch geschwängerten, mythischen Seinszusammenhang, der laut Libretto und Musik die Handlung bestimmt. Der Gurnemanz von Franz-Josef Selig war Parsifal und Kundry ein mentaler Leiter, ein verlässlicher Bezugspunkt in der Handlung des ersten und dritten Aufzugs, der laut Serebrennikov in einer brutalen Gefängnisumgebung zu spielen hat. Seligs Gurnemanz weiß, wie man die Dinge zum Besten wenden kann. Er hat die Partie schon vor zwanzig Jahren an der Staatsoper gesungen, inzwischen ist sie gereift, hat sich seine Darbietung eine abgeklärte Autorität erworben, die ihn wohltuend aus dem Ensemble heraushob. Michael Nagy gibt in dieser Aufführungsserie sein Wiener Rollendebüt als Amfortas: ein etwas heller, durchschlagskräftiger Bariton, der in der Ausformulierung seiner Amfortas-Qualen insgesamt auf mich zu eindimensional wirkte. Der Klingsor von Derek Welton (in dieser Inszenierung Chefredakteur einer Modezeitschrift) war stimmlich glatt und geheimnislos „unterwegs“  auch er mit Staatsopern-Rollendebüt in dieser Aufführungsserie. Wolfgang Bankl, in früheren Jahren ein bewährter Klingsor, sang den Titurel. Wuchtig und einfühlsam, je nach Bedarf, der Chor der Gefangenen – wobei, das ist eigentlich eine andere Oper.

Das Orchester unter Philippe Jordan spielte mit einem leicht gesättigten, „angewärmten“ Klang, der dem weiten Gefühlsspektrum von Wagners Musik einen guten Nährboden bot. Die frühlingssüchtigen Blumen des Karfreitagszaubers fanden ausreichend Substrat, um sich daraus lüstern emporzuranken, die Tongebirge der Verwandlungsmusiken reckten sich mit imposanter Wirkung auf. Das Vorspiel des ersten Aufzugs wogte in ruhiger Breite, die lange Erzählung des Gurnemanz wurde seitens des Orchesters mit einiger Dramatik gestützt. Im Wesentlichen achtete Jordan darauf, die Sänger in den Orchesterfluten nicht untergehen zu lassen und ihnen genug Freiraum zu geben. Der Spannungsbogen hielt zwar nicht durchgehend, aber es gab diese Bewegung auf ein Ziel hin, die die „Heldenreise“ des Parsifal charakterisiert. Der zweite Aufzug war der schwächere, zu stark auch geprägt durch seine szenische Halbparodistik. Außerdem rechtfertigt sich eine überlange Generalpause nach Kundrys „und lachte“ im zweiten Aufzug nur dann, wenn Kundry sie mit ihrer ganzen emotionalen Erschütterung „auszufüllen“ vermag: wie ein Moment der Erkenntnis von Schuld und Sühne, der beim Publikum tiefe Betroffenheit auslösen soll  – ehe sich die Musik wieder in Gang setzt. Sobald die Pause aber als Pause wahrgenommen wird, verliert sie ihre Spannung und wird zum Manierismus. 

Nach dem ersten Aufzug gab es kurzen, nicht sehr starken Beifall, ohne zurechtweisende Zischer. Der Schlussapplaus lag bei rund sechs Minuten. Die Vorstellung war sehr gut besucht, auch wenn einige teure Plätze und einige mit schlechter Sicht leer geblieben waren. Auf dem Galeriestehplatz hat man sich nicht gedrängt. Die vierte und letzte Vorstellung der Aufführungsserie folgt am kommenden Sonntag.

PS: Die Terrasse ist derzeit wieder einmal geschlossen, weil die Bodenplatten Probleme machen.