PARSIFAL
|
Home |
Wiener Staatsoper Dirigent: Adam Fischer |
Amfortas - Michael Volle |
Blumenmädchen
1. Gruppe - Iride Martinez Regine Hangler Margaret Plummer Blumenmädchen 2. Gruppe - Annika Gerhards Hyuna Ko Zoryana Kushpler Stimme von oben - Zoryana Kushpler |
Die dritte und letzte „Parsifal“-Aufführung des Osterfestkreises rundete sich an der Wiener Staatsoper zu einer stimmigen Aufführung. Der laue Märzabend lud außerdem zum Genuss der Terrasse ein, die das Publikum jetzt wieder in vollen Zügen bespielen darf. Wagners „Parsifal“ ist voll von Natur- und Frühjahrsstimmung. Der Karfreitagszauber ist eine große Huldigung an das süchtigrankende Ans-Licht-Drängen des Pflanzenreichs nach dem Winter, das üppig mit prallen Knospen und sonnenhungrigen Blüten das Land in Pracht setzt. Um diese vegetative Erneuerung des Lebens zu spüren, bedarf es keiner besonderen Religiosität – auch wenn es mit der Auferstehungsmetaphorik der christlichen Religion Übereinstimmungen gibt. Der Staatsopern-„Parsifal“ in seiner derzeitigen, von Christine Mielitz in Szene gesetzten Form, weiß aber weder von Natur noch von Religion und endet mit der Erlösung des „Schweißerkombinats Eisenhüttenstadt“ aus der Macht des im Finale zertrümmerten Grals. Doch offenbar ist für die nächste Saison eine Neuinszenierung angedacht – die Spielplanvorstellung nächste Woche wird das Geheimnis lüften. Um mich nicht ganz misszuverstehen, die Inszenierung aus dem Jahr 2004, von der an diesem Abend laut Programmzettel die 48. Vorstellung gespielt wurde, hat auch Verdienste. Milietz hat es ausgezeichnet verstanden, das Antreten von Thomas Quasthoff in die Wagner’sche Schmerzens-Ikonographie einzubinden. Es wird in absehbarer Zeit schwerlich einen Amfortas geben, der durch Einbeziehung seines ganz persönlichen Schicksals den transzendierenden Mitleidsaspekt des Werkes besser zur Geltung bringen könnte. Quasthoff hat die Partie laut dem Online-Archiv der Wiener Staatsoper aber nur neun Mal am Haus gesungen – zuletzt im Jänner 2005. Über die Jahre hat das Stammpublikum bei dieser Inszenierung aber vor allem eines gelernt, die Augen rechtzeitig zu schließen – vor allem wenn Scheinwerferbatterien bösartig ihre Strahlen auf das Publikum richten. Dieser Aktionismus hat mir die Produktion schon bei der Premiere schwer verleidet. Die drei diesjährigen Aufführungen des Werkes mischten viel Bewährtes mit einer spannenden Neuerung: Falk Struckmann hat sich vom Amfortas zum Gurnemanz gewandelt. Die unverkennbare Bühnenautorität dieses Struckmann’sche Gurnemanz beruhte nicht auf einer besonders väterlich-balsamisch unterfütterten Stimme, sondern mehr auf einer anhand praktischer Erfahrung erworbenen rauen Schale, an der die kundryquälenden Knappen einen in der Vergangenheit ehrfurchtgebietenden, durchschlagsfähigen Kämpfer erkennen konnten. Dadurch passte Struckmann sehr gut in das Ambiente dieser Inszenierung, in das männerbündlerische Degenfechten des ersten Aufzugs – und in den kargen Realismus der Ausstattung. Der Sänger wusste zudem seine langen Monologe wortdeutlich und sinnbezogen zu gestalten. Und es tat offenbar auch seiner nach wie vor kräftigen und kernigen Stimme gut, sich in abgeklärteren Gefilden ausbreiten zu dürfen. Im Gegensatz dazu stand Michael Volle, der seinen Amfortas zuerst mit fast demütig-weicher Lyrik versah, eher er in seinen schmerzvollen Ausbrüchen mit seinem weich unterlegten Bariton mächtige Klage führte. Diese Stimme bewies gleichsam das aristokratische Geblüt des Graskönigs – im duldenden Ertragen wie in der schmerzenden Pein und das volltönende Timbre wurde auch im Forte nicht geschmälert. Im Spiel agierte Volle etwas zurückhaltend, überzeichnet hat er jedenfalls nicht. Stephen Gould ist nach seiner Auszeit mit verlässlich-heldischer Stimmkraft wieder an die Wiener Staatsoper zurückgekehrt. Sein Parsifal erinnerte mich ein wenig an seinen Siegfried – ein mächtiger, sympathischer und auch ein wenig unberechenbarer Kerl. Bis auf die gestemmten Spitzentöne, die ihm einige Mühe machten, klang seine Stimme ausgeruht und kraftvoll und wieder mit dem honigbraunen Timbre unterlegt, dass sie in eine feine Schichte aus Plüsch packt. Violetta Urmana hat als Kundry an große Rollenvorgängerinnen nicht ganz anschließen können. Zwar hatte ihr Sopran bis auf forcierte und scharfe Spitzentöne alles im Griff, aber ihre Kundry blieb im Gesamteindruck für mich doch mehr „opernhaft-konventionell“. Boaz Daniel war ein zu harmlos wirkender Klingsor, und das gesangliche Aufblühen der Blumenmädchen wurde dann und wann von zu markanten „Blüten“ getrübt. Dem Staatsopern-Chor gebührt natürlich die volle Wertschätzung, auch wegen der nicht ungefährlichen Platzierung bei den Mielitz’schen Bühnenmaschinenspielen. Adam Fischer und das Staatsopernorchester sorgten für eine stimmige musikalische Umsetzung, die sich mit einem uneitlen Pragmatismus dem natürlichen Fortschreiben der Handlung widmete. Das Klangbild wirkte weder „überpoliert“ noch einem schwerblütigen Mystizismus unterworfen. Die Tempowahl wirkte stimmig. Mit dem erste Aufzug blieb Fischer etwas unter 1 Stunde und 50 Minuten. Besonders schön gelang der dritte Aufzug, eine edle, fast klassizistisch überhauchte Parsifal-Klangtapete, mit planen, fugenlosen Streicherflächen, in das Mattgold eines sonnigen (Vor-)Frühlingstages getaucht. Die Verwandlungsmusiken durften kraftvoll Aufrauschen. Auch die Bläser waren sehr gut disponiert. Fischer ließ sich nach dem ersten Aufzug lange Zeit, ehe er die Arme langsam – zuerst den einen, dann den anderen – senkte. So verhinderte er das Einsetzen störenden Applauses und sorgte für ein würdiges und besinnliches In-die-erste-Pause-Gehen. Der
starke Schlussapplaus währte rund acht Minuten lang und umfasste
neben den Sängern auch den Dirigenten. |