PARSIFAL
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Wiener Staatsoper
8. April 2015

Dirigent: Adam Fischer

Amfortas - Michael Volle
Titurel - Ryan Speedo Green
Gurnemanz - Stephen Milling
Parsifal - Johan Botha
Klingsor - Boaz Daniel
Kundry -
Angela Denoke
1. Knappe - Catherine Trottmann
2. Knappe - Hyuna Ko
3. Knappe - Jasons Bridges
4. Knappe - Peter Jelosits
1. Gralsritter - Michael Roider
2. Gralsritter - Yevheny Kapitula

Blumenmädchen 1. Gruppe -
Ileana Tonca
Olga Bezsmertna
Stephanie Houtzeel

Blumenmädchen 2. Gruppe -
Hila Fahima
Hyuna Ko
Suzanne Hendrix
Stimme von oben - Monika Bohinec


„Klangschönes Ritual“

(Dominik Troger)

Die österlichen „Parsifal”-Aufführungsserie an der Wiener Staatsoper folgt seit Jahren fast einem liturgischen Schema: Gründonnerstag, Ostersonntag, Mittwoch nach Ostern. Und der karfreitägige Bezug des Werkes sichert diesem immerhin den jährlichen Platz im Repertoire.

Mit Wagneraufführungen wird das Staatsopernpublikum immer weniger verwöhnt. Der eben bekannt gegebene Spielplan für die kommende Saison 2015/16 scheint bezogen auf die Anzahl der Aufführungen einen Tiefpunkt zu markieren. Nur ein einziger „Ring”-Durchgang, kein „Tristan”, kein „Tannhäuser”, keine „Meistersinger”. Die Anzahl der Wagner-Aufführungen verringert sich auf 14 (aktuelle Saison: 22).

Es war eine „Parsifal”-Vorstellung im Sinne feierlicher Gemessenheit, die das Haus mit schönem, warmem Wohlklang füllte, in den Verwandlungsmusiken zu jener Erhabenheit fand, die Hochgebirgspanoramen dem Betrachter einflößen, um ihm dann wieder Erholung auf weichen klaren Streichermatten zu gewähren, von zartem, sonneerhelltem Kolorit umflort. Adam Fischer stand am Pult und schien erfahrungsweise auf den weihevollen Impetus von Wagners Musik zu vertrauen, ohne dabei religiös-schwärmerisch oder übertrieben analytisch zu werden oder die Spannung mit Überdruck aufzuheizen. So rundete sich der Abend zu einem geschlossenen Gesamteindruck, baute auf ein ausbalanciertes Klangbild und das prächtig-klangvolle Blech sorgte für strahlende Einwürfe. Die Aufführung dauerte bis kurz nach 22 Uhr, übermäßig schnell geschritten wurde also nicht.

Mit Angela Denoke und Johan Botha standen zum ersten Mal seit der Premierenserie 2004 beide Darsteller wieder gemeinsam in dieser Produktion auf der Staatsopernbühne. Die Stimmen sind etwas reifer geworden, und der reine Tor des Johan Botha sang mit einer schon deutlich nachgedunkelten Klangfarbe und natürlich mit gewohnt wohldosiertem und raumfüllendem Tenor. Mag Botha dem Parsifal vielleicht sogar schon ein bisschen entwachsen sein, seine Fähigkeit zum stimmlichen „Fine-tuning“ verblüfft immer wieder. Und wo andere Tenöre zum Forcieren neigen, macht er plötzlich Reserven locker, und die Stimme bekommt einen Anschub wie von einer eben gezündeten zweiten Raketenstufe.

Angela Denoke gebiert ihre Kundry aus der Erotik, lasziv umgarnte sie den sich zum Kuss etwas schwerfällig auf dem Boden drapierenden Parsifal, der dort in erwartungsvoller Starre verharrte. Allein Kundrys Auftritt in dem scharlachroten Kleid war schon eine gelebte „Sünde“. Denoke erreichte in ihrer Interpretation zwar nicht die mythische Dichte einer Waltraut Meier, aber sie wandelte sich im zweiten Aufzug zur perfekten Verführerin, um im dritten das Dienen mit geläuterter Demut auszuleben. Die dramatischen Ausbrüche Ende des zweiten Aufzugs wurden von Denoke stimmlich eher knapp bemessen, ihre großen Stärken hat sie schon vorher ausgespielt.

Auch der Gurnemanz von Stephen Milling war in seiner guten Diktion altbewährt (Wiener Rollendebüt vor zehn Jahren). Milling vermag die lange Erzählung im ersten Aufzug fesselnd, ganz aus dem Wort zu gestalten. Die Stimme ist eher heller timbriert, besitzt mehr Wohlklang als „Schwärze“, was der Figur eine menschliche Milde beigesellt, die das Wagner’schen Mitleidsethos anspricht. Der Sänger hat die erste Aufführung der Serie wegen einer Verkühlung kurzfristig absagen müssen. Kurt Rydl war eingesprungen.

Dafür ließ sich an diesem Abend Michael Volle (Amfortas) wegen einer beginnenden Verkühlung ansagen. Auch sein Organ besitzt ein angenehmes Timbre, streicht weniger mit „kerniger“ Dramatik die Qualen und das Leiden heraus. Wobei der Sänger aus obgenannten Gründen in dieser Vorstellung möglicherweise etwas Vorsicht walten ließ. Boaz Daniels Klingsor entwickelte zu wenig Dämonie, auch wenn der Sänger mit der Partie prinzipiell gut zu recht kam. Der Titurel des Ryan Speedo Green geriet mehr zum Stichwortgeber. Die Blumenmädchen klangen homogen, ohne allzugroße „Ausreißer“. Prächtig sang der Staatsopernchor.

Über die Inszenierung kann auch nach der 45. Vorstellung dieser Produktion eifrig diskutiert werden. In der ersten Pause kam ich mit einem spanischen Philosophie-Professor und Nietzsche-Spezialisten ins Gespräch, der die Inszenierung lobte, weil sie in Schopenhauer-Wagner’schem Sinne die Zuseher auf ein, von jeglichem Ritual abgelöstes „Mitleid“ zurückführe, um dort das „Allgemein-menschliche“ zu finden. In diesem Sinne wäre auch die Zerstörung des Grals, die Regisseurin Christine Mielitz mit akribischer Plakativität an den Schluss ihrer „Parsifal“-Deutung gesetzt hat, nur logisch.