PARSIFAL
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Wiener Staatsoper
21.4.2011

Dirigent: Ingo Metzmacher

Amfortas - Falk Struckmann
Titurel - Ain Anger
Gurnemanz - Franz-Josef Selig
Parsifal - Christopher Ventris
Klingsor - Wolfgang Bankl
Kundry -
Waltraud Meier
1. Knappe - Stephanie Houtzeel
2. Knappe - Juliette Mars
3. Knappe - Herwig Pecoraro
4. Knappe - Peter Jelosits
1. Gralsritter - Benedikt Kobel
2. Gralsritter - Janusz Monarcha

Blumenmädchen 1. Gruppe -
Lydia Rathkolb
Elisabeta Marin
Simina Ivan

Blumenmädchen 2. Gruppe -

Ildikó Raimondi
Anita Hartig
Juliette Mars

Stimme von oben - Juliette Mars

„Gründonnerstag ist Parsifal-Tag“
(Dominik Troger)

Gründonnerstag ist an der Staatsoper „Parsifal“-Tag. Kindeskinder des Meisters mögen darüber enttäuscht sein, dass die Verankerung des Werkes in der Karwoche so hartnäckig gelebt wird, aber tun Regisseurinnen und Regisseure ohnehin nicht alles, um dem Werk seine erlösungssüchtige Kunstreligion auszutreiben? Da darf man als ganz „normaler“ Opernfan seine Rituale schon hoch und in Ehren halten.

Noch dazu, wenn man so direkt wie in dieser aufklärerischen, sozial-utopischen Staatsoperninszenierung von Christine Mielitz auf den Gral-Popanz hingewiesen wird. Und wenn der Gral im Finale plump und lieblos auf den Boden klatscht, um sich dort in seine Bestandteile aufzulösen, dann bekommt das Publikum einen heftigen Nasenstüber, damit es nicht die Weihe, sondern der Schmerz zum Weinen bringe. Doch die kollektive Schlusströstung durch das Schweißerkombinat Eisenhüttenstadt mag für den erlittenen Schmerz entschädigen ...

Ingo Metzmacher stellte sich dem Wiener Publikum erstmals als „Parsifal“-Dirigent vor. Metzmacher hat 2009 am Haus die überaus erfolgreiche Premiere von Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ betreut. Seine „Parsifal“-Interpretation atmete die Klarheit des Montsalvat’schen Waldes, ins Licht vormittäglicher Frühlingssonne getaucht. Jedes einzelne Motiv schien wie mit einem Leuchtstift markiert, die Musik fächerte sich auf bis in detailreich ausgeführte und plastisch formulierte kammermusikalische Streicherstrukturen, die gar nicht weihrauchgeschwängert ihren symbolistischen Gehalt selbst zu repräsentieren suchten.

Die Klarheit im Spiel und in der Ausformulierung des musikalischen Gedankens ließ dem gesungenen Wort eine starke Priorität. Metzmacher übte Zurückhaltung, schuf mit dem Orchester für die Sänger eine subtil-kommentierende Spielfläche, die nur an den markanten Punkten wie bei den Verwandlungsmusiken ihre Vorherrschaft beanspruchte. Sehr „modern“ handhabte Metzmacher die klangliche Abstimmung, die – wie verschwimmende Spektralfarben eines Regenbogens – auch überraschende Mischungen und Übergänge zuließ.

Der erste Aufzug hatte noch viel von einer „Exposition“. Das Vorspiel wurde wie vom Komponisten gefordert „sehr langsam“ ausgeführt, stellte mehr die einzelnen Abschnitte vor, als auf eine dramaturgische Symbiose zu zielen. Danach steigerte sich das Tempo bis zum Finale des ersten Aufzugs deutlich. Ab dem zweiten Aufzug verschränkte sich die Bühnenhandlung immer stärker mit einem zunehmend etwas emotionaler agierenden Orchester. Das Finale des dritten Aufzugs ließ Metzmacher dann mit großer Woge ausspielen – und damit war der sinnstiftende Bogen zum etwas isoliert wirkenden Vorspiel des ersten Aufzugs im Sinne eines fortschreitenden Entwicklungsprozesses gespannt.

Die Mitwirkenden kamen gut bis sehr gut zur Geltung. Waltraud Meiers Kundry ist längst ein höchst lebendiges Stück Operngeschichte. Nach der Vorstellung wurde ihr auf offener Bühne der vom Solistenverband der Wiener Staatsoper gestiftete Lotte Lehmann-Ring überreicht. Sie folgt als Trägerin des auf zehn Jahre verliehenen Rings Lotte Lehmann, Leonie Rysanek und Hildegard Behrens.

Wie sie „ihre“ Kundry gestaltet, ist jedesmal erneut ein Ereignis – dabei hat sie in Wien schon 1987 (!) in dieser Partie debütiert. Langsam nähert sie sich Parsifal im zweiten Aufzug an, scheint ihn mit ihrem Gesang in hypnotische Trance zu wiegen, um schließlich das gewünschte Begehren zu finalisieren. Sie beherrscht das Geschehen – und doch entgleitet Parsifal ihrem Einfluss und widersteht. Nach dem Kuss zeigen sich ihre Verletzlichkeit, aber auch ihr gekränkter weiblicher Stolz. Ein paar riskante Spitzentöne sind das einzige stimmliche Zugeständnis an ihre lange Karriere.

Christopher Ventris Parsifal verfügt über lyrische Qualitäten ebenso wie über heldisches Strahlen und hat auch schauspielerisch deutlich gewonnen. Falk Struckmann ist nach wie vor ein Amfortas mit starker Ausstrahlung. Er ging den Abend stimmlich vorsichtig an, und wurde doch im dritten Aufzug mit Stimmproblemen konfrontiert. Franz Josef Selig sang einen menschlich berührenden Gurnemanz, der mehr in den getragenen-ruhigeren Momenten überzeugte. Wolfgang Bankl ließ einen kernigen Klingsor hören, in der Höhe nicht ganz so solide wie in der zupackenden Mittellage, vom Charakter brutal und – gemäß der Inszenierung – zuhältermäßig. Im „Gespann“ mit Waltraud Meier gestaltete sich die Klingsor-Kundry-Szene als mitreißendes „Psychospiel“. Ain Anger steuerte einen jungen Titurel bei. Knappen und Blumenmädchen agierten im Wesentlichen solide.

Das Publikum spendete für alle Beteiligten viel Applaus – wobei Waltraud Meier wegen der Ehrung natürlich ein besonderer Stellenwert zukam.